Ritter und Hofdamen schlenderten umher. Und uberall wuselten Kinder, Drachen, Hunde und andere kleine Tiere durch die Menge und liefen jedem vor die Fu?e.
Uber dem Burgtor verkundete ein riesiges Banner: Jahrliches Festival der Magie.
»Mmmmh, Spanferkel«, sagte Max und sog den Duft von Gebratenem ein, der von zahlreichen Grillfeuern aufstieg. Er, Olivia und ihre Eltern schoben sich auf das Burgtor zu, mit Adolphus an der kurzen Leine. Weil Sir Bertram ein entfernter Vetter von Konig Artus war, hatten sie Zimmer in der Burg. Insgeheim aber beneidete Max die Familien, die ihre bunten Zelte au?erhalb der Burg aufgebaut hatten und den Sonnenschein genossen.
Als sie das Burgtor erreichten, versperrten ihnen zwei ziemlich murrisch aussehende Wachmanner den Weg.
»Passierschein, bitte«, sagte einer von ihnen gelangweilt und streckte die Hand aus.
»Passierschein?«, grollte Sir Bertram. »Passierschein?! Seht ihr denn nicht, wer ich bin, ihr nichtsnutzigen, schandlichen Sohne einer Kuchenmagd? Was soll das hei?en – Passierschein?«
Der Wachter sah auf und blinzelte.
»Oh – ah – Sir Bertram – guten Tag«, sagte er verdattert. »So lauten die Befehle, furchte ich. Alle Besucher mussen ihren Passierschein zeigen. Keinerlei Ausnahmen. Wir haben doch den jungen Prinzen hier, wisst Ihr – den Sohn des Kornischen Konigs.« Er senkte die Stimme. »Es ist von einer Verschworung die Rede. Man wolle ihn entfuhren, wahrend er hier ist. Das wurde naturlich Krieg bedeuten – wo dem Kornischen Konig doch jeder Anlass recht ist, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Und wenn dem jungen Prinzen etwas zustie?e, wahrend er unter dem Schutz des Konigs steht, na ja, das ware dann besagter Anlass …«
»Wenn es Euch also nichts ausmacht«, sagte der andere Wachter und streckte die Hand aus. »Passierschein, bitte.«
Er wich einen Schritt zuruck, als Sir Bertram sichtlich anschwoll. Doch bevor Sir Bertram Gelegenheit hatte, auch noch die Farbe einer reifen Tomate anzunehmen (der kritische Moment, wie Max wusste), zog Lady Griselda ein cremefarbenes Stuck Pergament aus ihrem Kleid und uberreichte es dem Wachter.
»Das, denke ich, wird genugen«, sauselte sie. »Stell dich nicht so an«, fugte sie, an ihren Mann gewandt, hinzu. »Du wei?t, dass sie besonders vorsichtig sein mussen.«
»Volliger Unfug«, murmelte Sir Bertram. »Eine verdammte Unverschamtheit ist das, sage ich. Quatsch und Kokolores!« Dennoch lie? er die Wachmanner den Passierschein uberprufen, bevor er Frau und Kinder in die Burg und die Treppen hinauf zu ihren Gemachern im Nordturm scheuchte.
Lady Griselda wurde gleich geschaftig, packte Kessel, Zauberzeug und ihre schonsten Kleider aus. Sir Bertram hingegen dampfte ab, um mit ein paar Freunden Sturz-den-Becher zu uben, einen Trinkwettbewerb, den Sir Bertram ublicherweise gewann. Max zwinkerte Olivia zu und die beiden halfen auf moglichst ungeschickte Weise beim Auspacken. Dabei stellten sie so viele nervige Fragen wie moglich. Derweil segelte Adolphus durch den Raum, wobei er sich immer wieder in den Wandteppichen verhedderte. Nach funf Minuten hatte Lady Griselda genug.
»Oh, du meine Gute! Konnt ihr wohl verschwinden? Geht meinetwegen euren Zauber uben, aber lasst mich in Frieden! Allein werde ich schneller fertig! Und nehmt blo? diesen verflixten Drachen mit!«
»Danke, Mama«, sagte Max, lie? erleichtert einen Stapel Kleider fallen, und schon waren sie auf der Wendeltreppe, einen von Stufe zu Stufe rutschenden Adolphus im Schlepptau.
Sie machten sich gleich zum Westflugel auf, wo, wie sie wussten, immer ein paar Zimmer leer standen. Merlin lebte in diesem Teil der Burg. Die meisten Gaste wollten jeglichen Kontakt mit dem machtigen Zauberer vermeiden. Max jedoch fand alles, was ihm je uber Merlin zu Ohren gekommen war, genial. Jedes Mal, wenn er hier war, hoffte er, dem Zauberer zu begegnen und ihn kennenzulernen. Leider war es nie dazu gekommen.
»Okay«, sagte Max, nachdem sie sich in einem kleinen, im vierten Stock gelegenen Raum mit schmalen Fenstern breit gemacht hatten. Bis auf ein paar alte Gobelins und Mobelstucke war der Raum leer. »Zeit, das Gegenmittel auszuprobieren.«
Am Tag zuvor hatten sie sowohl den Umkehrzauber als auch den Froschzauber gemixt. Sie hatten jedoch keine Zeit mehr gehabt, die Tranke vor ihrer Abreise nach Camelot noch auszuprobieren. Der Zauberer-Nachwuchs-Wettbewerb sollte am nachsten Tag stattfinden, am Ende des Festivals. Es blieben ihnen also noch anderthalb Tage, um ihren Auftritt zu proben.
»So«, sagte Max und streifte sich einen seiner Jagdhandschuhe uber die rechte Hand. »Du stellst dich da vorn hin, in die Mitte des Raums …«
»Bitte, was?« Olivia tat uberrascht. »Du willst das an mirausprobieren?«
»An dir, naturlich«, sagte Max betont gelassen. »Schlie?lich bist du meine Assistentin und schlie?lich probieren nicht die Zauberer, sondern ihre Assistentinnen die Zaubertranke aus.«
»Ach ja?« Olivia verschrankte entschlossen die Arme. »Aber da du gar kein richtiger Zauberer bist, Max, und ich dir ohnehin schon einen gro?en Gefallen tue, morgendeine Assistentin zu spielen, solltest heute du an der Reihe sein, den Trank auszuprobieren. Ich werde mich jedenfalls nicht in einen rosa Elefanten mit grunen Punkten verwandeln lassen, nur weil du wieder die Zutaten durcheinandergebracht hast. Nein, danke!«
Max seufzte. Das war das Dumme an kleinen Schwestern. Eine Zeit lang waren sie ganz in Ordnung und fast bekam man den Eindruck, man konnte ihnen vertrauen. Und dann lie?en sie einen im entscheidenden Moment im Stich. Zum Teufel! Dann wurde er den stinkenden Trank eben selbst schlucken mussen.
»Nun denn«, sagte er, zog den Handschuh wieder aus und reichte ihn Olivia zusammen mit einer durchsichtigen grunen Glasflasche an einer Kette. »Hier sind das Gegenmittel, um mich zuruckzuverwandeln, und ein Handschuh. Den tragst du, wenn du den Froschzaubertrank anfasst. Wir wollen ja nicht, dass du dich versehentlichin einen Frosch verwandelst, oder?«
Vorsichtig zog er eine kleine blaue Flasche aus seiner Gurteltasche und schuttelte dabei zugleich Grimm aus seiner Tunika.
»Oh!«, rief Grimm, als er auf den Fu?boden plumpste. »Sag blo? nicht, dass du dich freiwillig in einen Frosch verwandeln willst! Als hattest du beim letzten Mal nicht genug Chaos gestiftet. Manche Leute lernen es nie.«
»Wei?t du, manchmal sehne ich mich nach der Zeit zuruck, als ich dich noch nicht verstehen konnte, Grimm«, seufzte Max. »Das hier ist wichtig. Es wird mir fur alle Zeit den Schwertkampf ersparen und vielleicht sogar einen Arm retten, den mir Papa in einem seiner verruckten Momente sonst abschlagen wurde. Au?erdem wird Adrian Hogsbottom Dreck fressen, wenn er es sieht.«
»Und es wird Spa? machen!«, rief Adolphus aufgeregt. »Wuuusch wird Max machen! Mit Sternchen!«
»Oh, ja, naturlich. Weckt mich, wenn das Gegenmittel nicht wirkt. Ich werde dann in Erwagung ziehen, Max einen dicken feuchten Rattenschmatz zu verpassen.«
Grimm rollte sich hinter einem Wandteppich zusammen und schlief wieder ein.
»Also«, sagte Max und holte tief Luft. »Zieh dir den Handschuh uber und streck die Hand aus.« Er schuttete etwas blaue Schmiere in Olivias behandschuhte Handflache und verstaute die Flasche wieder in seiner Gurteltasche.
Olivia warf Max die blaue Schmiere ins Gesicht.
BANG!
Er verschwand und auf dem Boden sa? nun ein kleiner orangefarbener Frosch mit blauen Punkten.
»Uuuumpfff«, machte er. »Ich hatte vergessen, was fur ein komisches Gefuhl das ist.«
»Okay«, sagte Olivia. »Das hat schon mal funktioniert. Und jetzt das Gegenmittel.«
Sie entkorkte die grune Flasche und wollte gerade ein paar Tropfen auf Max schutten, als die Tur aufging und eine laute, schnarrende Stimme sie unterbrach.