»Zaubergrad«, erklarte George.»Auch Bill hatte damals den zwolften. Wenn wir nicht aufpassen, haben wir bald noch einen Schulsprecher in der Familie. ich glaube, diese Schande konnte ich nicht ertragen.«

Bill war der alteste Bruder der Weasleys. Er und der zweitalteste, Charlie, hatten Hogwarts bereits verlassen. Harry hatte noch keinen von beiden getroffen, wu?te aber, da? Charlie in Rumanien war, um Drachen zu erforschen, und Bill in Agypten, wo er fur die Zaubererbank Gringotts arbeitete.

»Wei? nicht, wie Mum und Dad dieses Jahr unsere Schulsachen bezahlen wollen«, sagte George nach einer Weile.»Funfmal samtliche Lockhart-Werke! Und Ginny braucht Umhange und einen Zauberstab und noch so einiges…«

Harry sagte nichts. Das Thema war ihm ein bisschen peinlich. Tief unten in einem Verlies der Londoner Gringotts-Bank lag ein kleines Vermogen, das ihm seine Eltern hinterlassen hatten. Naturlich konnte er das Geld nur in der Zaubererwelt ausgeben; mit Galleonen, Sickeln und Knuts konnte er in Muggelladen nichts kaufen. Sein Bankguthaben hatte er bei den Dursleys nie erwahnt; er glaubte namlich, da? ihr Entsetzen bei allem, was mit Zauberei zu tun hatte, sich nicht auf einen gro?en Haufen Gold erstrecken wurde.

Am folgenden Mittwoch weckte Mrs Weasley sie alle sehr fruh. Nachdem jeder rasch ein halbes Dutzend Schinkenbrote verschlungen hatte, zogen sie ihre Umhange an und Mrs Weasley nahm den Blumentopf vom Kaminsims in der Kuche und spahte hinein.

»Nicht mehr viel da, Arthur«, seufzte sie.»Wir kaufen heute welches nach… Na gut, Gaste zuerst! Nach dir, Harry, mein Lieber«

Und sie bot ihm den Blumentopf an.

Aller Augen richteten sich auf Harry und der starrte zuruck.

»W-was soll ich tun?«, stammelte er.

»Er ist noch nie mit Flohpulver gereist«, fiel Ron plotzlich ein,»tut mir Leid, Harry, hab gar nicht dran gedacht.«

»Noch nie?«, sagte Mrs Weasley.»Aber wie bist du letztes Jahr in die Winkelgasse gekommen, um deine Sachen zu kaufen?«

»Mt der U-Bahn -«

»Tatsachlich?«, sagte Mr Weasley neugierig.»Gab es Trolltreppen? Wie genau -«

»Nicht jetzt, Arthur«, sagte Mrs Weasley.»Flohpulver ist viel schneller, mein Lieber, aber meine Gute, wenn du es noch nie ausprobiert hast -«

»Er wird es schon schaffen, Mum«, sagte Fred.»Harry, schau erst mal uns zu.«

Er nahm eine Prise des Pulvers aus dem Blumentopf, trat zum Feuer und warf es in die Flammen.

Das Feuer wurde smaragdgrun und scho? laut grollend uber Freds Kopf hinweg. Ohne Zogern trat er mitten ins Feuer, rief»Winkelgasse«und verschwand.

»Du mu?t klar und deutlich sprechen, mein Lieber«, sagte Mrs Weasley zu Harry gewandt, wahrend George jetzt die Hand in den Blumentopf steckte.»Und sieh zu, da? du auf dem richtigen Kaminrost aussteigst…«

»Dem richtigen was?«, sagte Harry nervos, als das Feuer hochloderte und auch George mit sich ri?.

»Nun, es gibt furchtbar viele Zaubererfeuer, aus denen du wahlen kannst, aber wenn du deutlich gesprochen hast -«

»Er wird schon heil ankommen, Molly, mach's nicht kompliziert«, sagte Mr Weasley und nahm ebenfalls von dem Flohpulver.

»Aber Liebling, wenn er verloren geht, wie wurden wir das je seiner Tante und seinem Onkel erklaren konnen?«

»Denen ware das schnurz«, versicherte ihr Harry,»Dudley wurde es fur einen irren Witz halten, wenn ich irgendwo in einem Kamin verloren ginge, machen Sie sich daruber keine Gedanken -«

»Nun denn… bist du bereit?… Du gehst nach Arthur«, sagte Mrs Weasley.»Also, wenn du ins Feuer gehst, sag, wohin du willst -«

»Und zieh die Ellbogen ein«, riet ihm Ron.

»Und halt die Augen geschlossen«, sagte Mrs Weasley,»der Ru? -«

»Zappel nicht rum«, sagte Ron,»sonst fallst du noch aus dein falschen Kamin -«

»Aber gerat nicht in Panik und steig nicht zu fruh aus. Wart ab, bis du Fred und George siehst.«

Harry strengte sich an, alles im Kopf zu behalten, und nahm eine Prise Flohpulver aus dem Topf, Dann stellte er sich an den Rand des Feuers. Er holte tief Luft, streute das Pulver ins Feuer und tat einen Schritt hinein; das fuhlte sich an wie eine warme Brise; er offnete den Mund und schluckte sofort einen Haufen Asche.

»W-wink-kel-gasse«, hustete er heraus.

Es war, als ob ein riesiges Abflu?rohr ihn einsaugen wurde. Offenbar drehte er sich rasend schnell um sich selbst -um ihn her ein ohrenbetaubendes Tosen – er versuchte die Augen offen zu halten, doch der grune Flammenwirbel legte sich ihm auf den Magen – etwas Hartes schlug gegen seinen Ellbogen, und er druckte ihn fest an die Seite, sich immer noch weiterdrehend – nun schienen kalte Hande gegen sein Gesicht zu klatschen

– durch die Brille blinzelnd sah er verschwommen einen Strom von Kaminen und kurz auch die Raume dahinter – in seinem Bauch rumorten die Schinkenbrote – er schlo? die Augen und wunschte, es wurde endlich aufhoren, und dann -

Mit dem Gesicht nach unten fiel er auf kalten Stein. Die Brillenglaser zerbrachen.

Schwindlig und zerkratzt, uber und uber mit Ru? bedeckt, rappelte er sich auf und hielt sich, noch schwankend, die zerbrochene Brille vor die Augen. Er war ganz allein und hatte keine Ahnung, wo er war. Alles, was er erkennen konnte, war, da? er im steinernen Kamin eines gro?en, schwach beleuchteten Zaubererladens stand – doch nichts hier drin wurde je auf einer Liste fur Hogwarts stehen.

Eine glaserne Vitrine nicht weit von ihm enthielt eine verwitterte Hand auf einem Kissen, einen blutbespritzten Packen Spielkarten und ein starrendes Glasauge. Bose Masken glotzten von den Wanden herab, eine Sammlung menschlicher Knochen lag auf dem Ladentisch und rostige, spitze Geratschaften hingen von der Decke. Zu allem Ungluck war die dunkle, enge Stra?e, die Harry durch das staubige Schaufenster sehen konnte, ganz gewi? nicht die Winkelgasse.

Je schneller er hier rauskam, desto besser. Seine Nase, mit der er auf den Kaminrost aufgeschlagen war, tat noch weh, und Harry huschte leise hinuber zur Tur, doch er hatte den Weg noch nicht halb geschafft, da erschienen zwei Gestalten auf der anderen Seite des Turglases – und eine davon war der Letzte, den Harry treffen wollte, wenn er sich verirrt hatte, mit Ru? bedeckt war und eine zerbrochene Brille trug: Draco Malfoy.

Rasch sah sich Harry um und entdeckte zu seiner Linken einen gro?en schwarzen Schrank; er schlupfte hinein und zog die Turen hinter sich zu, bis auf einen kleinen Spalt, durch den er hindurchspahen konnte. Sekunden spater klirrte eine Glocke und Malfoy betrat den Laden.

Der Mann, der ihm folgte, konnte nur sein Vater sein. Er hatte das gleiche fahle, spitze Gesicht und die gleichen kalten grauen Augen. Mr Malfoy durchquerte den Laden, lie? den Blick uber die ausgestellten Waren gleiten und lautete eine Glocke auf dem Ladentisch, bevor er sich seinem Sohn zuwandte:

»Ruhr nichts an, Draco.«

Malfoy, der die Hand nach dem Glasauge ausgestreckt hatte, erwiderte:

»Ich dachte, du wolltest mir was schenken.«

»Ich sagte, ich wurde dir einen Rennbesen kaufen«, antwortete der Vater und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Ladentisch.

»Was nutzt das, wenn ich nicht in der Hausmannschaft bin?«, sagte Malfoy schmollend und sichtlich schlecht gelaunt.»Harry Potter hat letztes Jahr einen Nimbus Zweitausend bekommen. Sondergenehmigung von Dumbledore, damit er fur Gryffindor spielen kann. So gut ist er ja gar nicht, es ist nur, weil er beruhmt ist… beruhmt wegen der bloden Narbe auf seiner Stirn…«

Malfoy kniete sich nieder, um ein Regal voller Totenkopfe zu betrachten.

»… alle denken, er sei so begabt, der wunderbare Potter mit seiner Narbe und seinem Besen -«

»Das hast du mir mindestens schon ein Dutzend Mal erzahlt«, sagte Mr Malfoy mit mahnendem Blick auf seinen Sohn,»und ich mu? dich nicht zum ersten Mal daran erinnern, da? es – unklug ist, nicht allzu angetan von Harry Potter zu sein, wo die meisten von uns ihn doch als Helden betrachten, der den Schwarzen Lord verjagt hat – ah, Mr Borgin.«