»Was haben Sie vor?«, sagte Lockhart mit matter Stimme.»Ich wei? nicht, wo die Kammer des Schreckens ist. Ich kann nichts tun.«

»Sie haben Gluck«, sagte Harry und zwang Lockhart mit vorgehaltenem Zauberstab aufzustehen.»Wir glauben zu wissen, wo sie ist. Und was drin ist. Gehen wir.«

Lockhart vor sich herschiebend verlie?en sie das Buro und gingen die nachste Treppe hinunter, den dunklen Korridor entlang, wo die Botschaften an den Wanden leuchteten, bis zur Klotur der Maulenden Myrte.

Sie schickten Lockhart als Ersten hinein. Harry sah vergnugt, da? er zitterte.

Die Maulende Myrte sa? auf der Kloschussel in der letzten Kabine.

»Oh, du bist es«, sagte sie, als sie Harry erkannte.»Was willst du diesmal?«

»Dich fragen, wie du gestorben bist«, sagte Harry.

Schlagartig anderte sich Myrtes ganzes Gebaren. Sie sah aus, als ob ihr noch nie jemand eine so schmeichelhafte Frage gestellt hatte.

»Ooooh, das war schrecklich«, sagte sie genu?lich.»Es ist hier drin geschehen. Ich bin in dieser Kabine gestorben. Ich erinnere mich noch so gut daran. Ich versteckte mich, weil Olive Hornby mich wegen meiner Brille hanselte. Die Tur war verriegelt, und ich weinte, und dann horte ich jemanden hereinkommen. Dann wurde etwas Komisches gesagt. Eine andere Sprache mu? es gewesen sein. jedenfalls, was mich wirklich gewundert hat, war, da? ein Junge sprach. Also hab ich die Tur aufgemacht, um ihm zu sagen, er solle gefalligst verschwinden und sein eigenes Klo benutzen, und dann -«Myrte schwoll an und ihr Gesicht glanzte»- dann bin ich gestorben.«

»Wie?«, sagte Harry.

»Keine Ahnung«, sagte Myrte mit gedampfter Stimme.»Ich wei? nur noch, da? ich ein Paar gro?er gelber Augen gesehen habe. Mein ganzer Korper wurde starr und dann bin ich davongeschwebt…«Sie sah Harry traumverloren an.»Und dann kam ich wieder zuruck. Ich war entschlossen, mit Olive Hornby meinen Schabernack zu treiben. Oh, es tat ihr ja so Leid, da? sie jemals uber meine Brille gelacht hatte.«

»Wo genau hast du diese Augen gesehen?«, sagte Harry.

»Irgendwo dort«sie deutete auf das Waschbecken gegenuber.

Harry und Ron sturzten darauf zu. Lockhart hielt sich im Hintergrund, mit einem Ausdruck sprachlosen Entsetzens im Gesicht.

Es sah aus wie ein gewohnliches Waschbecken. Sie untersuchten jeden Zentimeter, innen und au?en, und auch die Rohre darunter. Und dann stutzte Harry: an der Seite eines der kupfernen Wasserhahne war eine winzige Schlange eingekratzt.

»Der Hahn hat nie funktioniert«, sagte Myrte munter, als sie ihn aufdrehen wollten.

»Harry«, sagte Ron.»Sag was. Etwas in der Parselsprache.«

»Aber -«Harry uberlegte fieberhaft. Er hatte immer nur dann Parsel sprechen konnen, wenn er es mit einer echten Schlange zu tun hatte. Er starrte die winzige Gravur an und versuchte sich vorzustellen, es sei eine lebende Schlange.

»Mach auf«, sagte er.

Er sah Ron an, der den Kopf schuttelte.

»Noch mal«, sagte er.

Harry blickte wieder auf die Schlange und versuchte sich einzureden, sie wurde leben. Wenn er den Kopf bewegte, sah es im Kerzenlicht so aus, als wurde sie ein wenig schlangeln.

»Mach auf«, sagte er.

Doch es waren nicht diese Worte, die er horte; ein unheimliches Zischen war ihm entwischt, und sofort ergluhte der Hahn strahlend hell und begann sich zu drehen – kurz darauf begann sich das Waschbecken zu bewegen. Es versank ganzlich in die Wand und gab das Ende eines gro?en Rohres frei, breit genug, damit ein Mensch hindurchrutschen konnte.

Harry horte Ron aufstohnen und sah hoch. Er fa?te einen Entschlu?.

»Ich gehe da runter«, sagte er.

Er konnte jetzt nicht weggehen, nicht jetzt, da sie den Eingang zur Kammer gefunden hatten, nicht, wenn es auch nur den geringsten, unglaublichsten, verrucktesten Hoffnungsschimmer gab, da? Ginny noch lebte.

»Ich auch«, sagte Ron.

Einen Moment lang herrschte Schweigen.

»Nun, Sie scheinen mich wohl kaum zu brauchen«, sagte Lockhart mit dem Schatten seines alten Lachelns auf dem Gesicht.»Ich werde dann -«

Er griff zum Turknopf, doch Ron und Harry richteten ihre Zauberstabe auf ihn.

»Sie werden als Erster gehen«, knurrte Ron.

Wei? im Gesicht und zauberstablos naherte sich Lockhart der Offnung.

»Jungs«, sagte er mit schwacher Stimme. Jungs, was nutzt das?«

Harry stach ihm mit dem Zauberstab in den Rucken. Lockhart steckte die Beine in das Rohr.

»Ich glaube wirklich nicht -«, fing er an, doch Ron gab ihm einen Sto? und er schlitterte davon. Harry folgte ihm rasch. Er stieg ins Rohr hinein und lie? sich hinabgleiten.

Es war, als rauschte er eine endlose, schleimige, dunkle Rutschbahn hinab. Er sah andere Rohre in alle Richtungen abzweigen, doch keines war so dick wie das ihre, das in unendlich vielen Windungen steil abwarts lief, und Harry wu?te, da? es tief hinabging unter die Schule, in Tiefen weit unterhalb der Kerker. Hinter sich konnte er Ron horen, den es in den Biegungen sacht gegen die Wande schlug.

Und dann, gerade als Harry besorgt uberlegte, wie er auf dem Boden aufschlagen wurde, bog sich das Rohr nach oben und lief aus. Mit einem nassen Glubschen kullerte er heraus und landete auf dem feuchten Boden eines dunklen Steintunnels, hoch genug, um darin stehen zu konnen. Harry trat zur Seite, und hinter ihm plumpste Ron aus dem Rohr.

»Wir mussen meilenweit unter der Schule sein«, sagte Harry und seine Stimme hallte im dunklen Tunnel wider.

»Unter dem See wahrscheinlich«, sagte Ron und musterte die glitschigen Wande.

Alle drei drehten sich um und starrten in die Dunkelheit vor ihnen.

»Lumos!«, murmelte Harry seinem Zauberstab zu und der begann wieder zu leuchten.»Weiter geht's«, sagte er zu Ron und Lockhart und sie gingen los, ihre Schritte klatschten laut auf dem nassen Boden.

Im Tunnel war es so dunkel, da? sie nur ein paar Meter weit sehen konnten. Im Licht des Zauberstabs wirkten ihre Schatten an den Wanden wie Riesen.

»Nicht vergessen«, sagte Harry, wahrend sie vorsichtig weitergingen,»wenn sich irgendwas bewegt, gleich die Augen schlie?en…«

Doch der Tunnel war still wie ein Grab, und das erste unerwartete Gerausch, das sie horten, war ein lautes Knirschen, als Ron auf etwas trat, das sich als Rattenschadel herausstellte. Harry richtete den Zauberstab auf den Boden und sah, da? er ubersat war mit kleinen Tierknochen. Angestrengt versuchte er, den Gedanken zu vertreiben, wie Ginny wohl aussehen wurde, wenn sie sie fanden, und fuhrte die anderen weiter durch eine dunkle Biegung des Tunnels.

»Harry – da oben ist etwas -«, sagte Ron heiser und packte Harrys Schulter.

Sie erstarrten und sahen nach oben. Harry konnte den Umri? von etwas Riesigem und Rundem sehen, das quer im Tunnel lag. Es bewegte sich nicht.

»Vielleicht schlaft es«, flusterte er mit einem Blick zuruck auf die andern beiden. Lockhart hatte die Hande auf die Augen gepre?t. Harry wandte sich wieder um und blickte zu dem Wesen empor, und sein Herz schlug so schnell, da? es schmerzte.

Sehr langsam, mit erhobenem Zauberstab, die Augen zu winzigen Schlitzen verengt, schlich Harry sich weiter vor.

Das Licht huschte uber eine gigantische Schlangenhaut von leuchtend giftgruner Farbe, die zusammengerollt und leer quer uber dem Tunnelboden lag. Das Geschopf, das sie abgeworfen hatte, mu?te mindestens sieben Meter lang sein.

»Ich fa? es nicht«, sagte Ron matt.

Plotzlich bewegte sich etwas hinter ihnen. Gilderoy Lockharts Knie hatten nachgegeben.

»Stehen Sie auf«, sagte Ron scharf und richtete den Zauberstab auf Lockhart.

Lockhart rappelte sich hoch – und dann hechtete er auf Ron zu und schlug ihn zu Boden.

Harry sprang vor, doch zu spat – Lockhart erhob sich keuchend, Rons Zauberstab in der Hand und ein strahlendes Lacheln im Gesicht.

»Schlu? mit lustig, Jungs!«, sagte er.»Ich nehme ein Stuck von dieser Haut nach oben und sag ihnen, es sei zu spat gewesen, um das Madchen zu retten, und da? ihr beide angesichts ihres zerfleischten Korpers tragischerweise den Verstand verloren hattet – sagt eurem Gedachtnis Adieu!«