Verling merkte, da? der Kapitan Schlu? machen wollte.»Irgendwelche Fragen?«erkundigte er sich.
Dewar, der Major der Marine-Infanterie, fragte unumwunden:»Mit was fur Widerstand ist zu rechnen, Sir?»
Der Kapitan blickte ihn sekundenlang stumm an.»Ungefahr eine Meile vor der Kuste liegt eine kleine Insel. Vor etwa vierhundert Jahren wurde sie entdeckt und war seitdem meistens besetzt: von den Hollandern, den Franzosen und sogar von uns. Gegen Angriffe von der Kuste her ist sie gut zu verteidigen. Die See dort ist voller Haie. . «Er machte eine Pause, und sein Blick wurde ungeduldig.
«Noch Fragen?»
Hope, der Funfte Leutnant, fragte zogernd:»Wieso gegen Angriffe von der Kuste, Sir?»
Uberraschenderweise lachelte Kapitan Conway ein bi?chen.»Eine gute Frage, Mr. Hope. Ich freue mich, da? wenigstens einer aufgepa?t hat. «Er ignorierte sowohl Hopes freudiges Erroten als auch Tergorrens finstere Miene.»Aus einem einfachen Grund: die Insel ist als Sammelplatz fur Sklaven zur Verschiffung nach Amerika benutzt worden. «Er spurte das plotzliche Unbehagen bei den Offizieren und fuhr unwillig fort:»Ein ubles Geschaft, aber nicht direkt illegal. Die Handler sammeln dort ihre menschliche Ware, und jeder, der ihren Anspruchen nicht genugt, geht zu den Haien. Diese ›Einrichtung‹ hindert auch eventuelle Freunde und Verwandte der Gefangenen, diese vor dem Hollenleben zu retten, das sie erwartet.»
Major Dewar warf seinem Leutnant einen Blick zu und murmelte grimmig:»Bei Gott, denen werden wir's zeigen, was? Sklaverei, so oder so, interessiert mich einen Dreck, aber Piraten sind fur mich einfach Ungeziefer.»
Leise sagte Dancer:»Mein Vater hat oft gesagt, Sklaverei und Seerauberei gehen Hand in Hand. Die einen leben von den anderen, oder wenn es ihnen in den Kram pa?t, verbunden sie sich gegen die Staatsmacht.»
Aufgeregt murmelte der kleine Eden:»Wartet b-blo?, bis die Gorgon euch uber den Hals k-kommt!«Er rieb sich die Hande.»Wartet b-blo? ab!»
«Ruhe da druben!«blaffte Verling. Gelangweilt lie? der Kapitan seine Blicke durch die Masse schweifen.»Wir werden beigedreht liegenbleiben und dann morgen dicht unter Land segeln. Die Kuste hier ist sehr gefahrlich; ich habe keine Lust, den Kiel auf ein Riff zu setzen. Unser neues Begleitschiff wird die Vorhut bilden. Bei Sonnenaufgang werden die Landekommandos eingeteilt. «Er schritt zur Tur.»Machen Sie weiter, Mr. Verling!»
Der Erste wartete, bis die Tur sich hinter dem Kapitan geschlossen hatte, und sagte dann:»Wegtreten auf Divisionen. «Dann wandte er sich an den Steuermannsmaaten:»Mr. Ivy, Sie ubernehmen die Athen fur diese Nacht. Ich schlage vor, Sie lassen sofort ein Boot klarmachen.»
Dancer seufzte.»Erst stiehlt Tergorren dir deine Idee, Dick, und nun werden wir auch noch unser erstes Kommando los. «Er grinste.»Aber ich mu? sagen, ein bi?chen sicherer fuhle ich mich doch auf dieser dicken alten Dame!»
Auch der kleine Eden grinste.»Ich r-rieche Essen!«Eilends, als wurden seine Fu?e von seinem Magen getrieben, verlie? er die Offiziersmesse.
«Wir gehen auch, Dick!«Aber als sie auf dem Geschutzdeck waren, horten sie hinter sich Tergorrens Stimme:»Belegen! Ich habe Arbeit fur Sie beide! Entern Sie zur Bramsegelrahe auf und sehen Sie nach, ob diese faulen Hunde richtig gesplei?t haben, als wir an Bord der Prise waren!«Er warf ihnen einen kalten Blick zu.»Doch nicht etwa zu dunkel fur Sie? Oder zu gefahrlich?»
Dancer offnete schon den Mund zu einer Entgegnung, aber Bolitho sagte rasch:»Aye, aye, Sir.»
«Aber gefalligst nicht schummeln!«rief der Leutnant hinter ihnen her.
Drau?en fing es schon an dunkel zu werden. Bei den Webeleinen murmelte Bolitho vor sich hin:»Ob ich wohl jemals im Leben diese verdammte Hohenangst loswerde?»
Sie blickten zu dem schwarzen Kreuz und Quer der Takelung auf, zu dem gro?en Vormarssegel und zu dem Segel daruber. In dem schwindenden Abendlicht, das die Decksplanken schon nicht mehr erreichte, ergluhte es in tiefem Rot.
«Ich gehe allein hinauf, Dick«, sagte Dancer.»Er merkt es schon nicht.»
Bolitho lachelte grimmig. »Der merkt das bestimmt, Martyn. Das will er ja gerade. «Er legte Hut und Rock ab und stopfte sie unter eine Klampe.»Also los! Wenigstens wird es uns Appetit machen.»
Achtern, bei dem machtigen, doppelten Steuerrad, beobachteten die Rudergasten die schwingende Kompa?nadel und lie?en die Speichen ganz leicht spielen. Mit ihren nackten Fu?en standen sie wie angewachsen auf den Planken. Ruhelos schritt der Wachoffizier an der Luvseite auf und ab und warf gelegentlich einen Blick nach Lee, wo die einzige Laterne der Barkentine einen winzigen Reflex auf die Wasserflache warf.
Kapitan Conway trat aus dem Achterkastell hinter das Ruder, die Hande, wie immer, auf dem Rucken gefaltet. Automatisch pa?te er seine Korperhaltung den Schwankungen des Schiffes an. Der Erste Ruderganger stie? seinen Kameraden an und rief:»Sudost bei Sud liegt an, Sir.»
Conway nickte und wartete, bis der Leutnant ebenso diskret wie eilig nach Lee hinubergewechselt war, damit der Kapitan die notige Ruhe und Einsamkeit fur seinen Abendspaziergang hatte.
Auf und ab, hin und zuruck tappten seine Schritte auf den glatten Planken. Einmal verhielt er und warf einen kurzen Blick durch die Riggen auf die beiden schattenhaften Gestalten, die hoch oben auf der Bramsegelrahe hockten wie Vogel auf ihrer Stange. Aber im Weitergehen und Nachdenken uber den nachsten Tag hatte er sie bald vergessen.
An diesem Morgen wurde die gesamte Mannschaft sehr fruh aus den Hangematten gescheucht, und es gab ein hastiges Fruhstuck aus Hafergrutze und gerostetem Schiffszwieback, mit einem Krug Ale zum Anfeuchten. Jedoch ein alterer Matrose bemerkte dazu mit dusterer Miene:»So fruh und so reichlich — das hei?t, der Kapitan rechnet damit, da? was passiert.»
Und dann, als sich im Osten die ersten Spuren der Morgendammerung bemerkbar machten und die Koche die Kombusenfeuer loschten, kam das Pfeifsignal vom Achterdeck:»Alle Mann achteraus! Alle Mann achteraus, und klar Schiff zum Gefecht!»
Von der Kampanje her tonten die hektischen Wirbel der Trommeljungen, die Befehle und Beschimpfungen der Deckoffiziere und Maaten, und wieder einmal wurden die Manner der Gorgon zu einem Manover getrieben, auf das sie gedrillt und geschliffen worden waren, bis alle Knochen schmerzten, im stromenden Regen und bei brennender Sonne, bis sie ganz genau wu?ten, wo jeder Mann, jedes Gerat, jedes Tauende, jedes Fall seinen Platz hatte, wenn es hie?»Klar Schiff zum Gefecht».
Manche unter den erfahrenen Matrosen gaben sich diesmal mehr Muhe als sonst; vielleicht spurten sie, da? das heutige Exerzieren mehr zu bedeuten hatte, als es auf den ersten Blick schien. Andere, und besonders die ganz jungen wie Eden rannten so zappelig wie aufgeregte Kinder auf ihre Stationen und lie?en sich weder durch die Fluche der nervosen Leutnants, noch durch die Beschimpfungen ihrer Kameraden beruhigen.
Bolithos Station war das untere Geschutzdeck. Er fuhlte, wie sein Herz klopfte, schneller als sonst. In dem niedrigen, fast finsteren Deck sah er die Matrosen geduckt um die machtigen Zweiunddrei?igpfunder herumkriechen, horte unter ihren nackten Fu?en den Sand knirschen, den die Schiffsjungen reichlich gestreut hatten, damit niemand wahrend des Manovers ausrutschte oder hinfiel.
Vom Oberdeck her sickerte ein bi?chen Licht durch den Niedergang, und er konnte erkennen, wie die Geschutzmannschaften ihr Gerat kontrollierten und die Persennigen abnahmen, um ihr Gerat zu kontrollieren und die Blocke der Zugleinen und die Handspeichen zu uberprufen.
Von oben konnte er das gedampfte Quietschen der Taljen horen, als die Netze uber das Deck gezurrt wurden, welche die Kanonen und ihre Bedienungen vor fallenden Spieren und Rahen schutzen sollten. Wie oft hatten sie das wahrend der Viertausend-Meilen-Reise geubt?