Bei einem Holzstapel bewegte sich etwas; Allday zischte:»Los, Mr. Pascoe!»

Pascoe ri? die Muskete von der Schulter, stie? ihm die Mundung in den Rucken und eilte mit ihm voran, so schnell er glaubte, es riskieren zu konnen.

«Gut gemacht«, murmelte Allday.»Aber hoffentlich haben Sie Ihren Abzugsfinger unter Kontrolle!»

Sie gingen geradeaus weiter; Sternenlicht wies ihnen den Weg zur Landzunge, Laternen brannten keine mehr. Also wurden die Geschutzbedienungen jetzt neben ihren Kanonen schlafen. Sie hatten wenig zu befurchten.

Da blieb Allday stehen, Pascoe ebenfalls.

«Was ist?»

«Da steht jemand vor uns. Direkt auf dem Weg.»

«Jetzt konnen wir nicht mehr zuruck«, flusterte Pascoe,»wir sind auf freiem Gelande.»

«Aye. «Etwas an der vor ihnen stehenden Gestalt beunruhigte Allday.»Wenn er was sagt, lachen Sie einfach und gehen weiter. Ich versuche dann, ihn von hinten zu erledigen.»

Doch der einsame Mann rief sie nicht an und wandte sich auch nicht um, als sie vorbeigingen. Denn er war an einen Pfahl gebunden, und seine leeren Augenhohlen gahnten gro? und schwarz uber dem gebleckten Gebi?. Allday ging schweigend vorbei — es war der Anfuhrer der Reiter, der ihn mit der Peitsche geschlagen hatte.

Pascoe sprach es statt seiner aus:»Wenn sie das schon mit ihren eigenen Leuten machen.»

Ein paar Minuten spater sagte Allday:»Ich glaube, hier halten wir erst mal und stellen fest, wo wir sind.»

Sie hatten schon fast den Strand erreicht; der Sand war vom Kommen und Gehen vieler Fu?e zerfurcht, wo Sklaven die ankernden Schiffe beladen hatten.

Das nachstliegende, eine Brigg, war ziemlich deutlich zu erkennen. Die Morgendammerung mu?te also schon naher sein, als sie dachten. Wie einladend diese Brigg aussah. Allday dachte an das, was sie sich vorgenommen hatten, und erschauerte. Unter diesen Umstanden hatte jedes Schiff einladend ausgesehen. Er musterte den vor ihnen liegenden Landarm der Bucht. Zwei Erhebungen, etwa eine Kabellange[12] voneinander entfernt, unterbrachen das sonst ebene Terrain. Also waren zwei Batterien vorhanden, hochstwahrscheinlich aber nur ein Magazin. Der spanische Hauptmann hatte angedeutet, da? er in diesem Stadium auch ohne neue Arbeit genug zu tun hatte.

«Wir nehmen die landeinwarts, wenn Sie einverstanden sind?»

Pascoe nickte.»Die mit der Esse. Wahrscheinlich befindet sich dort auch das Magazin. Denn wenn sie die hei?en Kugeln zu den gerichteten Kanonen tragen, mu? das schnell gehen.»

Allday warf einen verstohlenen Blick auf die dunkle Gestalt. Es hatte der Kommodore sein konnen, der so sprach.

«Ich glaube, ich sehe einen Pfad. Den nehmen wir. Wenn es der falsche ist, kehren wir um und versuchen es auf dem anderen«, sagte Pascoe und schlo? mit fester Stimme:»Jedenfalls wird es ein rascher Tod.»

Aber sie hatten die richtige Wahl getroffen. Am Fu? des Landarms verbreiterte sich der Pfad und fuhlte sich selbst fur Alldays wunde Fu?e etwas glatter an.

Hier im Windschatten war es viel ruhiger, und sie vernahmen andere Laute: das Rascheln des trockenen salzigen Grases, das ferne Wiehern angekoppelter Pferde, das monotone Pfeifen eines Beute suchenden Nachtvogels.

Sie rundeten eine neue Wegbiegung und verhielten verblufft vor einem hohen holzernen Tor. Es stand weit offen; im schwachen Licht einer Laterne sahen sie roh behauene Stufen, die den Hugel hinauf zu einer Stelle fuhrten, die direkt unter der ersten Batterie liegen mu?te.

Hastig fragte Allday:»Haben Sie die Peitsche?»

Pascoe tastete an dem ungewohnten Gurtel herum.»Ja, aber warum. «Er brach ab, denn zwei Gestalten losten sich von der Innenseite des Tores.

«Los«, stie? Allday hervor,»schlagen Sie zu! Oder wir kommen nie durch dieses verdammte Tor!»

Die beiden Wachen waren bewaffnet; Allday konnte ihre Bajonette im gelben Lampenschein funkeln sehen. Beide waren Spanier und Artilleristen, nach der Form ihrer Stiefel und der weiten Hosen zu urteilen.

Allday sog scharf den Atem ein, als die Peitsche auf seine Schultern niedersauste.»Fester, um Gottes willen!»

Keuchend holte Pascoe noch einmal aus; mit plotzlicher Klarheit erinnerte er sich, wie die Reiter zugeschlagen hatten: ohne Erregung, ohne Gnade. Die beiden Posten sahen mit gelinder Neugier zu. An diesem elenden Ort war es fur sie wahrscheinlich eine willkommene Abwechslung.

Dann klapperte eine Muskete, die der eine Posten vom Boden aufhob, und Allday sturzte vor, ri? sie dem erstaunten Mann aus den Handen und stie? ihm mit wutender Kraft den Kolben ins Gesicht.

Pascoe eilte zu ihm, doch der zweite Wachtposten rannte bereits die Stufen hinauf, wie ein Irrer schreiend.

Allday legte die Muskete an und feuerte; der Mann wurde vom Aufprall der Kugel herumgerissen, sturzte und war nicht mehr zu sehen. Sie horten ihn in einer kleinen Lawine von Steinen und Erdbrocken den Abhang hinunterrollen.

«Los!«Pascoe rannte die Stufen hinauf und direkt in einen weiteren Wachtposten hinein, der aus einer anderen Tur kam, einer starken, eisenbeschlagenen. Allday fa?te zu, packte ihn beim Hals, drehte ihn mit einem Schwung um und schmetterte seinen Kopf gegen die Tur.

Sie flog auf. Dahinter lag ein leerer Gang; von oben waren Rufe und eilende Schritte zu horen; sie schlupften hinein, und Pascoe sagte atemlos:»Riegel zu!«Er hielt eine Laterne hoch.»Hier mu? es zur Pulverkammer gehen.»

«Trocken genug ist es. «Allday legte zwei schwere Riegelbalken um.»Vorsicht mit der Laterne!«Er zog prufend die Luft ein.»Ich wette, die fragen sich jetzt, was, zum Teufel, hier unten los ist. «Er spannte die zweite Muskete.

Stiefel und Kolben hammerten gegen die schwere Tur, doch war es ebenso rasch wieder still.

Pascoe blickte seinen Gefahrten an.»Also, dann los!»

Major Leroux reichte Bolitho ein kleines Taschenteleskop.»Viel werden Sie ja noch nicht sehen konnen, Sir.»

Bolitho hob sich auf die Knie. Beine und Rucken schmerzten ihm von dem langen Marsch. Zwischen Felsbrocken und trockenem Heidekraut sah er das wei?e Lederzeug und die Kniehosen der Marine-Infanteristen, die in lockeren Gruppen keuchend dalagen.

Himmel und Sterne wurden zweifellos schon bleicher. Doch Land und Horizont waren noch nicht zu unterscheiden; und nur am gelegentlich helleren Sand des Strandes konnte er ungefahr erkennen, wo sie waren: namlich an einem Abhang etwa auf gleicher Hohe mit dem Arm der Bucht. Durch das kleine Glas konnte er auch sehen, wo der Erdboden aufgerissen worden war, um Walle und Palisaden zu bauen; eine einzelne Laterne flackerte auf. Ihr Licht spielte uber zwei schwere Bodenstucke; wahrscheinlich Vier-undzwanzigpfunder, dachte er.

Leroux hatte sich auf die Ellbogen gestutzt und sagte, einen Kieselstein lutschend:»Noch diesen steilen Hang hinunter und dann hoch zu der vordersten Palisade, Sir. Aber selbst wenn weiter hinten keine Verteidigungslinie mehr ist, konnten wir die Halfte unserer Leute bei der ersten Salve verlieren. «Er musterte seine erschopften Manner.»Das Bordleben nimmt ihnen die Ausdauer. Das ist eben keine Infanterie und auch kein Linienregiment.»

Wutendes Hundegebell erscholl irgendwo in der Ferne. Ein neuer Tag begann.

«Heute mussen sie aber richtige Soldaten sein«, sagte Bolitho kurz.»Wir werden sofort angreifen, Major. Ehe die Trompete die Garnison weckt.»

Die anderen Offiziere ruckten naher an sie heran. Er starrte unverwandt auf die See und die dunklen Umrisse der drei vor Anker liegenden Schiffe. Vielleicht konnten sie die Batterie doch noch ausschalten und sich dann zu irgendwelchen Booten durchkampfen. Alles wegen dieser Felsenrinne. Und wegen seiner blinden Ungeduld.

«Mr. Steere, Sie nehmen, was noch an Matrosen da ist, und versuchen den Strand zu erreichen. Mr. Luce geht mit Ihnen. «Er nickte Leroux zu.»Also weiter. Wir schlagen am besten gleich los.»

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12

l Kabellange = 0,1 Seemeile oder 185.3 m