Bolitho bi? sich auf die Lippen und blinzelte in der glei?enden Sonne. Das mu?te ein schwieriges Zielen werden, so gegen das blendende Licht.
Als er wieder zum Geschutzdeck hinubersah, lagen die Toten nicht mehr da. Eben kam Herrick zu ihm nach achtern und meldete:»Alles vorbei. «Nach einem Blick auf Bolithos nachdenkliches Gesicht fragte er:»Ist etwas nicht in Ordnung,
Sir?»
«Ich glaube, ich fange an, Le Chaumareys zu verstehen«, antwortete Bolitho. Wieder spurte er das Herzklopfen, den altbekannten Schauer uber Nacken und Ruckgrat.»Ich denke, er will uns den Windvorteil lassen.»
«Aber, Sir…«Herricks blaue Augen glitten zur Argus hinuber und wieder zuruck.»Vielleicht legt er mehr Wert darauf, da? wir die Sonne gegen uns haben?«Langsam hellte sich sein gro?es rundes Gesicht auf, er schien zu begreifen.»Konnte schon sein. So kann er auf Distanz bleiben und seine weitreichenderen Geschutze wirkungsvoll einsetzen.»
Mit blitzenden Augen fuhr Bolitho herum.»Aber daraus wird nichts, Mr. Herrick! Sofort die Royals setzen! Tut mir leid, Mr. Mudge, aber wenn Ihr verdammter Wind uns auch die Rahen bricht, so ist das immer noch besser, als sie auf andere Weise zu verlieren.»
Herrick hatte schon das Sprachrohr zur Hand.»Toppgasten aufentern! Royals setzen!«Jetzt war ihm kaum noch anzusehen, was er vor kurzem durchgemacht hatte.»Bei Gott, Sir, auch wenn wir nicht so schwer sind, so sind wir doch wendiger, und das werden wir diesem Hund heute zeigen!»
Bolitho grinste ihn an, obwohl seine Lippen dabei schmerzten.»Ruder zwei Strich Steuerbord. Wir laufen ihm vor den Bug!»
Allday verschrankte die Arme und starrte Bolithos Rucken an, dann blickte er zur Flagge hoch, die im auffrischenden Wind knatterte.»Und dann ist Schlu? mit dem Laufen, wetten?«murmelte er.
«Ostnordost liegt an, Sir!«Carwithens Hand ruhte auf den polierten Speichen, wahrend der andere Ruderganger sich auf den Kompa? und den Stand der Segel konzentrierte.
Mudge wischte sich die Hande am Mantel ab.»Sie halt sich gut, Sir!»
Bolitho lie? das Fernrohr sinken und nickte nachdenklich. Die zusatzliche Kraft der Royals brachte die Undine quer vor den Kurs des Gegners. Er verzog das Gesicht, weil ihm die Sonne direkt ins Glas schien. Le Chaumareys war immer noch in der besseren Position. Er konnte nach Lee abfallen und ihnen seine Breitseite prasentieren, wenn die Undine vor ihm passieren wollte. Ebensogut konnte er sie seinen Kurs kreuzen lassen und sie, wahrend sie beim Halsen Zeit verlor, in Luv abdecken und sie dann, Gegenlicht oder nicht, von der anderen Seite her beschie?en.
Herrick sagte heiser:»Sie halt immer noch Kurs. Vielleicht ist sie einen Strich abgefallen, aber das bedeutet nichts. «Er atmete langsam aus.»Prachtig sieht sie aus — hol' sie der Teufel!»
Bolitho lachelte gezwungen. Die Umrisse der Argus hatten sich kaum verandert, aber nur, weil die Undine nach Steuerbord angeluvt hatte. Der Abstand war jetzt viel geringer, knappe zwei Meilen, so da? die rot-gelbe Gallionsfigur deutlich zu erkennen war und auch die auf dem Achterdeck arbeitende Mannschaft.
Ein Krachen, und Sekunden spater stieg eine dunne Fontane trage aus den Wellenkammen empor, nicht ganz auf dem Kurs der Undine und eine halbe Kabellange zu kurz. Zum Einschie?en — oder auch nur, um die Geschutzbedienungen der Undine nervos zu machen: einer von Le Chaumareys' kleinen Tricks.
Herrick murmelte verbissen:»Wie ich diesen Froschfresser kenne, wird er versuchen, uns mit Kettenkugeln und
Schrapnells zu entmasten. Damit er noch eine Prise fur seinen verfluchten Bundesgenossen hat!»
«Diesen Franzosen kennen Sie nicht, Mr. Herrick. «Bolitho erinnerte sich an Le Chaumareys' Gesicht, als er von» zu Hause «sprach, von seinem Frankreich, das er so lange hatte entbehren mussen.»Ich schatze, er ist auf einen totalen Sieg aus.»
Bei diesem Wort war ihm gar nicht wohl. Er assoziierte es mit einer sterbenden Undine, die zwischen ihren eigenen Toten trieb und dann fur alle Ewigkeit in die Tiefe ging. Wie die Fregatte, die er selbst versenkt hatte: Wie die Nervion und so viele andere Schiffe, die vor seinen Augen vernichtet worden waren.
Die Szenerie war perfekt: zwei Schiffe, die einander mit allen Mitteln zu uberlisten versuchten — und nicht einmal eine Mowe, die ihren verzwickten Manovern zusah.
«Da, Sir! Sie setzt ebenfalls die Royals!«Carwithens Stimme ri? ihn aus seinen Gedanken.
«Jetzt will er uns doch noch abfangen!«rief Herrick aus.
Bolitho beobachtete, wie sich die Segel an den Reuelrahen der Argus entfalteten und den Wind aufnahmen. Er konnte auch sofort die Wirkung erkennen: Der uberhangende Steven bohrte sich tiefer in die Wogen, sie machte deutlich starkere Fahrt. Von seinem Standort sah es tatsachlich so aus, als beruhre der Bugspriet der Argus seinen eigenen, obwohl sie noch mehr als eine Meile entfernt war. Rauch krauselte sich hoch, und er hielt den Atem an, als die hellen Feuerzungen aus den offenen Stuckpforten stachen.
Die See kochte und scho? himmelhoch, als die schweren Kugeln in die Wellen schlugen oder als Aufpraller weiter entfernt davon-schossen. Eine Kugel ging dicht am Rumpf nieder, und die Druckwelle lie? selbst die hochsten Spitzen der Masten erzittern.
«Die wollen uns den Schneid abkaufen!»
Herrick grinste zwar bei diesen Worten, aber Bolitho sah die Angst hinter seinen Augen lauern. Ihm war Le Chaumareys nicht wie ein Mann bombastischer Gesten vorgekommen. Er lie? seine Geschutzfuhrer sich einschie?en, demonstrierte ihnen die Schu?weite; vielleicht erlauterte er eben jetzt mit seiner drohnenden Stimme, was er von ihnen erwartete.
«Bei Gott, dieser Teufel kurzt schon wieder Segel!«Bolitho sah die Royals der Argus langs der Rahen verschwinden und beugte sich vor.
«Backbordbatterie — klar zum Feuern!»
Vielleicht hatte er Le Chaumareys' einzige Schwache herausgefunden: da? er nicht nur siegen, sondern dabei auch am Leben bleiben wollte. Denn diese beiden Dinge trafen nicht immer zusammen, das wu?te Bolitho recht gut.
«Ruder drei Strich Backbord!»
Er horte die scharrenden Fu?e, die uberraschten Rufe, als sein Befehl an die Matrosen weitergegeben wurde.
«Also, Sir«, meinte Mudge zweifelnd,»ob sich das nicht racht… »
Aber Bolitho schien ihn nicht zu horen. Er wartete die Vollzugsmeldung ab und blickte dann zum Bugspriet, der erst langsam, dann schneller nach Backbord auswanderte und die gegnerische Fregatte in einem Netzwerk aus Stagen und Wanten einfing.
«Recht so!»
Er wartete ungeduldig, wahrend Herrick abgehackte Kommandos durch die Sprechtrompete schrie und die Manner an den Brassen fieberhaft arbeiteten, um die Rahen zu trimmen.
«Nordost zu Nord liegt an, Sir«, meldete der Ruderganger atemlos.
Mit einem kraftigen, achterlichen Wind fegte die Undine direkt auf das gegnerische Schiff zu, als wolle sie es mitten entzweischneiden. Wieder blitzte es bei dem Franzosen auf; Bolitho pre?te die Fauste zusammen, als das Eisen uber sein Schiff heulte, das Rigg zerfetzte, Segel durchlocherte und zu beiden Seiten Gischt hochjagte.
«Nun werden wir sehen. «Bolitho beugte sich vor, packte die Reling fester und spurte den schmerzhaften Sonnenglast in den Augen. Wieder lief ein Stakkato von Blitzen uber die ganze Lange der Argus, das Krachen der Breitseite rollte uber das Wasser wie der Wirbel einer gigantischen Trommel. Heftig schuttelte sich der Rumpf der Undine, und unterhalb des Achterdecks wechselten die Matrosen verzweifelte Blicke.
Immer noch hielt die Argus Kurs und wurde mit jeder Minute gro?er. Noch mehr Detonationen, und ein wutender Ruck unter seinen Fu?en verriet Bolitho, da? sein Schiff wieder einen Treffer abbekommen hatte. Aber jetzt wurden die Breitseiten der Argus luckenhafter, und immer weniger Kugeln kamen ihrem Ziel nahe.