Als Bolitho Entschuldigungsgrunde fur Penels' Verhalten zu bedenken gab, hatte Herrick scharf erwidert:»Sehen Sie da druben die Styx, Sir? Ihr Kommandant war in Penels' Alter, als wir gemeinsam die blutige Meuterei niederschlugen. Ich habe ihn dabei nicht nach seiner

Mama rufen gehort!»

Aber wie die Angelegenheit Penels auch ausgehen mochte, erst einmal wurde der Junge die Anforderungen und Schrecken der bevorstehenden Schlacht durchstehen mussen wie jeder in der Flotte.

Bolitho kam zu einem Entschlu? und winkte seinen Flaggleutnant heran.

«Sir?»

Mehr als alle anderen schien Browne durch das harte Leben auf See gewonnen zu haben. Der Kontrast zwischen Admiralitat und der Offiziersmesse eines Kriegsschiffes war immerhin beachtlich.

«Es geht um den jungen Penels. Konnen Sie ihn in Ihrer Gruppe gebrauchen?»

Browne schien zunachst ablehnen zu wollen, besann sich dann aber.»Wenn es befohlen wird: ja. «Er lachelte milde.»Selbstverstandlich konnte ich zu bedenken geben, da? ohne sein Zutun Babbage noch am Leben oder bestenfalls auf der Flucht ware. Ihr Neffe ware nicht gefordert worden, und Sie schlie?lich.»

«Was ist mit mir?»

«Ich nehme Penels, Sir. Mir ist gerade etwas eingefallen: Ohne die Herausforderung Ihres Neffen waren Sie nicht wie verruckt mit mir nach Portsmouth geritten. Und dann ware Ihnen nicht eine gewisse Dame Hals uber Kopf nachgereist.»

Bolitho mu?te sich abwenden.»Zur Holle mit Ihnen, Sie Frechdachs! Sie sind genauso schlimm wie mein Bootssteurer. Kein Wunder, da? Sir George Beauchamp froh war, Sie los zu sein!»

Browne lachelte hinter seinem Rucken.»Sir George liebt schone Frauen, Sir. Er hat mich als Rivalen gefurchtet. Vollig zu unrecht, naturlich.»

«Naturlich. «Bolitho lachelte.»Es hatte mich auch gewundert.»

In schwerfalliger Prozession drehten die vier Linienschiffe in den Wind, um Anker zu werfen, wahrend ihre kleineren Begleiter noch etwas weiter nach Luv segelten, bevor sie es ihnen nachtaten. Selbst hier, wo so viele Schiffe versammelt waren, durfte man nie die Wachsamkeit vernachlassigen.

Herrick lie? schlie?lich zufrieden sein Fernglas sinken.»Alle haben geankert, Sir.»

«Sehr schon, Thomas. «Sie entfernten sich etwas von moglichen

Zuhorern, bevor Bolitho fortfuhr:»Wenn es dammert, lassen Sie Vorbereitungen zum Gefecht treffen, die Rahen mit Ketten sichern und Schutznetze uber dem oberen Batteriedeck spannen. Nach Einbruch der Dunkelheit wird sich in der Meerenge sicher kaum etwas bewegen, aber ein einziges Fahrzeug konnte Alarm auslosen. Wir mussen auf alles gefa?t sein. Wenn das Schlimmste passiert und wir auf Grund laufen, mussen wir sehr fix mit dem Ausfahren des Warpankers und sonstigen Ma?nahmen sein, um ohne Verzug wieder flott zu werden.»

Herrick nickte. Er war froh, da? er seine Ansichten und Sorgen besprechen konnte.»Der Boden der Benbow ist mit dem besten Kupfer beschlagen und halt viel aus, aber ich wurde es doch nicht gern darauf ankommen lassen.»

Er hielt inne, als einige Manner mit Eimern voll Fett und Wagenschmiere an ihnen vorbeiliefen. Jeder Block, jede Talje, alle beweglichen Metallteile, vom Ankerspill bis zum Rudergeschirr, wurden damit eingeschmiert. Nachts an Deck eines Schiffes scheinen nur der Wind und die Segel Gerauschquellen zu sein, aber in Wirklichkeit sind es die quietschenden Blocke oder sonstige schleifende Metallteile, deren Gerausch weit uber das Wasser getragen wird.

Herrick sagte:»Sobald wir uns in Bewegung gesetzt haben, werden die Beiboote mit dem Loten beginnen. Wenn wir durch die Enge hindurch sind oder vorher angegriffen werden, werden sie zu ihren Schiffen zuruckkehren, sofern sie dabei unseren weiteren Vormarsch nicht behindern. Anderenfalls kann die Styx sie spater aufnehmen.»

Bolitho sah ihn forschend an. Selbst in dem schwachen Abendlicht waren Herricks Augen ungewohnlich blau.»Ich glaube, wir haben an alles gedacht, Thomas. Fur das Weitere wird uns Ihr sprichwortliches Gluck beistehen mussen.»

Herrick grinste.»Ich habe schon eine Wette darauf abgeschlossen.»

Eine Gestalt huschte wie ein Schatten an ihnen vorbei: Loveys, der Schiffsarzt. Bolitho fuhlte einen kalten Schauer uber seinen Rucken laufen, als er sich erinnerte, wie Loveys damals mit starrem Blick in seiner offenen Wunde herumgestochert hatte.

Die Schiffsarzte des Geschwaders wurden in wenigen Stunden sehr gefragt sein, dachte er grimmig. Er sagte:»Ich gehe in meine Kajute. Vielleicht konnen Sie bald dazukommen?»

Herrick nickte.»Sobald die Leute gegessen haben, lasse ich >Klar Schiff zum Gefecht< anschlagen, Sir.»

Bolitho war einverstanden. Er hatte es den Kommandanten uberlassen, wann sie ihr Schiff gefechtsbereit machten. Nichtsdestoweniger wu?te er, da? Herrick es kaum zulassen wurde, da? ein anderes Schiff dem Flaggschiff zuvorkam.

Die Kajute wirkte gro?er als sonst, denn Ozzard hatte schon die meisten Mobelstucke in die Stauraume unterhalb der Wasserlinie getragen. In dem leeren Raum fuhlte sich Bolitho immer unbehaglich. Es sah so verpflichtend, so endgultig aus.

Allday hatte den prachtigen Ehrensabel heruntergenommen und war gerade dabei, den anderen mit einem weichen Tuch zu putzen.»Ich habe etwas zum Abendessen fur Sie bestellt, Sir. Nichts Schweres.»

Bolitho setzte sich und streckte die Beine aus.»Beunruhigt Sie die Aussicht auf eine neue Schlacht nicht?»

«Doch, Sir. «Allday peilte an der Klinge entlang und nickte zufrieden.»Denn wo Ihre Flagge weht, ist es immer am dicksten, und daruber mu? man sich mehr Sorgen machen als uber ein paar blutige Nasen.»

Bolitho lie? Allday mit seinen kleinen Vorbereitungen fortfahren. Jetzt mu?te die Kurierbrigg, wenn sie Gluck gehabt hatte, in England angekommen sein. Noch ein Tag auf der Landstra?e, und dann wurde sein Brief endlich Herricks Haus in Kent erreichen, wo Belinda sich aufhielt.

Ozzard trat mit einem Tablett ein, uber das ein Tuch gedeckt war. Er sagte:»Sie wollen gleich >Klar Schifft anschlagen, Sir. «Es klang argerlich wegen der Storung.»Aber Mr. Wolfe hat mir zugesichert, da? Ihre Kajute so bleibt, wie sie ist, bis Sie fertig gegessen haben. «Er setzte das Tablett auf den Tisch.»Ich furchte, es ist wieder Salzfleisch, Sir.»

Bolitho erinnerte sich lachelnd an Damerums Erwahnung seines Lebensmittellieferanten in London, eines Mr. Fortnum. Vielleicht wurde er eines Tages mit Belinda zu dem Handler gehen.

So weit weg wie auf einem anderen Schiff horte er den Ruf, der lauter und lauter wurde, als die Bootsmannsmaaten und Unteroffiziere der Seesoldaten durch das Schiff eilten:»Alle Mann auf! Alle Mann auf! Klar Schiff zum Gefecht!»

Als Hunderte von Fu?en uber die Decks rannten, schien die Benbow zu zittern. Bolitho sah auf das zahe Fleischstuck nieder, das Ozzard mit einigen Kunstgriffen schmackhaft zu machen versucht hatte.»Sieht gut aus, Ozzard. Ich werde dazu ein Glas Madeira trinken.»

Allday verlie? die Kajute mit seinem gro?en alten Entermesser unter dem Arm. Er wollte damit zum Stuckmeister, um es auf dessen Schleifstein zu scharfen, eine Arbeit, die er keinem Matrosen oder gar Schiffsjungen anvertraute, weil das gute Stuck sonst hinterher — behauptete er — wie eine Sage aussah.

Im Weggehen horte er noch Bolithos Bemerkung, die ihm typisch schien. In einem solchen Augenblick wurgte er lieber das steinharte Fleisch herunter, als da? er Ozzards Gefuhle verletzte.

Allday schlenderte zwischen den beiden Reihen der Kanonen und den vielen eilfertigen Gestalten und Befehle donnernden Maaten nach vorne. Das Gehetze hatte er schon oft erlebt, hatte es oft selbst mitgemacht. Als Bolithos Bootssteurer stand er nun daruber und hatte seinen Sonderstatus an Bord wie an Land.

Tom Swale, der Oberbootsmann, grinste Allday mit seinem luk-kenhaften Gebi? an, als er an ihm vorbeikam.»Viel zu tun, John?»

Allday nickte umganglich.»Aye, Smatting, wie immer!»