Er umklammerte eine lebensgro?e Holzfigur, eine vergoldete Seejungfrau, die das Ende der Galerie schmuckte. Ihr Gegenstuck auf der anderen Seite war offenbar von einer Kugel gekopft worden.
Vorsichtig schob er sich um die Seejungfrau herum, wobei er sich uberdeutlich ihres starren Blicks, des goldenen Busens unter seiner Hand bewu?t war. Urplotzlich stieg hysterisches Gelachter in ihm auf wie vorhin in Hallowes. Der blanke Irrwitz seines Vorhabens wollte ihm selbst nicht mehr in den Kopf.
Sein Blick fiel auf das Gesicht der Seejungfrau, und unwillkurlich mu?te er an Robina denken. Ein eitler Traum. Er hatte das damals gleich begreifen sollen.
Hinter ihm schrie Hallowes:»Mach Platz, Junge, fur einen Offizier des Konigs!»
Beide lachten wie die Irren, dann schwang sich Adam uber das Gelander auf die Galerie. Seine Fu?e rutschten auf zersplittertem Glas, aber dann zertrat er ein Fenster und hechtete in die gro?e Achterkajute. Wie Achates war auch dieses Schiff furs Gefecht vollig ausgeweidet worden. Bis auf einige Tote und stohnende Verwundete war die Kajute leer, nur aus den Stuckpforten beugten sich einige Gestalten, die mit Achates' Leuten auf dem unteren Batteriedeck die Klingen kreuzten.
Ein am Arm verwundeter franzosischer Unteroffizier sah die beiden Englander aus dem Rauch auftauchen und offnete den Mund zu einem warnenden Schrei.
Hallowes spaltete sein Gesicht mit einem Sabelhieb und rannte weiter, auf die gewaltige Saule des Gro?mastes zu. Das Holz fuhlte sich ganz glatt an, spurte Adam, der sich um Luft ringend dagegenlehnte; es zitterte unter der Last der Stengen, Rahen und Segel wie etwas Lebendiges.
Ohne auch nur einen Augenblick zu zogern, buckte sich Crocker und laschte Pulversackchen um den Mastfu?, bis er aussah wie mit einem Kollier geschmuckt.
Gestalten schwankten durch den Rauch; wie eine Stahlfaust schlug eine Kugel in die Brust eines britischen Seemanns. Er fiel, ohne einen Laut von sich zu geben.
Crockers gesundes Auge blickte sich suchend um.»Ein Streichholz, Kumpel!»
Damit entzundete er die kurze Lunte und wich zuruck.
Hallowes hob die Pistole und feuerte auf die Gruppe schattenhafter Gestalten, die ihm am nachsten war.»Wir halten sie in Schach! Sonst schneiden die Strolche noch die Lunte durch!»
Adam sturzte vor, um mit einem franzosischen Offizier die Klinge zu kreuzen. Er fuhlte seinen Atem im Gesicht, als sie gegen eine Kanone taumelten, merkte, da? der Ha? seines Gegners sich in Entsetzen verwandelte, als er ihn mit dem Handschutz von sich abstie?, ausholte und die Schneide in seine Schulter hieb.
Hallowes machte einen Satz nach vorn, warf einem Franzosen seine leergeschossene Pistole ins Gesicht und hackte ihn, als er taumelte, mit zwei schnellen Streichen gegen Arm und Hals zu Boden.
Aber immer mehr Franzosen kamen uber den Niedergang nach unten geklettert; ihre wei?en Hosen leuchteten grell durch den Rauch und hoben sich klar vom dunklen Holzpaneel ab. Einer von Hallowes Matrosen stach mit einer Pike durch die Leiter und lie? einen der Herabkletternden schreiend uber seine Kameraden purzeln, doch eine Pistolenkugel fallte ihn, ehe er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
Angestrengt spahte Adam durch den bei?enden Rauch, konnte aber keinen Kameraden entdecken. Crocker war wahrscheinlich nach achtern gerannt, ehe seine Sprengladung explodieren konnte, und von Hallowes war nichts zu sehen.
Zwei Franzosen lauerten hinter einer aufgegebenen Kanone. Einer hob seine Pistole, aber Adam schlug den Lauf nach oben, so da? die Kugel in die Deckenbalken fuhr. Der zweite warf sich meterweit durch die Luft und krachte mit seinem ganzen Gewicht gegen Adams Rucken. Der Gelenkriemen seines Sabels zerri?, und er horte die Waffe klappernd davonschlittern.
Der Franzose war ein Riese und besa? gewaltige Krafte. Wie Stahlklauen hielten seine teerbeschmutzten Finger Adams Handgelenke umklammert, wahrend er ihn wie einen Gekreuzigten gegen den Boden pre?te.
Adam schrie auf vor Schmerz, als das Knie des Riesen ihn voll in den Unterleib traf. Er versuchte, die Qual zu beherrschen, aber dann stie? das Knie ein zweitesmal zu, und vor Adams Augen explodierten wei?gluhende Blitze.
Plotzlich tauchte ein schmachtiger Schatten uber den Schultern des Riesen auf, und der Schmerz lie? nach. Der Riese rollte seitlich von Adam herunter.
Midshipman Evans starrte ihn fassungslos an. Dann, als Adam muhsam auf die Fu?e kam, lie? er den Sabel sinken, mit dem er den riesigen Franzosen niedergestreckt hatte, und sagte drangend:»Hier entlang, Sir. Ich habe…»
Der Rest des Satzes wurde von einem gewaltigen Krachen ubertont.
Gekrummt stand Adam da, denn der Schmerz wuhlte immer noch wie ein hei?es Eisen in seinen Lenden. Staub und Rauch machten ihn blind, und sein Gehor hatte er schon lange verloren. So tastete er nur nach Evans' Schulter und lie? sich durch den Qualm fuhren, ohne recht zu begreifen, was um ihn vorging.
Evans zupfte an seinem zerrissenen Uniformrock und protestierte, als Adam das Gleichgewicht verlor und kopfuber zwischen zwei Kanonen fiel. Trotz seiner Benommenheit begriff er, da? er hier Sonnenschein sah, wo keiner sein sollte.
Dann kroch Evans neben ihn, und beide stellten fest, da? eine gro?e, gesplitterte Spiere beide Decks, das zu ihren Fu?en und das uber ihren Kopfen, durchschlagen hatte: einen Meter von der Stelle entfernt, wo sie eben noch gestanden hatten.
Die dumpfe Lautlosigkeit machte alles nur noch schlimmer. Adam sah, da? Hallowes durch den Staub stolperte und kurz stehenblieb, um an dem scheinbar endlosen Mast entlang nach oben zu starren, der mit dem ganzen Gewirr seines Riggs wie ein Rammbock durch das Deck gebrochen war.
Dann fiel Hallowes' Blick auf die beiden Kameraden; sein Gesicht verzerrte sich in einem irren Grinsen, und er brullte etwas Unverstandliches, wahrend er mit dem Sabel auf Crockers Werk deutete.
Adam zog sich hoch und stutzte sich wieder auf Evans' Schulter. Langsam kehrte sein Gehor zuruck, und er merkte, da? der infernalische Larm wenn moglich noch lauter geworden war.
Hallowes brullte immer noch.»Das wird sie ganz schon ins Grubeln bringen«, schlo? er. Offenbar hatte er mit dem Leben abgeschlossen und alle Angst verloren.
Evans schob Adam den Sabel des Funften Offiziers in die Hand, und dann starrten sie einander an, so verwirrt wie zwei Fremde, die sich zufallig begegnet waren.
Doch mit Adams Horvermogen war auch sein Gedachtnis zuruckgekehrt und drangte ihn nun zu handeln.
«Also los, bringen wir es hinter uns!«horte er sich selbst sagen. Der scharfe Ton seiner Worte erinnerte ihn an seinen Onkel, und das wiederum brachte ihn auf eine Idee.
«Ich kann sie nicht mehr aufhalten!«schrie Tyrrell gellend.
Er hieb seinen Belegnagel in den Schadel eines Franzosen, der sich uber die zerfetzten Hangemattsnetze rollen wollte, und holte mit seinem Entermesser nach einem anderen aus.
Bolitho vergeudete keine Zeit mit Antworten; Feuer wuhlte in seinen Lungen, und sein Schwertarm schien ihm so schwer wie Blei, als er abermals einen Enterer durchbohrte und uber die Besanrusten au?enbords fallen sah.
Es war hoffnungslos. War von Anfang an hoffnungslos gewesen. Das ganze obere Batteriedeck schien von Feinden zu wimmeln, wahrend sich die Besatzung von Achates auf Achterdeck und Hutte zusammendrangte und verzweifelten Widerstand leistete.
Bolitho sah, da? Allday sein Entermesser hob, weil ein Franzose zwischen den Streben der Querreling aufs Achterdeck kletterte; das
Entsetzen in seinem Gesicht wich triumphierender Schadenfreude, als der Mann begriff, da? der englische Bootsfuhrer sich aus unerfindlichen Grunden nicht bewegen konnte.
Bolitho sprang uber den Korper eines verwundeten Seesoldaten und stach mit dem Sabel blindlings durch die Reling. Er fuhlte die Spitze der Klinge vom Schulterblatt des Franzosen tiefer in seinen Korper gleiten und ri? sie zuruck, als der Mann schreiend nach unten au?er Sicht fiel.