Bolitho hielt sie etwas von sich ab und wartete, bis sie ruhiger wurde.»Ich mu? jetzt gehen. Und ich werde mich bestimmt vorsehen. «Er spurte, wie die Angst sie wieder uberfiel, und fugte rasch hinzu:»Ich mu? doch aufpassen, da? meine neue Uhr nicht Schaden nimmt, nicht wahr?»

Die Tranen liefen ihr ubers Gesicht, doch sie versuchte ein Lacheln.»Das wurde ich dir auch nie verzeihen.»

Er wandte sich um und schritt zur Treppe, blieb aber noch einmal stehen, als sie seinen Namen rief. Doch sie kam ihm nicht nach, sondern winkte nur mit erhobener Hand, als sei er schon weit weg. Unerreichbar.

Unten wartete Allday bei der Gig.»Zuruck an Bord!«befahl Bolitho kurz.

Allday blickte ihn neugierig an.»Die schaffen ja Pulverfasser auf den Schoner, Captain.»

«Soll das eine Frage sein?«Bolitho funkelte ihn wutend an, aber Alldays Gesicht blieb unbewegt.

«Ich dachte nur… Mr. Davy wird daruber nicht sehr erfreut sein.»

Bolitho klopfte ihm auf den Arm.»Ich wei?. Und ich sollte meine schlechte Laune auch nicht an Ihnen auslassen.»

Allday warf einen raschen Blick auf die holzernen Wande des Forts. In einem Fenster sah er eine wei?e Gestalt. Leise sagte er:»Ich kenne das Gefuhl, Captain.»

Unterwegs beobachtete Bolitho die neben dem Schoner liegenden Boote, auf denen fieberhaft gearbeitet wurde. Es hatte sich so einfach und glatt angehort: zwei auf beschranktem Raum vor Anker liegende Fregatten waren leichter zu entern als — Geschutz gegen Geschutz — auf offener See zu stellen. Aber nichtsdestoweniger wurde noch mancher Mann der Undine sterbend seinen Kapitan verfluchen.

Die Gig gewann Fahrt, und er seufzte. Puigserver hatte schon recht gehabt: Seit ihrem ersten Zusammentreffen in Santa Cruz hatte er eine Menge dazugelernt. Besonders uber sich selbst.

«Alle anwesend, Sir. «Herrick nahm neben der Kajutstur Platz und wartete, da? Bolitho die Besprechung eroffne.

Hinter den Heckfenstern war es schon sehr dunkel, aber man konnte noch die gelben Lichter erkennen, die zwischen Fort und Strand hin und her wanderten: Das Beladen des Schoners ging pausenlos weiter.

Bolitho blickte in die Gesichter seiner Manner. Alle waren hier, sogar Midshipman Keen, obwohl der Arzt noch keine Verantwortung fur seine Gesundheit ubernehmen wollte. Man sah Keen noch an, da? ihn jede Bewegung schmerzte, aber er hatte darauf bestanden, wieder Borddienst zu machen.

Dann Mudge und Soames. Und Fowlar, etwas verlegen, weil er zum erstenmal an einer Offiziersbesprechung teilnahm. Davy, in dessen hubschem Gesicht noch die Enttauschung uber das stand, was Bolitho anscheinend mit dem Schoner vorhatte. Hauptmann Bellairs mit seiner weltmannischen Bierruhe. Der Zahlmeister, trubselig wie immer. Armitage und Penn — wie ungleiche Bruder. Und schlie?lich, direkt unter dem Skylight, der Schiffsarzt Whitmarsh, dessen Gesicht wie eine machtige rote Rube gluhte.

Bolitho faltete die Hande auf dem Rucken. Ein durchschnittliches Offizierskorps, dachte er, weder besser noch schlechter als andere; und doch mu?te er jetzt mehr von ihnen fordern als von einer ganzen Kompanie altgedienter, kriegserfahrener Soldaten.

«Sie kennen mich lange genug«, begann er,»um zu wissen, da? ich Reden weder gern halte noch anhore. «Herrick grinste, und Mudges Augen wurden zu beiden Seiten der machtigen Nase noch kleiner.»Zu Beginn dieser Reise gab es viele an Bord, auch in der Offiziersme sse, denen meine Methoden zu hart, meine Anforderungen fur einen friedensma?igen Auftrag zu hoch vorkamen. Heute sehen wir die Dinge anders und wissen, da? unsere Erfahrung, unsere Ausbildung das einzige ist, was wir zu unserem Schutz einzusetzen haben und — noch wichtiger — zum Schutze derer, die von uns abhangen. «Er nickte Herrick zu.»Rollen Sie die Karte auf.»

Wahrend Mudge sich vorbeugte, um die Rader der Karte mit Buchern und Messingzirkeln zu beschweren, musterte Bolitho noch einmal die Gesichter. Verrieten sie Angst oder Vertrauen? Das konnte man noch nicht wissen. Er fuhr fort:»Der Schoner wird in die Hauptdurchfahrt segeln und dabei bis zum letztmoglichen Moment die ostliche Landspitze als Deckung benutzen. Sobald er direkten Kurs auf die Felsen am Fu? der Inselfestung hat — «, er unterbrach sich, um die Zirkelspitze auf das kleine Kreuz zu legen,»- wird das Ruder festgelascht, und die Mannschaft geht ins Boot. Wir werden sie spater an Bord nehmen. «Er zwang sich zu einem Lacheln, obwohl ihm das Herz seltsam schwer war.

«Aber erst mussen wir die beiden Fregatten entern, namlich ehe ihre Besatzungen sich von dem Schreck uber die Explosion erholt haben.»

«Denen werden wir's zeigen, Sir!«rief Penn, sank aber unter Mudges vernichtendem Blick wieder zusammen.

Bolitho lachelte dem Midshipman in das feuerrote Gesicht.»Und wir werden, von Mr. Penns Begeisterung beflugelt, in die Passage einlaufen, beiden Schiffen eine Breitseite verpassen, wenden und noch eine abfeuern. «Er blickte Davy bedeutsam an.

«Also sagen Sie den Geschutzbedienungen, da? sie auf Draht sein mussen. Die ersten beiden Breitseiten entscheiden alles.»

Bellairs meinte gedehnt:»Ziemliches Risiko fur den Schoner, wurde ich sagen, Sir. Bei so viel Schie?pulver an Bord reicht eine einzige gluhende Kugel, und hoch geht er. «Unter Bolithos starrem Blick fing er an zu blinzeln und fuhr fort:»Nichts gegen die Wagehalse auf dem Schoner — aber was wird dann aus uns?»

Bolitho schuttelte den Kopf.»Die Batterie ist alt. Ich bin so gut wie sicher, da? sie keine Kugeln erhitzen werden, weil sie Angst haben, da? die Rohre platzen. Normalerweise brauchen sie auch gar keine hei?en Kugeln. Bei diesem Schu?feld kann die Batterie jedes Schiff treffen, sobald es in einer der beiden Hauptpassagen ist.»

Er lachelte, um die plotzlichen Zweifel zu uberspielen, die Bellairs Bemerkung in ihm erregt hatte. Angenommen, die Kugeln lagen bereits in den Essen und wurden erhitzt? Aber dann hatte er bestimmt etwas gesehen. Gluhende Kugeln lie?en sich nicht in Korben auf eine so hohe Brustwehr hieven. Er fuhr fort:»Und uberhaupt wird bis dahin der gro?te Teil der Batterie auf dem Meeresgrund liegen, wo sie von Rechts wegen schon seit Jahren hingehort. Wir lichten morgen beim Hellwerden Anker. Der Wind scheint gunstig zu stehen und wird uns bei einigem Gluck gute Dienste leisten. Bleibt nur noch eine Frage zu klaren…«Er zogerte, denn Herrick sah gespannt zu ihm heruber.

Aber er durfte in Herrick jetzt nicht seinen Freund sehen, den besten und treuesten, den er je besessen hatte. Er war sein Erster Leutnant, der tuchtigste Offizier an Bord. Anderes zahlte nicht, durfte nicht zahlen.

«Mr. Herrick befehligt den Schoner.»

Mit ausdruckslosem Gesicht nickte Herrick.»Aye, Sir. Ich nehme sechs gute Manner mit. Das mu?te reichen.»

Bolitho sah ihm in die Augen, die Gesichter der anderen traten zuruck.»Das uberlasse ich Ihnen. Und wenn Potter mitkommen will, mag er's tun. «Whitmarsh sprang auf und wollte anscheinend protestieren, aber Bolitho lie? ihn nicht zu Wort kommen.»Er kennt die Durchfahrt. Wir brauchen jede Hilfe, die wir kriegen konnen.»

Die Tur offnete sich etwas, Carwithen steckte den Kopf herein.»Verzeihung, Sir, aber die Wasserfasser sind verstaut, und Meldung ist gekommen, da? der Schoner voll beladen ist.»

«Schon. «Bolitho wartete, bis sich die Tur wieder schlo?.»Also machen Sie weiter, meine Herren. Sie haben alle viel zu tun. «Er zogerte — warum fielen einem niemals die richtigen Worte ein, wenn man sie am notwendigsten brauchte?» Uns bleibt wenig Zeit fur Diskussionen, bis unser Auftrag erfullt ist.«Oder wir alle tot sind. »Denken Sie immer daran: Unsere Leute sehen mehr denn je Vorbilder in Ihnen. Die meisten waren noch nie in einem richtigen Seegefecht; bei unserem Treffen mit der Argus glaubten viele, wir hatten eine Schlacht gewonnen, nicht einen geordneten Ruckzug angetreten. Diesmal gibt es keinen Ruckzug, weder fur uns noch fur den Feind. Le Chaumareys ist ein erstklassiger Kapitan, der beste vielleicht, den Frankreich je hervorgebracht hat. Aber er hat eine Schwache. «Er hielt einen Moment inne, nachdenklich lachelnd.»Eine Schwache, die wir uns noch nicht leisten konnten: er setzt blindes Vertrauen in sein Schiff und in sich selbst. Dieses unbedingte Selbstvertrauen unseres Gegners, im Verein mit Ihrem Konnen und Ihrer Entschlossenheit, wird uns zum Sieg verhelfen.»