Ganz aus der Rolle; sage mir das letzte Wort!

Phorkyas

Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja!

Sogleich umgeb' ich dich mit jener Burg.

Chor

O sprich

Das kurze Wort und rette dich und uns zugleich!

Helena

Wie? sollt' ich fürchten, daß der König Menelas

So grausam sich verginge, mich zu schädigen?

Phorkyas

Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus,

Des totgekämpften — paris Bruder, unerhört

Verstümmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt

Und glücklich kebste? Nas' und Ohren schnitt er ab

Und stümmelte mehr so: Greuel war es anzuschaun.

Helena

Das tat er jenem, meinetwegen tat er das.

Phorkyas

Um jenes willen wird er dir das gleiche tun.

Unteilbar ist die Schönheit; der sie ganz besaß,

Zerstört sie lieber, fluchend jedem Teilbesitz.

Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid'

Zerreißend anfaßt, also krallt sich Eifersucht

Im Busen fest des Mannes, der das nie vergißt,

Was einst er besaß und nun verlor, nicht mehr besitzt.

Chor

Hörst du nicht die Hörner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht?

Phorkyas

Sei willkommen, Herr und König, gerne geb' ich Rechenschaft.

Chor

Aber wir?

Phorkyas

Ihr wißt es deutlich, seht vor Augen ihren Tod,

Merkt den eurigen da drinne: nein, zu helfen ist euch nicht.

Helena

Ich sann mir aus das Nächste, was ich wagen darf.

Ein Widerdämon bist du, das empfind' ich wohl

Und fürchte, Gutes wendest du zum Bösen um.

Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg;

Das andre weiß ich; was die Königin dabei

Im tiefen Busen geheimnisvoll verbergen mag,

Sei jedem unzugänglich. Alte, geh voran!

Chor

O wie gern gehen wir hin,

Eilenden Fußes;

Hinter uns Tod,

Vor uns abermals

Ragender Feste

Unzugängliche Mauer.

Schütze sie ebenso gut,

Eben wie Ilios' Burg,

Die doch endlich nur

Niederträchtiger List erlag.

Wie? aber wie?

Schwestern, schaut euch um!

Was es nicht heiterer Tag?

Nebel schwanken streifig empor

Aus Eurotas' heil'ger Flut;

Schon entschwand das liebliche

Schilfumkränzte Gestade dem Blick;

Auch die frei, zierlich-stolz

Sanfthingleitenden Schwäne

In gesell'ger Schwimmlust

Seh' ich, ach, nicht mehr!

Doch, aber doch

Tönen hör' ich sie,

Tönen fern heiseren Ton!

Tod verkündenden, sagen sie.

Ach daß uns er nur nicht auch,

Statt verheißener Rettung Heil,

Untergang verkünde zuletzt;

Uns, den Schwangleichen, Lang —

Schön-Weißhalsigen,/ und ach!

Unsrer Schwanerzeugten.

Weh uns, weh, weh!

Alles deckte sich schon

Rings mit Nebel umher.

Sehen wir doch einander nicht!

Was geschieht? gehen wir?

Schweben wir nur

Trippelnden Schrittes am Boden hin?

Siehst du nichts? Schwebt nicht etwa gar

Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab

Heischend, gebietend uns wieder zurück

Zu dem unerfreulichen, grautagenden,

Ungreifbarer Gebilde vollen,

überfüllten, ewig leeren Hades?

Ja auf einmal wird es düster, ohne Glanz entschwebt der Nebel

Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern stellen sich dem Blicke,

Freiem Blicke starr entgegen. Ist's ein Hof? ist's tiefe Grube?

Schauerlich in jedem Falle! Schwestern, ach! wir sind gefangen,

So gefangen wie nur je.

INNERER BURGHOF

Chorführerin

Vorschnell und töricht, echt wahrhaftes Weibsgebild!

Vom Augenblick abhängig, Spiel der Witterung,

Des Glücks und Unglücks! Keins von beiden wißt ihr je

Zu bestehn mit Gleichmut. Eine widerspricht ja stets

Der andern heftig, überquer die andern ihr;

In Freud' und Schmerz nur heult und lacht ihr gleichen Tons.

Nun schweigt! und wartet horchend, was die Herrscherin

Hochsinnig hier beschließen mag für sich und uns.

Helena

Wo bist du, Pythonissa? heiße, wie du magst;

Aus diesen Gewölben tritt hervor der düstern Burg.

Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn

Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,

So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm;

Beschluß der Irrfahrt wünsch' ich. Ruhe wünsch' ich nur.

Chorführerin

Vergebens blickst du, Königin, allseits um dich her;

Verschwunden ist das leidige Bild, verblieb vielleicht

Im Nebel dort, aus dessen Busen wir hieher,

Ich weiß nicht wie, gekommen, schnell und sonder Schritt.

Vielleicht auch irrt sie zweifelhaft im Labyrinth

Der wundersam aus vielen einsgewordnen Burg,

Den Herrn erfragend fürstlicher Hochbegrüßung halb.

Doch sieh, dort oben regt in Menge sich allbereits,

In Galerien, am Fenster, in Portalen rasch

Sich hin und her bewegend, viele Dienerschaft;

Vornehm-willkommnen Gastempfang verkündet es.

Chor

Aufgeht mir das Herz! o, seht nur dahin,

Wie so sittig herab mit verweilendem Tritt

Jungholdeste Schar anständig bewegt

Den geregelten Zug. Wie! auf wessen Befehl

Nur erscheinen, gereiht und gebildet so früh,

Von Jünglingsknaben das herrliche Volk?

Was bewundr' ich zumeist? Ist es zierlicher Gang,

Etwa des Haupts Lockhaar um die blendende Stirn,

Etwa der Wänglein Paar, wie die Pfirsiche rot

Und eben auch so weichwollig beflaumt?

Gern biss' ich hinein, doch ich schaudre davor;

Denn in ähnlichem Fall, da erfüllte der Mund

Sich, gräßlich zu sagen! mit Asche.

Aber die schönsten,

Sie kommen daher;

Was tragen sie nur?

Stufen zum Thron,

Teppich und Sitz,

Umhang und zelt —

Artigen, Schmuck;

über überwallt er,

Wolkenkränze bildend,

Unsrer Königin Haupt;

Denn schon bestieg sie

Eingeladen herrlichen Pfühl.

Tretet heran,

Stufe für Stufe

Reihet euch ernst.

Würdig, o würdig, dreifach würdig

Sei gesegnet ein solcher Empfang!

Chorführerin

Wenn diesem nicht die Götter, wie sie öfter tun,

Für wenige Zeit nur wundernswürdige Gestalt,

Erhabnen Anstand, liebenswerte Gegenwart

Vorübergänglich liehen, wird ihm jedesmal,

Was er beginnt, gelingen, sei's in Männerschlacht,

So auch im kleinen Kriege mit den schönsten Fraun.

Er ist fürwahr gar vielen andern vorzuziehn,

Die ich doch auch als hochgeschätzt mit Augen sah.

Mit langsam-ernstem, ehrfurchtsvoll gehaltnem Schritt

Seh' ich den Fürsten; wende dich, o Königin!

Faust

Statt feierlichsten Grußes, wie sich ziemte,

Statt ehrfurchtsvollem Willkomm bring' ich dir

In Ketten hart geschlossen solchen Knecht,

Der, Pflicht verfehlend, mir die Pflicht entwand.

Hier kniee nieder, dieser höchsten Frau

Bekenntnis abzulegen deiner Schuld.

Dies ist, erhabne Herrscherin, der Mann,

Mit seltnem Augenblitz vom hohen Turm

Umherzuschaun bestellt, dort Himmelsraum

Und Erdenbreite scharf zu überspähn,

Was etwa da und dort sich melden mag,