Hermine ging hinaus.
Professor McGonagall wandte sich Ron und Harry zu.
»Nun, ich wurde immer noch sagen, da? Sie Gluck gehabt haben, aber nicht viele Erstkla?ler hatten es mit einem ausgewachsenen – Bergtroll aufnehmen konnen. Sie beide gewinnen je funf Punkte fur Gryffindor. Professor Dumbledore wird davon unterrichtet werden. Sie konnen gehen.«
Sie gingen rasch hinaus und sprachen kein Wort, bis sie zwei Stockwerke weiter oben waren. Sie waren, abgesehen von allem andern, heilfroh, den Gestank des Trolls los zu sein.
»Wir sollten mehr als zehn Punkte bekommen«, brummte Ron.
»Funf, meinst du, wenn du die von Hermine abziehst.«
»Gut von ihr, uns zu helfen«, gab Ron zu. »Immerhin haben wir sie wirklich gerettet.«
»Sie hatte es vielleicht nicht notig gehabt, wenn wir das Ding nicht mit ihr eingeschlossen hatten«, erinnerte ihn Harry.
Sie hatten das Bildnis der fetten Dame erreicht.
»Schweineschnauze«, sagten sie und traten ein.
im Gemeinschaftsraum war es voll und laut. Alle waren dabei, das Essen zu verspeisen, das ihnen hochgebracht worden war. Hermine allerdings stand allein neben der Tur und wartete auf sie. Es gab eine sehr peinliche Pause. Dann, ohne da? sie sich anschauten, sagten sie alle »Danke« und sausten los, um sich Teller zu holen.
Doch von diesem Augenblick an war Hermine Granger ihre Freundin. Es gibt Dinge, die man nicht gemeinsam erleben kann, ohne da? man Freundschaft schlie?t, und einen fast vier Meter gro?en Bergtroll zu erlegen gehort gewi? dazu.
Quidditch
Anfang November wurde es sehr kalt. Die Berge im Umkreis der Schule wurden eisgrau und der See kalt wie Stahl. Allmorgendlich war der Boden mit Reif bedeckt. Von den oberen Fenstern aus konnten sie Hagrid sehen, wie er, warm angezogen mit einem langen Mantel aus Maulwurffell, Handschuhen aus Hasenfell und gewaltigen Biberpelzstiefeln, die Besen auf dem Quidditch-Feld entfrostete.
Die Quidditch-Saison hatte begonnen. Am Samstag, nach wochenlangem Training, wurde Harry seine erste Partie spielen: Gryffindor gegen Slytherin. Wenn die Gryffindors gewinnen sollten, dann wurden sie den zweiten Tabellenplatz in der Hausmeisterschaft erobern.
Bislang hatte kaum jemand Harry spielen sehen, denn Wood hatte beschlossen, die Geheimwaffe musse – nun ja – geheim gehalten werden. Doch auf irgendeinem Wege war durchgesickert, da? Harry den Sucher spielte, und Harry wu?te nicht, was schlimmer war – die Leute, die ihm sagten, er wurde ein glanzender Spieler sein, oder die Leute, die ankundigten, sie wurden mit einer Matratze auf dem Spielfeld herumlaufen.
Harry hatte wirklich Gluck, da? er inzwischen Hermine zur Freundin hatte. Bei all den von Wood immer in letzter Minute angesetzten Trainingsstunden hatte er ohne sie nicht gewu?t, wie er seine ganzen Hausaufgaben schaffen sollte. Hermine hatte ihm auch Quidditch im Wandel der Zeiten ausgeliehen, ein Buch, in dem es interessante Dinge zu lesen gab.
Harry erfuhr, da? es siebenhundert Moglichkeiten gab,
ein Quidditch-Foul zu begehen, und da? sie alle bei einem Weltmeisterschaftsspiel von 1473 vorgekommen waren; da? Sucher meist die kleinsten und schnellsten Spieler waren und da? sie sich offenbar immer die schwersten Verletzungen zuzogen; da? die Spieler zwar selten einmal starben, es jedoch vorgekommen war, da? Schiedsrichter einfach verschwanden und dann Monate spater in der Wuste Sahara wieder auftauchten.
Seit Hermine von Harry und Ron vor dem Bergtroll
gerettet worden war, sah sie die Regeln nicht mehr so eng und war uberhaupt viel netter zu ihnen. Am Tag vor Harrys erstem Quidditch-Spiel standen die drei in einer Pause drau?en im eiskalten Hof Hermine hatte fur sie (,in hellblaues Feuer heraufbeschworen, das man in einem Marmeladeglas mit sich herumtragen konnte. Sie standen gerade mit dem Rucken zum Feuer und warmten sich, Als Snape uber den Hof kam. Harry fiel gleich auf, da? Snape hinkte. Die drei ruckten naher aneinander, um das Feuer vor ihm zu verbergen, denn gewi? war es nicht erlaubt. Unglucklicherweise mu?te Snape ihre schuldbewu?ten Gesichter bemerkt haben, denn er hinkte zu ihnen heruber. Das Feuer hatte er nicht gesehen, doch er schien ohnehin nach einem Grund zu suchen, um ihnen eine Lektion zu erteilen.
»Was hast du da in der Hand, Potter?«
Es war Quidditch im Wandel der Zeiten. Harry zeigte es
ihm.
»Bucher aus der Bibliothek durfen nicht nach drau?en genommen werden«, sagte Snape. »Gib es mir. Funf Punkte Abzug fur Gryffindor«
»Diese Regel hat er gerade erfunden«, zischte Harry wutend, als Snape fortgehinkt war. »Was ist eigentlich mit seinem Bein?«
»Wei? nicht, aber hoffentlich tut's richtig weh«, sagte Ron verbittert.
An diesem Abend war es im Aufenthaltsraum der Gryffindors sehr laut. Harry, Ron und Hermine sa?en zusammen am Fenster. Hermine las sich Harrys und Rons Hausaufgaben fur Zauberkunst durch. Abschreiben durften sie bei ihr nie (»Wie wollt ihr dann je was lernen?«), doch wenn sie sie baten, ihre Hefte durchzulesen, bekamen sie auch so die richtigen Antworten.
Harry war nervos. Er wollte Quidditch im Wandel der Zeiten zuruckhaben, um sich vom morgigen Spiel abzulenken. Und warum sollte er vor Snape Angst haben? Er stand auf und sagte, er werde Snape fragen, ob er es zuruckhaben konne.
»Der gibt es dir nie im Leben«, sagten Ron und Hermine wie aus einem Munde, doch Harry hatte das Gefuhl, Snape wurde nicht nein sagen, wenn noch andere Lehrer zuhorten.
Er ging hinunter zum Lehrerzimmer und klopfte. Keine Antwort. Er klopfte noch einmal. Wieder nichts.
Vielleicht hatte Snape das Buch dort drin gelassen? Einen Versuch war es wert. Er druckte die Tur einen Spalt breit auf und spahte hinein – und es bot sich ihm ein furchtbares Schauspiel.
Snape und Filch waren im Zimmer, allein. Snape hatte den Umhang uber ein Knie hochgezogen. Sein Bein war zerfleischt und blutig. Filch reichte Snape Binden.
»Verdammtes Biest«, sagte Snape. »Wie soll man eigentlich auf alle drei Kopfe gleichzeitig achten?«
Harry versuchte die Tur leise zu schlie?en, doch -
»POTTER«
Snape lie? sofort den Umhang los, um sein Bein zu verstecken. Sein Gesicht war wutverzerrt. Harry schluckte.
»Ich wollte nur fragen, ob ich mein Buch zuruckhaben kann.«
»RAUS HIER! RAUS!«
Harry machte sich davon, bevor Snape Gryffindor noch mehr Punkte abziehen konnte. Er rannte die Treppenhoch zu den andern.
»Hast du es«, fragte Ron, als Harry hereinkam. »Was ist los?«
Leise flusternd berichtete Harry, was er gesehen hatte.
»Wi?t ihr, was das hei?t?«, schlo? er au?er Atem,»er hat an Halloween versucht, an diesem dreikopfigen Hund vorbeizukommen! Er war auf dem Weg dorthin, als wir ihn gesehen haben – was auch immer der Hund bewacht, Snape will es haben! Und ich wette meinen Besen, da? er den Troll hereingelassen hat, um die andern abzulenken!«
Hermine sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
»Nein, das wurde er nicht tun«, sagte sie. »Ich wei?, er ist nicht besonders nett, aber er wurde nichts zu stehlen versuchen, was Dumbledore sicher aufbewahrt.«
»Ehrlich gesagt, Hermine, du glaubst, alle Lehrer seien so etwas wie Heilige«, fuhr Ron sie an. »Ich finde, Harry hat Recht. Snape trau ich alles zu. Aber hinter was ist er her? Was bewacht der Hund?«
Als Harry zu Bett ging, surrte ihm noch immer diese Frage durch den Kopf. Neville schnarchte laut, doch Harry konnte ohnehin nicht schlafen. Er versuchte die Gedanken daran zu vertreiben – er brauchte Schlaf. Er mu?te schlafen, denn in ein paar Stunden hatte er sein erstes Quidditch-Spiel – doch den Ausdruck auf Snapes Gesicht, nachdem Harry sein Bein gesehen hatte, konnte er einfach nicht vergessen.
Strahlend hell und kalt zog der Morgen herauf Die Gro?e Halle war erfullt mit dem kostlichen Geruch von Bratwursten und dem frohlichen Geschnatter all derer, die sich auf ein gutes Quidditch-Spiel freuten.