»Was ist denn hier los?«, fragte Harry die beiden und schnippte Konfetti von seinem Schinken.

Ron deutete auf den Lehrertisch, offenbar zu angewidert, um zu sprechen. Lockhart, mit einem zur Dekoration passenden bla?rosa Umhang, gebot armfuchtelnd Schweigen. Die Lehrer neben ihm sa?en mit versteinerten Gesichtern da. Von seinem Platz aus konnte Harry auf Professor McGonagalls Wange einen Muskel zucken sehen. Snape sah aus, als hatte ihm soeben jemand einen gro?en Becher Skele-Wachs eingeflo?t.

»Einen glucklichen Valentinstag!«, rief Lockhart.»Und danken mochte ich den inwischen sechsundvierzig Leuten, die mir Karten geschickt haben. ja, ich habe mir die Freiheit genommen, diese kleine Uberraschung fur Sie alle vorzubereiten – und es kommt noch besser«

Lockhart klatschte in die Hande und durch das Portal zur Eingangshalle marschierte ein Dutzend griesgramig dreinschauender Zwerge. Freilich nicht irgendwelche Zwerge. Lockhart hatte sie alle mit goldenen Flugeln und Harfen ausstaffiert.

»Meine freundlichen Liebesboten«, strahlte Lockhart.»Sie werden heute durch die Schule streifen und ihre Valentinsgru?e uberbringen. Und damit ist der Spa? noch nicht zu Ende! Ich bin sicher, meine Kollegen werden sich dem Geist der Stunde nicht verschlie?en wollen. Warum bitten wir nicht Professor Snape, uns zu zeigen, wie man einen Liebestrank mischt! Und wenn wir schon dabei sind, Professor Flitwick wei? mehr als jeder Hexenmeister, den ich je getroffen habe, daruber, wie man jemanden in Trance zaubert, der durchtriebene alte Hund!«

Professor Flitwick begrub das Gesicht in den Handen. Snape sah aus, als ob er den Ersten, der ihn nach einem Liebestrank fragte, vergiften wurde.

»Bitte, Hermine, sag mir, da? du keine von den sechsundvierzig bist«, flehte Ron, als sie die Gro?e Halle verlie?en und zum Unterricht gingen. Hermine war plotzlich vollauf damit beschaftigt, in ihrer Tasche nach dem Stundenplan zu kramen, und antwortete nicht.

Den ganzen Tag uber platzten die Zwerge zum Arger der Lehrer in die Unterrichtsstunden und uberbrachten Valentinsgru?e, und spat am Nachmittag, die Gryffindors waren gerade auf dem Weg hoch zur Zauberkunststunde, holte einer von ihnen Harry ein.

»Ei, du! Arry Potter!«, rief ein besonders grimmig aussehender Zwerg und raumte sich mit dem Ellbogen den Weg zu Harry frei.

Harry war die Vorstellung ein Grauel, vor den Augen einer Schar von Erstklasslern, zu der zufallig auch Ginny Weasley gehorte, einen Valentinsgru? empfangen zu mussen, und versuchte zu entkommen. Doch der Zwerg schlug sich schienbeintretend durch die Menge und holte ihn ein, bevor er auch nur zwei Schritte getan hatte.

»Ich hab eine musikalische Nachricht an)Arry Potter personlich(zu uberbringen«, sagte er und zupfte Unheil verkundend an seiner Harfe herum.

»Nicht hier«, zischte Harry und rannte erneut los.

»Stillgestanden!«, raunzte der Zwerg, packte Harrys Tasche und zog ihn zuruck.

»La? mich los!«, knurrte Harry.

Mit einem lauten Rei?en ging seine Tasche entzwei. Bucher, Zauberstab, Pergament und Federkiel flogen zu Boden und uber dem ganzen Durcheinander zerbrach auch noch sein glasernes Tintenfa?.

Harry hastete umher und versuchte seine Sachen aufzusammeln, bevor der Zwerg zu singen begann. Im Korridor entstand ein kleiner Menschenauflauf.

»Was geht hier vor?«, ertonte die kalte, schleppende Stimme von Draco Malfoy. Fieberhaft stopfte Harry alles in seine zerrissene Tasche, verzweifelt darauf aus, zu entkommen, bevor Malfoy den musikalischen Valentinsgru? horen konnte.

»Was ist denn das fur ein Durcheinander?«, sagte eine andere vertraute Stimme, die von Percy Weasley.

Harry verlor den Kopf und wollte losrennen, doch der Zwerg packte ihn um die Knie und er sturzte polternd zu Boden.

»Schon«, sagte der Zwerg und setzte sich auf Harrys Fu?gelenke.»Hier ist dein Valentinslied:

>Seine Augen, so grun wie frisch gepokelte Krote

Sein Haar, so schwarz wie Ebenholz

Ich wunscht', er war mein, denn gottlich muss sein

Der die Macht des Dunklen Lords schmolz.<«

Harry hatte alles Gold in Gringotts dafur gegeben, sich auf der Stelle in Luft auflosen zu konnen. Er muhte sich vergeblich zu lachen wie die anderen und rappelte sich auf, Seine Fu?e waren taub vom Gewicht des Zwerges. Unterdessen tat Percy Weasley sein Bestes, um die Schar der Schuler zu zerstreuen, von denen einige zu Tranen geruhrt waren.

»Weitergehen, weitergehen, es hat vor funf Minuten gelautet, ab in die Klassenzimmer jetzt«, sagte er und schubste ein paar der jungeren Schuler mit sanfter Gewalt weiter.»Auch du, Malfoy!«

Harry sah zu Malfoy hinuber und bemerkte, wie er jah innehielt und etwas vom Boden auflas. Hohnisch grinsend zeigte er es Crabbe und Goyle, und Harry erkannte, da? er Riddles Kalender in der Hand hielt.

»Gib das zuruck«, sagte Harry mit ruhiger Stimme.

»Was Potter wohl da reingeschrieben hat?«, sagte Malfoy, der die Jahreszahl auf dem Umschlag offenbar nicht bemerkt hatte und glaubte, es ware Harrys Kalender. Die Umstehenden verstummten. Ginny starrte mit entsetztem Blick abwechselnd auf das Buch und auf Harry.

Percy hob an:»Als Vertrauensschuler -«, doch Harry hatte die Geduld verloren. Er zuckte seinen Zauberstab und rief»Expelliarmus!«Und genau wie Snape Lockhart entwaffnet hatte, mu?te Malfoy zusehen, wie ihm das Buch in hohem Bogen aus der Hand flog. Ron, uber das ganze Gesicht grinsend, fing es auf.

»Harry!«, sagte Percy laut.»Keine Zauberei in den Korridoren. Ich mu? das berichten, das wei?t du!«

Doch Harry war es egal. Er hatte Malfoy eins ausgewischt, und das war die funf Punkte Abzug fur Gryffindor allemal wert. Malfoy sah wutend aus, und als Ginny an ihm vorbei in ihr Klassenzimmer ging, rief er ihr hamisch nach:

»Ich glaube nicht, da? Potter deinen Valentinsgru? besonders gemocht hat!«

Ginny bedeckte das Gesicht mit den Handen und verschwand durch die Tur. Schnaubend zog Ron seinen Zauberstab hervor, doch Harry hielt ihn zuruck. Schlie?lich sollte Ron nicht unbedingt wahrend des ganzen Zauberkunstunterrichts Schnecken spucken.

Erst als sie Professor Flitwicks Klassenzimmer erreicht hatten, bemerkte Harry etwas ziemlich Merkwurdiges an Riddles Kalender. All seine anderen Bucher waren mit scharlachroter Tinte durchtrankt. Der Taschenkalender jedoch war so Sauber, wie er gewesen war, bevor das Tintenfa? daruber zerbrochen war. Er wollte ihn Ron zeigen, doch Ron hatte wieder einmal Probleme mit seinem Zauberstab. Aus der Spitze traten gro?e purpurne Blasen, was Rons Aufmerksamkeit ganz und gar im Bann hielt.

An diesem Abend ging Harry fruher als alle andern zu Bett. Zum einen wurde er es nicht ertragen, Fred und George noch einmal»Seine Augen, so grun wie frisch gepokelte Krote«singen zu horen, zum andern wollte er sich Riddles Kalender genau ansehen, und er wu?te, da? Ron dies fur Zeitverschwendung hielt.

Harry sa? auf seinem Himmelbett und blatterte durch die leeren Seiten. Auf keiner einzigen war auch nur eine Spur scharlachroter Tinte. Dann zog er eine neues Fa?chen aus seinem Nachtschrank, tauchte die Feder hinein und lie? einen Tropfen auf die erste Seite des Tagebuchs fallen.

Eine Sekunde lang leuchtete die Tinte hell auf dem Papier, und dann, als wurde sie in das Blatt hineingesaugt, verschwand sie. Aufgeregt tunkte Harry die Feder ein zweites Mal ein und schrieb:»Mein Name ist Harry Potter.«

Die Worte leuchteten sekundenlang auf dem Blatt und dann verschwanden auch sie spurlos. Dann, endlich, geschah etwas.

Aus dem Blatt heraus drangen, in seiner eigenen Tinte, Worter, die Harry nicht geschrieben hatte.

»Hallo, Harry Potter. Mein Name ist Tom Riddle. Wie kommst du an mein Tagebuch?«

Auch diese Worte verbla?ten, doch nicht bevor Harry zuruckgekritzelt hatte.

»Jemand hat versucht, es ins Klo zu spulen.«

Gespannt wartete er auf Riddles Antwort.