Sie waren in mehrere Einzelgefechte mit Freibeutern und Blockadebrechern verwickelt gewesen. Dabei hatte sich Sinclairs unnachgiebige Disziplin, so sah es jedenfalls aus, gunstig ausgewirkt.

Der Segelmeister gesellte sich zu Wright und sagte gedampft:»Dieser Nebel darf nicht mehr lange dauern. «Er schien besorgt.»Wir konnten schon Meilen vom Kurs abgekommen sein.»

Sie blickten beide zum Geschutzdeck hinab, als ein leises Achzen die Manner der Wache aufschreckte.

Wie alle anderen Schiffe des Geschwaders litt auch La Mouette unter einem Mangel an Frischwasser. Kapitan Sinclair hatte befohlen, es fur die Mannschaft drastisch zu rationieren, und vor zwei Tagen die Rationen nochmals verkleinert. Wright hatte vorgeschlagen, eine Insel anzulaufen, vorausgesetzt es zeige sich kein Feind, und dort den Wasservorrat zu erganzen. Doch Sinclair hatte ihn kalt angesehen.»Mir wurde befohlen, Informationen uber die Franzosen zu sammeln, Mr. Wright. Ich habe keine Zeit, die Leute zu verwohnen, nur weil ihnen die Rationen nicht zusagen.»

Wright betrachtete den achzenden Mann am BackbordSeitendeck. Er war vollig nackt, seine Beine waren durch Fu?eisen gespreizt, seine Arme nach hinten um ein Geschutzrohr geschlungen, so da? er wie gekreuzigt aussah.

Hin und wieder rollte sein Kopf von einer Seite zur anderen, er stohnte leise, aber seine Zunge war zu geschwollen in dem Mund voller Blasen, als da? seine Bitten verstandlich gewesen waren.

Seemann McNamara hatte nachts eine Gallone Frischwasser gestohlen, als der am Wasserfa? auf Posten stehende Seesoldat vom Offizier der Wache abgerufen wurde. Auf Kriegsschiffen verachtete man einen Dieb. Die vom Zwischendeck ausgeubte

Selbstjustiz gegen einen solchen Missetater war oft weit scharfer als die der Vorgesetzten.

Deshalb hatte jedermann eine ernstliche Bestrafung erwartet, zumal McNamara als chronischer Druckeberger galt. Aber Sinclairs Reaktion hatte auch die hartesten Seeleute entsetzt. Funf Tage hatte McNamara nun schon auf dem Seitendeck in Eisen zugebracht, in der glei?enden Sonne wie in der Kuhle der Nacht. Er war in seinem eigenen Unrat mit Salzwasser begossen worden, weniger um seine Qual zu lindern, als um das Deck zu saubern.

Sinclair hatte die Mannschaft antreten lassen, die betreffenden Passagen der Kriegsartikel vorgelesen und schlie?lich McNamara ein Dutzend Hiebe versprochen, wenn die erste Strafe abgeleistet war. Wright fror. Es schien ihm unwahrscheinlich, da? McNamara bis dahin noch leben wurde.

Der Meister zischte:»Kommandant kommt, Mr. Wright. «So war es nun mal an Bord: Gefluster, Furcht und schwelender Ha? auf den Mann, der ihnen taglich das Leben zur Holle machte.

Sinclair, adrett gekleidet, die Hand auf dem Degengriff, schritt erst zum Kompa?, danach zur Reling achtern, um die Segelstellung zu prufen.

«Nordwest zu West, Sir!»

Sinclair wartete, bis Wright seine Meldung gemacht hatte, und sagte dann:»Lassen Sie sich Ihren Hut holen, Mr. Wright. «Er lachelte dunn.»Wir sind nicht auf einem Bombayfrachter, sondern auf einem Schiff des Konigs.»

Wright errotete.»Tut mir leid, Sir, die Hitze.»

«Richtig!«Sinclair sah einen Jungen nach dem Hut rennen und bemerkte:»Verflucht, wieviel Zeit mu? ich in diesem Nebel noch vergeuden?»

Der Elendsmann auf dem Seitendeck stohnte wieder. Es horte sich an, als ersticke er an seiner eigenen Zunge.

Sinclair blaffte:»Haltet den Mann ruhig! Ich lasse ihn auf der Stelle auspeitschen, wenn ich noch einen Pieps von ihm hore!»

Wright fuhr sich mit der Hand uber die trockenen Lippen.»Es sind jetzt funf Tage, Sir.»

«Auch ich habe einen Kalender, Mr. Wright. «Sinclair ging zur anderen Seite und spahte ins Wasser.»Die anderen werden es sich nun zweimal uberlegen, ehe sie seinem Beispiel folgen. «Unvermittelt fugte er hinzu:»Mein Befehl lautet, zum Geschwader zu sto?en. Das Treffen ist schon uberfallig, dank dieses verfluchten Wetters. Konteradmiral Herrick wird mich zweifellos inzwischen suchen lassen.»

Er zuckte die Achseln, der sterbende Seemann war vergessen. Der blo?e Anblick seiner Leiden machte Wright schon krank. In einem Punkt irrte Sinclair: Der Groll der Mannschaft dem Dieb gegenuber war langst in Mitgefuhl umgeschlagen. Daruber hinaus hatte Sinclair den Delinquenten jeder menschlichen Wurde beraubt. Er lie? ihn wie ein angekettetes Tier in seinen eigenen Exkrementen liegen, erniedrigte ihn vor seinen Messekameraden.

Der Kommandant wanderte ruhelos an der Reling auf und ab.»Ich bin mir gar nicht so sicher, da? unser tapferer Admiral wei?, was eigentlich los ist. Ubervorsichtig, wenn Sie mich fragen.»

«Sir Richard wird seine Grunde haben, Sir.»

«Wer wei??«Sinclair schien in Gedanken woanders.»Ich hore, er will die beiden Geschwader vereinigen, und dann. «Er schaute stirnrunzelnd hoch, als ihn eine Stimme unterbrach:»Der Nebel hebt sich, Sir!»

Sinclair wandte sich an den Ersten Leutnant.»Wenn der Wind zunimmt, will ich jeden Fetzen Leinwand oben haben. Darum lassen Sie alle Mann rufen, diese Mu?igganger brauchen Arbeit, um in Form zu bleiben!»

Ohne seine Ungeduld zu zugeln, schritt Sinclair ubers Seitendeck, verhielt mittschiffs und schaute zu dem nackten Mann hinuber. McNamaras Kopf hing herunter, als sei er tot.

Sinclair rief:»Weckt diesen Abschaum auf! Los, nimm deinen Stock, Mann!»

Der angerufene Bootsmannsgehilfe starrte ihn stumm an, schockiert uber die Brutalitat des Kommandanten. Sinclair stemmte die Hande in die Huften und musterte ihn mit

Verachtung.»Los jetzt, oder du mu?t den Platz mit ihm tauschen!»

Wright war im stillen dankbar, als die Leute an die Brassen und Fallen eilten. Das Trampeln blo?er Fu?e ubertonte das Klatschen des Rohrstocks auf McNamaras Schultern.

Der Zweite Leutnant kam achteraus gelaufen und winkte dem Meister.»Rasch ins Kartenhaus! Wir wollen unseren Standort bestimmen, sobald wir Land sichten.»

Wright schurzte die Lippen, als der Meistersgehilfe das Schiff klar zum Segelsetzen meldete. Gott helfe uns allen, wenn kein Land zu sehen ist, dachte er verzweifelt. Durch den Dunst fiel jetzt schwacher Sonnenschein auf Marsrahen und das milchige Wasser. Der Mann am Lot sang wieder aus:»Kein Grund, Sir!»

Wright pre?te die Finger so hart zusammen, da? sie sich verkrampften. Der Kommandant stand am vorderen Ende der Laufplanke, seine Haltung verriet Sorglosigkeit.

«An Deck! Segel in Luv!»

Sinclair kam nach achtern, sein Mund war eine dunne Linie. Naturlich, der Ausguck oben wurde das andere Schiff jetzt sehen konnen, wenn auch nur dessen Bramrahen uber dem ziehenden Dunst. Der Mann brullte wieder:»Englisches Kriegsschiff, Sir!»

Sinclair starrte in die wei?en Wirbel.»Wer ist der Narr dort oben?»

«Tully, Sir, ein zuverlassiger Matrose.«»Das hoffe ich in seinem Interesse.»

Sonnenlicht enthullte nun die zwei Batterien, die schmucken, sauberen Linien, die in ihrer Halterung vollig gleichhohen Enterspie?e am Gro?mast, aufgestellt wie Soldaten zur Parade. Kein Wunder, da? es den Admiral beeindruckt hatte, dachte

Wright.

Sinclair scharfte ihm ein:»Stellen Sie sicher, da? unsere Erkennungsnummer klar zum Aufhei?en ist. Kein hochnasiger Vollkapitan soll an meinen Signalen etwas auszusetzen haben.»

Aber der Fahnrich, ein angstlicher Junge, stand schon mit seinen Leuten bereit. Man blieb nicht mehr als einmal hinter den Erwartungen des Kommandanten zuruck.

Das Vormarssegel begann sich zu blahen, der Segelmeister rief erleichtert:»Endlich Wind!»

«An die Brassen!«Sinclair deutete zur Reling.»Dort, den Namen des Mannes, Mr. Cox! Meine Gute, ihr bewegt euch heute wie die Kruppel!»

Der Schiffsrumpf neigte sich, Gischt spritzte uber den Mowenkopf. Der Dunst flutete durch Wanten und Stagen und lie? an beiden Seiten blankes Wasser zuruck. Der nackte Seemann ri? den Kopf hoch und starrte wie blind zu den Segeln auf. Das Eisen hatte seine Hand- und Fu?gelenke wundgescheuert.