»Wurde auch Zeit«, sagte er.»Sah seit Tagen schon furchterlich aus, ich hab ihm gesagt, er solle sich mal sputen.«

Er kicherte beim Anblick von Harrys verdutztem Gesicht.

»Fawkes ist ein Phonix, Harry. Phonixe gehen in Flammen auf, wenn es an der Zeit fur sie ist zu sterben, und werden aus der Asche neu geboren. Sieh mal…«

Harry sah gerade noch rechtzeitig hin, um einen winzigen, verschrumpelten, neugeborenen Vogel den Kopf aus der Asche stecken zu sehen. Er war genauso ha?lich wie der alte.

»Ein Jammer, da? du ihn an einem Brandtag sehen mu?test«, sagte Dumbledore und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.»Eigentlich ist er die meiste Zeit sehr hubsch, herrlich rot und gold gefiedert. Faszinierende Geschopfe, diese Phonixe. Sie konnen unglaublich schwere Lasten tragen, ihre Tranen haben heilende Kraft und sie sind au?erordentlich treue Haustiere.«

Vor Entsetzen uber den in Flammen aufgehenden Fawkes hatte Harry ganz vergessen, weshalb er hier war, doch als Dumbledore sich auf dem hohen Stuhl hinter dem Schreibtisch niederlie? und Harry mit seinen durchdringenden, hellblauen Augen festnagelte, erinnerte er sich jah wieder.

Bevor Dumbledore allerdings noch ein Wort sagen konnte, flog laut krachend die Burotur auf und Hagrid sturzte herein, mit der Kapuze auf den zottigen schwarzen Haaren und einem wilden Blick in den Augen. Noch immer baumelte der tote Hahn in seiner Pranke.

»Es war nicht Harry, Professor Dumbledore!«, sagte Hagrid eindringlich,»Sekunden bevor dieses Kind gefunden wurde, hab ich mit ihm geredet, er hatte nie die Zeit gehabt, Sir -«

Dumbledore versuchte etwas zu sagen, doch Hagrid drang weiter auf ihn ein, dabei wedelte er vor Aufregung mit dem Hahn, dessen Federn durch den ganzen Raum schwebten.

»- er kann's nicht gewesen sein, ich schwor's vor dem Ministerium fur Zauberei, wenn notig -«

»Hagrid, ich -«

»- Sie haben den falschen Jungen, Sir, ich wei?, da? Harry nie -«

»Hagrid!«, sagte Dumbledore laut.»Ich glaube nicht, da? Harry diese Leute angegriffen hat.«

»Oh«, sagte Hagrid, und der Hahn schwang leblos um sein Bein.»Gut. Dann warte ich drau?en.«

Und verlegen stapfte er hinaus.

»Sie glauben nicht, da? ich es war?«, wiederholte Harry hoffnungsvoll, wahrend Dumbledore die Hahnenfedern von seinem Schreibtisch blies.

»Nein, Harry, ich glaube es nicht«, sagte Dumbledore, wenn auch wieder mit ernstem Gesicht.»Aber ich will trotzdem mit dir reden.«

Dumbledore legte die Fingerspitzen zusammen und musterte ihn. Harry wartete nervos.

»Harry, ich mu? dich fragen, ob es etwas gibt, was du mir erzahlen mochtest«, sagte er sanft.»Was es auch immer sein mag.«

Harry wu?te nicht, was er antworten sollte. Er dachte an Malfoy, der»Ihr seid die Nachsten, Schlammbluter!«gerufen hatte, und an den Vielsaft-Trank, der im Klo der Maulenden Myrte vor sich hin kochelte. Dann fiel ihm die korperlose Stimme ein, die er zweimal gehort hatte, und das, was Ron gesagt hatte:»Stimmen zu horen, die niemand sonst horen kann, ist kein gutes Zeichen, nicht einmal in der Zaubererwelt.«Auch dachte er daran, was alle uber ihn sagten, und an seine wachsende Angst, da? ihn irgendetwas mit Salazar Slytherin verband…

»Nein«, sagte Harry,»es gibt nichts, Professor…«

Der Doppelangriff auf Justin und den Fast Kopflosen Nick verwandelte die angespannte Stimmung im Schlo? in helle Panik. Eigenartigerweise war es das Schicksal des Fast Kopflosen Nick, das den Leuten offenbar die gro?te Sorge bereitete. Was fur ein Wesen konnte einem Geist so etwas antun, fragten sich Lehrer und Schuler; was fur eine schreckliche Macht konnte jemandem Schaden zufugen, der bereits tot war? Fast kam es zu einem Ansturm auf die Fahrkarten fur den Hogwarts-Express, denn alle wollten uber Weihnachten nach Hause.

»Wenn das so weitergeht, bleiben wir als Einzige hier«, sagte Ron zu Harry und Hermine.»Wir, Malfoy, Crabbe und Goyle. Das werden lustige Ferien.«

Crabbe und Goyle, die Malfoy alles nachmachten, hatten sich ebenfalls in die Liste derer eingetragen, die in den Ferien dableiben wollten. Doch Harry war froh, da? die meisten gingen. Er war es leid, da? die andern immer einen gro?en Bogen um ihn machten, wenn sie ihm begegneten, als ob er gleich Fangarme auswerfen oder Gift spucken wurde; er war es leid, da? sie im Vorbeigehen murmelnd und zischelnd mit dem Finger auf ihn zeigten.

Fred und George allerdings fanden das alles sehr lustig. Sie lie?en es sich nicht nehmen, als Harrys Vorhut durch die Gange zu marschieren und zu rufen:»Macht Platz fur den Erben von Slytherin, ein gaaanz boser Zauberer kommt hier durch…«

Percy mi?billigte dieses Verhalten zutiefst.

»Das ist nicht zum Lachen«, sagte er kuhl.

»Ach, geh aus dem Weg, Percy«, sagte Fred.»Harry hat's eilig.«

»Ja, er macht schnell einen Abstecher in die Kammer des Schreckens auf eine Tasse Tee mit seinem rei?zahnigen Knecht«, sagte George glucksend.

Auch Ginny fand das nicht lustig.

»Ach, hort auf«, flehte sie jedes Mal, wenn Fred Harry lauthals fragte, wen er denn als Nachsten anzugreifen gedenke, oder George so tat, als wehre er Harry mit einem Knoblauchzopf ab.

Harry war es gleich; er fuhlte sich wohler bei dem Gedanken, da? wenigstens Fred und George die Vorstellung, er sei der Erbe Slytherins, fur ausgesprochen lacherlich hielten. Doch ihr Gekasper schien Draco Malfoy in Rage zu bringen, der bei jedem ihrer Auftritte ein wenig saurer aussah.

»Eben weil es fast aus ihm herausplatzt, da? es in Wahrheit er ist«, sagte Ron ahnungsvoll.»Ihr wi?t ja, wie er jeden ha?t, der besser ist als er, und du, Harry, kriegst die ganze Anerkennung fur seine schmutzige Arbeit.«

»Nicht mehr lange«, sagte Hermine zufrieden.»Der Vielsaft-Trank ist fast fertig. In den nachsten Tagen holen wir die Wahrheit aus ihm heraus.«

Endlich hatten die Weihnachtsferien begonnen und eine Stille, so tief wie der Schnee auf den Landereien, senkte sich uber das Schloss. Harry stimmte sie friedlich, nicht duster, und er freute sich, da? er, Hermine und die Weasleys den Gryffindor-Turm fur sich allein hatten, was hie?, sie konnten lautstark»Snape explodiert«spielen, ohne jemanden zu storen, und in Ruhe Duellieren uben. Fred, George und Ginny waren lieber in der Schule geblieben als mit Mr und Mrs Weasley Bill in Agypten zu besuchen. Percy, der ihr, wie er es nannte, kindisches Betragen verachtete, tauchte selten im Gemeinschaftsraum der Gryffindors auf Er hatte ihnen mit dem Brustton der Uberzeugung erklart, da? er nur deshalb uber Weihnachten bleibe, weil es seine Pflicht als Vertrauensschuler sei, die Lehrer in diesen unruhigen Zeiten zu unterstutzen.

Der Weihnachtsmorgen brach an, kalt und wei?. Harry und Ron, die Einzigen im Schlafsaal, wurden sehr fruh von Hermine geweckt, die vollstandig angezogen hereinplatzte und Geschenke fur beide in den Armen trug.

»Aufwachen!«, rief sie laut und zog die Vorhange zuruck.

»Hermine, du darfst eigentlich nicht hier drin sein sagte Ron und hob die Hand gegen das Licht.

»Ebenfalls frohe Weihnachten«, sagte Hermine und warf ihm ein Geschenk zu.»Ich bin schon fast eine Stunde auf den Beinen und hab noch ein paar Florfliegen in den Zaubertrank gemischt. Er ist fertig.«

Harry, plotzlich hellwach, setzte sich auf.

»Bist du sicher?«

»Vollkommen«, sagte Hermine und schob Kratze, die Ratte, beiseite, so da? sie sich ans Ende seines Himmelbetts setzen konnte.»Wenn wir's versuchen, dann wurd ich sagen, heute Abend.«

In diesem Augenblick schwebte Hedwig herein. Im Schnabel trug sie ein sehr kleines Packchen.

»Hallo«, sagte Harry glucklich, als sie auf seinem Bett landete.»Sprichst du wieder mit mir?«

Zutraulich knabberte sie an seinem Ohr, was ein viel besseres Geschenk war als das, was sie ihm brachte. Denn wie sich herausstellte, kam es von den Dursleys. Sie hatten Harry einen Zahnstocher geschickt und einen Zettel, auf dem es hie?, er solle fragen, ob er auch wahrend der Sommerferien in Hogwarts bleiben konne.