Sie sah ins Feuer. War es das Ende? Das Ende seines Lebens, das Ende ihrer Liebe? Ein Bote kam und lieferte eine Meldung ab — aus. Plotzlich mu?te sie an Nelson denken und an Emma Hamilton. Die am lautesten seinen Tod beklagten, dachten am wenigsten an die Frau, die Nelson geliebt hatte. Emma Hamilton war schon jetzt vergessen, niemand wu?te, wo sie sich aufhielt.

Sie stand auf.»Ich mochte mich ein bi?chen zuruckziehen, um an Richard zu denken. Das verstehen Sie doch, Val?»

XIII In auswegloser Lage

Bei?endes Licht kroch uber den Morgenhimmel. Bolitho stutzte sich auf die Reling des Achterdecks, sie fuhlte sich vom vielen Salz so rauh an wie Sandstein. Die Truculent bewegte sich auf dem neuen Kurs etwas gleichma?iger.

Die Sonne suchte den Dunst zu durchbrechen, der uber der Kimm stand. Einzelne Wolken trieben am Himmel, so zerfasert wie die Nebelbanke daheim in Cornwall. Aus der Kombuse roch es noch immer nach hei?em Fett. Die Manner, die an Deck arbeiteten, sahen jetzt besser aus nach einem warmen Fruhstuck und einer doppelten Portion Rum. Bolitho stellte sich die Seekarte vor. Die Fregatte segelte mit Sudwestkurs platt vor dem Wind und schien uber die mitlaufenden Seen zu hupfen. Vierzig Meilen entfernt an Steuerbord lagen die dusteren Fjorde Norwegens und jenseits davon die offene See und die Arktis, die ihnen diesen bei?enden Wind schickte. Drei?ig Meilen voraus, so die Schatzung des Masters, lag an Backbord immer noch ein Stuckchen Danemark. Bis dahin reichte das Patrouillengebiet der Zest.

Bolitho schirmte die Augen ab und blickte achteraus. Ihr Verfolger war vom Deck aus nicht mehr zu sehen.

Inskip tauchte an seiner Seite auf, und er erkundigte sich hoflich:»Geht es Ihnen jetzt besser, seit wir die offene See gewonnen haben?»

«Ja, aber das liegt mehr an Ihrem Mann Allday als am Seegang.»

Inskips sonst so blasses Gesicht war kraftig gerotet, und sein Atem roch nach Rum. Er rausperte sich umstandlich.»Das Rezept hat er selbst erfunden, nehme ich an: hei?er Haferschleim mit viel Rum.»

Ein paar Schritte entfernt standen Poland und der Erste ins

Gesprach vertieft. Immer wieder blickten sie zur Mastspitze hoch, und schlie?lich schickte Williams einen Decksoffizier mit einem Teleskop nach oben.

Inskip fragte beunruhigt:»Was hat das zu bedeuten?«Er deutete achteraus.»Der Franzose kann uns doch nicht mehr gefahrlich werden?»

Bolitho rieb sich das Kinn, sah im Geiste wieder die Seekarte vor sich.»Die Korvette folgt uns wie ein Jagdhund. Oder wie ein Aasgeier, der wartet, was auf dem Schlachtfeld fur ihn abfallt.»

Er horte Poland rufen:»Klar bei Gro?segel, Mr. Williams! Diesen Damenwind wollen wir doch nicht verschenken.»

Durch das Schiff ging ein Ruck, als der Wind in die zusatzliche Segelflache fa?te und es noch schneller durch die Seen jagte. Jenour stand am Kompa?. Ob er ahnte, warum Poland mehr Segel gesetzt hatte?

«Sie nehmen an, wir laufen in eine Falle?«Der Rum machte Inskips Fragen direkter.»Wie ware das moglich — und wo ist sie gestellt?»

Leise antwortete Bolitho:»Man hat uns eine ganze Woche in Kopenhagen warten lassen. Warum wohl?»

Inskip dachte nach.»Es war eine schwierige, geheime Mission. Konnte da eine Woche dem Feind nutzen?»

«Erinnern Sie sich: Am 4. November letzten Jahres machte der Schoner Pickle in Falmouth fest und brachte uns die erste Nachricht vom Sieg bei Trafalgar und von Nelsons Tod. «Bolitho lie? sich Zeit mit seiner Erlauterung, es war wichtig, da? Inskip alles begriff.»Von Falmouth nach London reiste der Kommandant mit der Expre?kutsche, und am Morgen des 6. November erreichte er die Admiralitat. Fur diesen langen Weg brauchte er nur zwei Tage. Was glauben Sie, schaffen also franzosische Spione in einer ganzen Woche?»

Er blickte zum Himmel auf. Die Wolken wurden dunner, zwischen ihnen blinkte gelegentlich helles Blau.

«Kurs Sudwest liegt an!«meldete der Ruderganger.

«Sudwest ist gut, Sir Charles, aber wir haben noch vierhundert Meilen vor uns.»

Poland kam auf sie zu.»Ich wurde gern mehr sudlich laufen, Sir Richard. «Er schaute nach vorn in den Schaum, den ihre

Galionsfigur beim Einsetzen aufwarf.»Der Weg ist dann zwar langer, aber.»

«Dann wurden wir niemals auf Leutnant Varian treffen, das wissen Sie doch. Warum also dieser Vorschlag?«Poland hielt sich sonst mit Empfehlungen immer zuruck. Warum jetzt nicht mehr?» Haben Sie Grund, an Leutnant Varian zu zweifeln? Dann ware es Ihre Pflicht, mir das zu melden, Kapitan!»

Poland sah unglucklich drein, aber der Admiral wurde ihn jetzt nicht mehr davonkommen lassen. Also begann er:»Vor ein paar Jahren war ich als Erster Offizier unter Varian in der Karibik. Wir liefen nach Jamaika, auf Anforderung des dortigen Gouverneurs. Auf der Insel tobte ein Sklavenaufstand, und einige Wei?e waren auf ihren Plantagen in hochster Gefahr.»

Bolitho erinnerte sich. Der Aufstand war in der Zeit des unsicheren Friedens von Amiens ausgebrochen, als man glaubte, der Krieg sei endgultig zu Ende und England und Frankreich seien ausgeblutet. Das bot eine Chance fur die Sklaven auf der Insel, allerdings keine fur die Offiziere, denn im Frieden wurden sie kaum befordert. Da kam ihnen ein Aufstand gerade recht — als langersehnte Chance, sich auszuzeichnen.

«Ich habe davon gehort«, sagte Bolitho.»Es gab viele Tote und eine blutige Rache.»

Poland schien ihn nicht gehort zu haben.»Ein Handler hatte gemeldet, ein gro?er Sklavenhaufen belagere eine Plantage. Sie lag zu weit von der Kuste, wir konnten unsere Kanonen nicht einsetzen. Varian befahl mir deshalb, die Sklaven mit einer Gruppe bewaffneter Matrosen auszuloschen. «Er wischte sich den Mund.»Als wir ankamen, trafen wir auf keinen Haufen, sondern auf eine blutrunstige kleine Armee. Alle Wei?en waren zerhackt worden. Und die Frauen«, er schauderte in der Erinnerung,»waren sicher dankbar gewesen, als sie endlich sterben durften.»

«Varian ging ankerauf und lie? Sie im Stich, nicht wahr?»

Poland sah ihn verblufft an.»Aye, Sir Richard. Er nahm an, wir seien genauso zerstuckelt worden wie die armen Leute auf der Plantage. Mit einer Niederlage wollte er auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden. Also segelte er davon, berichtete dem Admiral, er hatte den Kontakt zu uns verloren und uns von See aus nicht mehr helfen konnen. Wenn nicht ortliche wei?e Miliz uns schlie?lich rausgehauen hatte, waren wir wirklich zerstuckelt worden.»

«An Deck! Die Korvette setzt mehr Segel!»

Poland schien den Ruf nicht gehort zu haben. Im selben sachlichen Ton fuhr er fort:»Varian war noch nie in einem richtigen Gefecht. Er hat Schmuggler gejagt und Piraten aufgebracht, mehr nicht. «Dann richtete sich Poland auf, seine alte Formlichkeit schien zuruckzukehren.»Ich hatte den Vorfall damals sofort melden mussen, unterlie? es aber. Varian empfahl mich fur ein eigenes Kommando, ich bekam die Truculent — und schwieg.»

Bolitho druckte sich den Hut tiefer in die Stirn. Selbst wenn nur die Halfte von dem stimmte, was er soeben gehort hatte, war Kommandant Varian mit seiner Zest eine Gefahr fur jeden, der sich auf ihn verlie?. Seine Zest war auch am Kap der Guten Hoffnung nicht auf ihrer Station gewesen. Hatte die Miranda sonst uberlebt? War Varian ein Feigling?

«An Deck! Segel in Luv voraus!»

Poland starrte nach oben und sah dann Bolitho an.»Tut mir leid, Sir Richard, ich habe Leutnant Varian diesmal wohl zu unrecht verdachtigt.»

Furchtete er jetzt etwa die Folgen seines spaten Bekenntnisses?

Inskip meldete sich rauspernd.»In Varian irren Sie sich beide. Der ist bestimmt da, wo wir ihn erwarten, und macht den Franzosen Beine.»

«An Deck! Das Schiff in Luv ist eine franzosische Fregatte, Sir!»

Die Stimme aus dem Ausguck war im ganzen Schiff zu horen. Bolitho bemerkte, wie alle Gesichter sich zu ihm kehrten, nicht zum Kommandanten.