Die gro?en Machte hatten sich entschieden, und Spanien und Holland zogen zusammen gegen England, um die amerikanische Revolution zu unterstutzen. Die Franzosen hatten eine gut zusammengestellte, machtige Flotte in den West Indies gemustert. Sie stand unter dem Oberbefehl des Compte de Grasse, des fahigsten und talentiertesten verfugbaren Admirals. Admiral Rodney kommandierte die englischen Geschwader, da aber der Druck von allen Seiten taglich gro?er wurde, war es fur ihn sehr schwierig, seine Schiffe dorthin zu schicken, wo sie am dringendsten benotigt wurden.
Und die Amerikaner gaben sich nicht damit zufrieden, ihre Angelegenheiten den Verbundeten zu uberlassen. Sie verwendeten weiterhin Freibeuter, sooft es moglich war, und ein Jahr nach der Zerstorung der Bonaventure tauchte ein anderer Angreifer auf, um die Moral der Briten bis ins Innerste schwer zu erschuttern.
Der Freibeuter und fruhere Sklavenhandler Paul Jones besiegte mit seinem Schiff Bonhomme Richard die Fregatte Seraphis vor der englischen Kuste. Es machte keinen Unterschied, da? der Freibeuter, ebenso wie die Seraphis, aus der hitzig gefuhrten Schlacht nur als zerschossenes Wrack hervorging. Von den englischen Kapitanen wurde erwartet, da? sie Risiken eingingen und gewannen, und eine Niederlage so nahe der Heimat trug mehr dazu bei, als es die Amerikaner fur moglich gehalten hatten, den Krieg und seine Hintergrunde in die Heimstatten der Englander und auch in ihre eigenen zu tragen.
In den West Indies und entlang der amerikanischen Kuste gewannen die Patrouillenfahrten eine neue Bedeutung. Bolitho hatte es immer fur weit besser gehalten, da? die Augen der Flotte nicht unmittelbar auf ihm ruhten. Getreu dieser Ansicht hatte der Admiral ihm fast vollige Unabhangigkeit angeboten. Er konnte nach eigenem Ermessen patrouillieren und den Feind nach seiner eigenen Methode suchen, selbstverstandlich unter der Voraussetzung, da? seine Bemuhungen von Erfolg gekront waren.
Bolitho lehnte sich in seinem Stuhl zuruck und starrte an die Kajutdecke. Wieder ging ihm das Wort Gluck durch den Kopf.
Maulby hatte uber diese Erklarung gespottet. Er hatte einmal gesagt:»Du bist erfolgreich, weil du dich dazu erzogen hast, wie der Feind zu denken. Verdammt, Dick, ich habe einen mit Konterbande vollgeladenen Lugger aufgebracht, der vom Suden aus Trinidad kam, und sogar dieser elende Kerl hatte von dir und der Sparrow gehort!»
Bolitho gab zu, da? ganz gewi? eines stimmte: sie waren erfolgreich gewesen. Allein in den vergangenen achtzehn Monaten hatten sie zwolf Prisen aufgebracht und zwei kleine Freibeuter versenkt, mit einem Verlust von zwanzig Toten und Verletzten und geringem Schaden am Schiff.
Er lie? seine Augen durch die Kajute schweifen, die jetzt weniger elegant gestrichen war, fast sogar schabig nach dem Dienst in so vielen Wettern. Es war eine seltsame Feststellung, da? abgesehen von der unerwarteten Beforderung, die durch den Uniformrock mit den wei?en Aufschlagen und goldenen Besatzen symbolisiert wurde, au?erlich fast nichts darauf hindeutete. Und doch war er ein reicher Mann und zum erstenmal in seinem Leben unabhangig von seinem Zuhause und dem Besitz in Falmouth. Er lachelte traurig. Fast mu?te man sich schamen, verhaltnisma?ig reich zu werden, nur weil man tat, was einem Spa? machte.
Er runzelte die Stirn und versuchte sich auszudenken, was er sich kaufen wurde, wenn sie die Erlaubnis bekommen sollten, einen Hafen anzulaufen. Und dies war langst fallig.
Trotz ihres mit Kupferblech beschlagenen Rumpfes war die Geschwindigkeit der Sparrow bei sonst einwandfreien Segelbedingungen um einen vollen Knoten herabgesetzt durch Bewuchs auf dem Unterwasserschiff, der dem Kupfer und allen Bemuhungen trotzte.
Vielleicht wurde er etwas Wein kaufen. Wirklich guten Wein, nicht das saure Zeug, das normalerweise als die einzige Alternative zu fauligem Trinkwasser verwendet wurde. Ein Dutzend Hemden oder mehr. Er spielte mit dem Gedanken eines solchen Luxus. Augenblicklich besa? er nur zwei Hemden, die naherer Betrachtung standhalten konnten.
Vielleicht war es auch moglich, irgendwo einen guten Degen zu finden. Nicht wie jenen, der an Bord des Freibeuters zerbrach, auch keinen kurzen Sabel, wie er ihn seitdem benutzte, sondern etwas Besseres, Dauerhaftes.
Er horte leise Tritte hinter der Tur und wu?te, da? es Tyrell war. Er hatte es auch zu jeder anderen Zeit gewu?t, bei einer anderen Wache. Denn seit seiner Verwundung hinkte Tyrell und mu?te einige Schmerzen ertragen.
In anderer Beziehung hatte sich der Erste Leutnant nicht sehr verandert. Vielleicht hatten auch die vergangenen drei Jahre sie einander so nahegebracht, da? er es nicht bemerkte. Anders Graves, der sich immer mehr zuruckzuziehen schien und nach jedem Gefecht oder Scharmutzel merklich nervoser wurde.
Auf Grund seiner Beforderung zum Kapitan stand Bolitho ein weiterer Leutnant zu, und diese Stellung wurde gerade an dem Tag frei, an dem die beiden Fahnriche das Schiff verlie?en, um sich der Prufungskommission zu stellen. Heyward hatte mit fliegenden Fahnen bestanden, und ruckschauend war es geradezu schwierig, sich ihn noch als Fahnrich vorzustellen.
Bethune hatte seine Prufung nicht bestanden, und zwar nicht nur einmal, sondern gleich dreimal. Bolitho hatte sich schon wiederholt gefragt, wie er ihn loswerden konnte.
Er hatte Bethune sehr ins Herz geschlossen, wu?te aber, da? er gegen dessen verbleibende, wenn auch schwindende Chancen handelte, indem er ihn auf der Sparrow zuruckhielt. Seine Navigationskenntnisse waren hoffnungslos, und seine Anstrengungen, das Achterdeck zu ubernehmen und die Leute beim Segelsetzen zu leiten, waren traurig anzusehen. Als Offizier der Seesoldaten oder sogar als Infanterist ware er ganz annehmbar gewesen. Er konnte Befehlen gehorchen, wenn es ihm auch schwerfiel, diese zu formulieren. Im Geschutzfeuer hatte er sehr viel Mut gezeigt und einen jugendlichen Stoizismus, an den nicht einmal die erfahrenen Seeleute so leicht herankamen. Jetzt, im Alter von zwanzig Jahren und ohne Hoffnung, die Prufung zu bestehen, was er sich sehnlichst wunschte, fuhlte er sich als funftes Rad am Wagen. Heyward hatte versucht, ihm zu helfen, sogar mehr, als Bolitho gedacht hatte. Aber es nutzte nichts. Die Schiffsmannschaft akzeptierte Bethune mit einer Gutmutigkeit, die sie auch einem Kind entgegengebracht hatte. Sein Los wurde nicht erleichtert durch die Ernennung eines neuen Fahnrichs, der Heywards Platz einnahm.
Roger Augustus Fowler, sechzehn Jahre alt und mit den schmollenden Gesichtszugen eines verargerten Ferkels, hatte es bald verstanden, eher zu Bethunes Elend beizutragen als dieses zu erleichtern.
Fowlers Ankunft aus England hatte die Kluft zwischen Bolitho und Colquhoun noch vertieft. Der Junge war der Sohn des besten Freundes des Admirals, und daher war seine Uberstellung auf dieses oder ein anderes Schiff fast ein koniglicher Befehl. Der Nachkomme einer einflu?reichen Personlichkeit konnte fur einen jungen und vielbeschaftigten Kapitan ein Hindernis sein, andererseits konnte er ihm aber auch Turen offnen, die ihm auf dem Dienstwege verschlossen geblieben waren.
Colquhoun hatte offenbar bei der Ankunft des Jungen seine Chancen fur letzteres gesehen und war au?erordentlich wutend, als er erfuhr, da? der Admiral die Sparrow seiner Fregatte Bacchante vorgezogen hatte. Fowler war seit acht Monaten an Bord und nicht beliebt. Es war etwas Undefinierbares. In Gegenwart seiner Vorgesetzten war er gehorsam und aufmerksam, konnte jedoch scharf und sarkastisch sein gegenuber Seeleuten, die mehr als doppelt so alt waren wie er. Er hatte eine bestimmte Art, sein Gesicht zu verschlie?en, wobei seine blassen Augen und vorstehenden Lippen wie eine Maske wirkten. Wenn er jemals einen Kommandorang erreichte, wurde er ein tyrannischer Vorgesetzter werden.
Es klopfte, und Bolitho drangte seine Uberlegungen in den Hintergrund.