«Sie konnten einen Stellvertreter anfordern«, Tuson sprach trotzig weiter, auch als Bolitho wutend herumfuhr,»und sich daheim von einem Facharzt behandeln lassen.»

«Ich werde Nelson nicht um einen Gefallen bitten. Die Franzosen kommen heraus, das wei? ich genau.»

«Und was soll aus dem Madchen werden?»

Bolitho lehnte sich zuruck und spurte die Sonne durch das Glas hei? auf seiner Brust.

«Ich werde Vorkehrungen fur sie treffen.»

Tuson lachelte.»Sie wollen mich nicht mit hineinziehen, wie?»

Es klopfte an, und Keen betrat die Kajute. Er war in den drei Tagen seit dem Gefecht fast unablassig auf den Beinen gewesen.

«Geht es Ihnen gut, Sir?«fragte er Bolitho. Bolitho wies auf einen Stuhl.»Jedenfalls nicht schlechter.»

Keen sah, da? Bolithos Fu? nervos wippte. »Rapid hat ein Schiff im Sudwesten gemeldet, Sir. Ein kleines, das sich unter vollen Segeln nahert.«»Aha.»

Keen war bemuht, seine Besorgnis zu verbergen. Bolitho wirkte so uninteressiert. Alles Feuer, alle Entschlossenheit, die er bei der Vernichtung des Franzosen gezeigt hatte, schien verschwunden zu sein.

Der Posten rief:»Midshipman der Wache, Sir!»

Keen seufzte und ging zur Tur.»Na, was ist, Mr. Hickling? Spannen Sie uns nicht auf die Folter.»

Der Junge zog eine Grimasse und versuchte, sich an den genauen Wortlaut der Meldung zu erinnern.

«Empfehlung von Mr. Paget, Sir. «Sein Blick glitt an Keen vorbei in die Kajute, wo sich Bolithos Umri? vor den Heckfenstern abhob. Hickling war erst dreizehn und hatte wahrend des Gefechts auf dem unteren Batteriedeck mit ansehen mussen, wie ein Mann von Splittern zerrissen wurde. Trotzdem wirkt er unverandert, dachte Keen.

Hickling fuhr fort:»Das Schiff ist als die Brigg Firefly identifiziert worden, Sir.»

Bolitho kam wankend auf die Beine und rief:»Ist er ganz sicher?»

Hickling beobachtete seinen Admiral neugierig und ohne Ehrfurcht. Dafur war er einfach noch zu jung.»Mr. Paget meint ja, Sir Richard.»

Bolitho legte dem Midshipman die Hand auf die Schulter.»Eine gute Nachricht. «Hickling starrte die Hand an und wagte sich nicht zu ruhren, als Bolitho hinzufugte:»Leutnant Paget hat Ihr Verhalten unter Feuer sehr gelobt. Gut gemacht, Mr. Hickling.»

Der Midshipman eilte fort, und Keen sagte leise:»Das war sehr freundlich von Ihnen, Sir. Nicht jeder hatte sich die Muhe gemacht.»

Er sah Bolitho zur Sitzbank zuruckkehren und merkte, da? er bedachtig einen Fu? vor den anderen setzte, als wolle er die Bewegungen des Schiffes ertasten, einer Falle ausweichen.

Bolitho wu?te, da? Keen ihn beobachtete. Aber wie konnte ich meinen Kummer teilen? dachte er. Wie kann ich ihm sagen, da? ich au?er mir vor Sorge bin? Ha?, Rachsucht, Kaltblutigkeit sollten in meinem Leben keine Rolle spielen, und dennoch.

«Ich mache mir die Muhe, weil ich nicht vergessen habe, wie ich mich in seinem Alter fuhlte, Val. Getreten und schikaniert, von keinem geachtet, keiner vertraute mir — ein gutes Wort hatte da einen gewaltigen Unterschied gemacht. «Er schuttelte den Kopf.»Ich hoffe nur, da? ich das nicht vergesse.»

Der Schiffsarzt hatte seine Tasche gepackt und verabschiedete sich. An der Tur schaute er Keen an.»Da der junge Mr. Bolitho im Anmarsch ist, hoffe ich, da? wir in dieser schwierigen Situation bald einen Verbundeten bekommen.»

Bolitho zog die Stirn kraus.»Unverschamtheit!»

Keen schlo? die Tur.»Was er sagt, hat Hand und Fu?.»

In jaher Erkenntnis fuhr Bolitho zusammen. Adam wu?te nichts von seiner Verletzung. Wie wurde er es aufnehmen?

«Ihr Neffe ist stolz auf Sie, Sir«, meinte Keen sanft, als hatte er seine Gedanken gelesen.»Und ich bin es auch.»

Bolitho gab keine Antwort und starrte noch immer achteraus, als Keen sich entfernte.

Oben nickte Keen seinen Offizieren zu und schaute zum klaren Himmel auf. Es war schon, aber kuhl. Er trat an die Querreling und blickte hinab in die Kuhl, den Marktplatz, wie er es nannte. Der Segelmacher und seine Gehilfen waren darin mit ihrem Handwerk beschaftigt, flickten und verstarkten. Bootsmann und Schiffszimmermann berieten uber die Holzvorrate, und starker Teergeruch lag in der Luft.

Doch Keen dachte an das Nachspiel des Gefechts. An die Erleichterung, als er Zenoria wieder in den Armen hielt, an das unglaubliche Gluck, das einer dem anderen bedeutete. Sie hatte das Gesicht an seiner Brust vergraben, als er sie so fest umarmte, da? er durch das Hemd hindurch die Narbe auf ihrem Rucken spurte.

Die letzte, furchterliche Explosion war durch den Laderaum gefahren wie ein Donnerschlag, hatte Ozzard berichtet. Zenoria habe seine und Millies Hand gehalten und mehr Mut bewiesen als sie beide zusammen.

Keen erblickte Allday an den inzwischen wieder eingesetzten Booten. Wutend reckte er den Kopf bis auf eine Handbreit vor das Gesicht des Zweiten Bootsfuhrers. Das sah ubel aus. Wie den Arzt begann auch Keen Bankarts Anwesenheit zu storen.

«An Deck! Schiff Backbord voraus!»

Keen warf Paget einen Blick zu und nickte. Firefly hatte zu keinem gunstigeren Augenblick eintreffen konnen. Der junge Hickling konnte nicht ahnen, wie willkommen seine Meldung gewesen war.

Firefly brachte Nachrichten aus der Heimat, vielleicht einen Brief fur den Admiral. Aus London konnte noch nichts eingetroffen sein, was Zenoria anging. Aber zumindest war die Sache in die Wege geleitet, Krieg hin oder her. Er dachte an sie in seinen Armen, wie selbstverstandlich sich das angefuhlt hatte.

Paget betrachtete ihn und wandte sich zufrieden ab.

Der Kommandant sah glucklich aus. Das mu?te jedem Ersten Offizier nur recht sein.

Bolitho erhob sich, als vertraute Gerausche durchs Skylight drangen. Die Manner waren an die Brassen gerufen worden. Das Flaggschiff bereitete sich zum Beidrehen vor und zum Empfang des Kommandanten der Brigg.

Wie gern hatte er an der Schanzkleidpforte gestanden, wenn Adam an Bord kam. Doch das war Keens Privileg — ein Kommandant begru?te den anderen. Aber er wu?te, da? er nicht nur aus Tradition fernblieb. Er hatte auch Angst vor dem, was sein Neffe denken und sagen mochte, wenn er ihn zu Gesicht bekam.

Allday trat aus der Schlafkabine und hielt ihm den Rock hin. Bolitho war so in Gedanken, da? er Alldays finstere Laune nicht spurte. Vielleicht ein Brief von Belinda…

Er hob den Kopf, als Pagets Stimme ubers Deck schallte.

Das Ruder der Argonaute wurde gelegt, und sie schwang mit laut killendem Tuch in den Wind, schwankte eine Zeitlang heftig, bis die verbliebenen Segel aufgegeit waren.

Einen Augenblick lang hatte er Adams Brigg durch die wassertriefenden Fenster gesehen, ihre Flagge als kleinen Farbfleck im Wind. Er fragte sich, ob Fireflys Eintreffen von einem ungesehenen Fischerboot bemerkt, ob ihr Auftrag bereits einem Spion in Gibraltar oder Verrater in London bekannt geworden war.

Allday musterte ihn stumpf. Er konnte es nicht ertragen, seinen Admiral so hilflos und unsicher zu sehen. Er hatte versucht, ihn mit seinem Korper zu decken, als sie den Franzosen angriffen, weil Bolitho einfach dagestanden hatte, unfahig oder nicht bereit, sich in Deckung zu begeben.

«Schon, Adam wiederzusehen, auch wenn es nur fur kurze Zeit ist«, sagte Bolitho.»Inch sto?t in ein paar Tagen zu uns, und dann machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach Jobert!»

Allday nahm den alten Degen von der Wand. Er ha?te Jobert, weil er Bolitho so zugerichtet hatte.

Pfeifen trillerten, die Seesoldaten prasentierten ihre Musketen. Aber es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Yovell die au?ere Tur offnete. Bolitho kam Adam ein paar Schritte entgegen, bemuht, an einer Stelle zu bleiben, von der aus er an einem Tisch oder Stuhl Halt finden konnte.

Doch es kamen zwei Besucher, nicht nur einer.

Bolitho ergriff Adams Hande und merkte, da? sein Neffe bereits Bescheid wu?te.

«Wie geht's, Onkel?«Adam versuchte nicht, seine Besorgnis zu verbergen.