Als die Boote der Undine kamen, war fast alles vorbei. Ein paar Manner schwammen verzweifelt zu ihrem gekenterten Schiff zuruck, aber als die Fregatte vom Riff glitt und sank, gerieten sie in den Sog und wurden mit hinabgezogen. Andere hatten sich an treibende Spieren und gekenterte Boote geklammert, wurden aber einer nach dem anderen von den silbergrauen Haien angefallen und unter Entsetzensschreien in das brodelnde, blutigrote Wasser gezogen.

Und nun sa? Puigserver in Bolithos Kapitanskajute und nippte beinahe gelassen an einem Becher Wein. Er war nackt bis zum Gurtel, so da? Bolitho einige von den blutunterlaufenen Prellungen sah, lauter Zeugnisse seines unbeugsamen Willens zum Uberleben.»Ich bin dem Schicksal dankbar, da? Sie sich wieder erholt haben, Senor«, sagte Bolitho. Der Spanier setzte zu einem Lacheln an, aber das bereitete ihm offenbar Schmerzen. Er winkte den Arzt und einen Sanitatsgasten heran und fragte:»Wie viele von meinen Leuten leben noch?»

Bolitho starrte uber seinen Kopf hinweg auf die Kimmung: ein kupferfarbener Streifen, der vor seinen Augen bereits verbla?te.

Der Arzt hob die Schultern.»Drei?ig. Viele waren sehr schwer verletzt.»

Puigserver trank einen Schluck.»Es war furchtbar anzusehen. «Seine dunklen Augen wurden hart. »Capitan Triarte war so wutend uber den Beschu?, da? er wie ein Besessener hinter der Brigantine hersegelte. Er war zu hei?blutig. Anders als Sie.»

Bolitho lachelte nachdenklich.»Anders als Sie. «Aber wenn er keinen Segelmeister wie Mudge gehabt hatte? Keinen befahrenen Mann, der dank seiner reichen Erfahrung die Drohung dieses Riffes in den Knochen spurte? Dann hatte die Undine vermutlich das Schicksal des Spaniers geteilt. Obwohl sich kein Luftzug in der Kajute regte, lief es ihm kalt den Rucken hinunter.

Irgendwo hinter dem Schott schrie ein Mensch: ein dunner, langgezogener Laut, der plotzlich abri?, als sei eine Tur zugeschlagen worden. Whitmarsh wischte sich die Hande an der Schurze ab und richtete sich auf; er mu?te den Kopf einziehen, um nicht an die Decksbalken zu sto?en. Dann sagte er:»Don Puigserver wird in nachster Zeit Ruhe haben; ich mu? mich um meine anderen Patienten kummern. «Er schwitzte furchtbar, und an seinem linken Mundwinkel zuckte standig ein Muskel.

Bolitho nickte.»Ja, danke. Und lassen Sie es mich bitte wissen, wenn Sie irgend etwas brauchen.»

Vorsichtig betastete der Arzt die Verbande des Spaniers.»Gottes Hilfe vielleicht. «Er lachelte melancholisch.»Hier drau?en haben wir wenig anderes.»

Als er und der Sanitatsgast gegangen waren, murmelte Puigserver:»Ein Mann mit eigenen Problemen, Capitan.«Schmerzlich verzog er das Gesicht dabei.»Aber immerhin ein sanfter Mann, trotz seines Berufs.»

Allday war dabei, ein Handtuch zusammenzufalten und ein paar unbenutzte Binden aufzurollen.»Mr. Raymond wollte Sie sprechen, Captain«, sagte er stirnrunzelnd.»Aber ich habe ihm erklart, da? laut Ihrem Befehl die Kajute gesperrt ist, bis der Arzt mit Don Puig — «, er hustelte,»- mit dem spanischen Gentleman fertig ist.»

«Was wollte er?«Bolitho war so erschopft, da? ihm ganz gleichgultig war, was Raymond wollte. Er hatte wenig von ihm gesehen, seit die Uberlebenden aufgenommen worden waren, hatte nur gehort, da? er in die Offiziersmesse gegangen sei.

«Er wollte sich beschweren, Captain«, erwiderte Allday.»Seiner Frau hat es nicht gepa?t, da? Sie sie aufgefordert haben, bei den Verwundeten zu helfen. «Wieder runzelte er die Stirn.»Ich sagte ihm, Sie hatten Wichtigeres zu tun. «Damit nahm er seine Sachen und ging hinaus.

Puigserver lehnte sich zuruck und schlo? die Augen. Da sie jetzt allein waren, schien es ihm nichts mehr auszumachen, da? Bolitho sah, welche Schmerzen er wirklich litt.

«Ihr Allday ist ein bemerkenswerter Bursche«, meinte er.»Mit ein paar hundert Mannern von seiner Sorte konnte ich mir vorstellen, in Sudamerika wieder einen Krieg anzufangen.»

Bolitho seufzte.»Er macht sich zu viele Sorgen.»

Puigserver offnete die Augen wieder und entgegnete lachelnd:»Anscheinend denkt er, Sie sind es wert, da? man sich um Sie Sorgen macht, Capitan.«Er lehnte sich vor und fuhr mit plotzlichem Nachdruck fort:»Aber ehe Raymond und die anderen hereinkommen, mu? ich mit Ihnen sprechen. Ich will Ihre Meinung uber den Schiffbruch horen.»

Bolitho ging zum Schott hinuber und beruhrte seinen Degen, der dort hing.»Ich habe die ganze Zeit daruber nachgedacht, Senor«, sagte er.»Zuerst glaubte ich, die Brigantine sei ein Piratenschiff, dessen Kapitan so unter Druck stehe, da? er ein Gefecht brauchte, um seine Mannschaft zusammenzuhalten. Aber das kann nicht stimmen. Irgend jemand wei? von unserem Vorhaben.»

Der Spanier wandte kein Auge von ihm.»Die Franzosen vielleicht?»

«Kann sein. Wenn die franzosische Regierung unsere Schiffsbewegungen so genau verfolgt, dann mussen ihr die Depeschen der Fortunate unbeschadigt in die Hande gefallen sein. Es mu? schon um etwas au?erst Wichtiges gehen, wenn sie sich auf ein so gefahrliches Spiel einlassen.»

Puigserver griff nach der Weinflasche.»Ein Spiel, das sie gewonnen haben.»

«Dann sind Sie also derselben Meinung, Senor«. Bolitho beobachtete den Mann genau; jetzt, nachdem es dunkler geworden war, kam er ihm bleicher vor.

Puigserver gab keine direkte Antwort.»Falls — und ich sage ausdrucklich falls — jemand dies geplant hatte, dann mu? dieser Jemand auch gewu?t haben, da? es sich um zwei Schiffe handelte. «Er hielt einen Moment inne und befahl dann scharf:»Sagen Sie etwas, Capitan — schnell!»

Bolitho erwiderte:»Das wurde keinen Unterschied machen. Dem Betreffenden ware klar, da? es sich um eine gemeinsame Mission handelt. Ein Schiff kann ohne das andere nichts ausrichten, und… »

Puigserver klopfte sich mit dem Becher auf die Hufte; der Wein schwappte uber und befleckte seine Hose wie Blut.

Erregt rief er aus:»Und? Weiter, Capitan! Was nun?»

Bolitho blickte zur Seite; er sagte nachdenklich:»Ich mu? entweder nach Teneriffa oder nach England zuruckkehren und weitere Befehle abwarten. «Er wandte sich wieder dem Spanier zu. Der sa? zusammengesunken da; sein kantiges Gesicht war aufs Au?erste gespannt, die Brust hob und senkte sich wie nach schwerem Kampf. Mit dumpfer Stimme erwiderte er:»Schon in Santa Cruz wu?te ich sofort, Sie sind ein Mann, der nicht nur redet, sondern auch denkt. «Er schuttelte abwehrend den Kopf.»Lassen Sie mich zu Ende sprechen. Dieser Kapitan der Brigantine und sein Hintermann — wer es auch immer sein mag, der meine Landsleute in einen so schrecklichen Tod gejagt hat — , die wollen, da? Sie umkehren!»

Fasziniert von der Kuhnheit seines Denkens blickte Bolitho ihn an und wandte dann den Kopf ab.»Wenn Sie nicht hier sa?en, Senor, dann hatte ich auch keine andere Wahl.»

«Sehr richtig, Capitan.«Puigserver sah Bolitho uber den Becherrand hinweg prufend an; im Licht der Deckenlampe glanzten seine Augen wie brauner Bernstein.

Bolitho fuhr fort:»Bis ich wieder in England bin, bis man dort neue Plane macht und sich uber sie geeinigt hat, konnten in Ostindien oder anderswo Dinge geschehen, die wir nicht mehr beeinflussen konnen.»

«Geben Sie mir die Hand, Capitan!«Puigserver beugte sich vor, sein Atem ging scharfer.»In ein paar Minuten werde ich schlafen. Es war ein scheu?licher Tag fur uns, aber fur viele andere noch weit schlimmer.»

Bolitho nahm die ausgestreckte Hand; Puigservers offenbare Aufrichtigkeit beeindruckte ihn machtig.

«Wieviel Mann sind auf diesem Schiff?«fragte der Spanier.

Bolitho dachte an das Gesindel, das in Spithead an Bord gekommen war: zerlumptes Volk aus den Gefangnishulken, fluchtige Verbrecher aus London; der Geschutzfuhrer mit nur einer Hand. Alle diese Manner.»Es la?t sich etwas aus ihnen machen, Senor«, antwortete er.»Alles in allem zweihundert, einschlie?lich der Marineinfanterie. «Er lachelte, um die Spannung etwas aufzulockern.»Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich auch Ihre Uberlebenden anmustern, ja?»