Bolitho wu?te nicht genau: meinte er Straflinge oder Matrosen — oder machte er da keinen Unterschied? Er entgegnete:»Auf alle Falle sind es Manner, Sir, und ich verachte keinen, nur weil er nicht dieselben Uberzeugungen hat wie ich.»

Pomfret musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.»Dann sind Sie ein noch gro?erer Narr, als ich dachte. «Er beugte sich vor, um seinen Worten starkeres Gewicht zu verleihen.»Sie befehligen keine Fregatte mehr, Bolitho. Unter meiner Aufsicht werden Sie lernen, Ihre Pflicht so zu tun, wie es sich fur den Kommandanten eines Vierundsiebzigers gehort — verstanden?»

«Jawohl, Sir. «Bolitho blickte ihn unbewegt an.»Aber bisher war ich allein und handelte, wie ich es fur richtig hielt. Wir haben die Manner der Fairfax wieder, und vielleicht auch bald die Schaluppe.»

Pomfret trocknete sich das Gesicht mit einem seidenen Tuch.»Haben Sie auch die Offiziere der Fairfax!»

«Nein, Sir. Die Franzosen hatten sie bereits nach Norden transportiert, um sie eventuell auszutauschen.»

«Schade«, antwortete Pomfret mit einem abwesenden Nicken.»Ich hatte die Dummkopfe vors Kriegsgericht gestellt, weil sie sich das Schiff mit einem so bloden Trick wegnehmen lie?en. Aber im Moment habe ich andere Sorgen. «Er blatterte in einigen Papieren.»Ich werde Lord Hood uber die derzeitige Situation berichten, und inzwischen wollen wir auf dieser makabren Insel eine richtige Garnison aufbauen. «Herausfordernd blickte er in Bolithos ernstes Gesicht.»Sie sieht ja aus wie der nutzloseste Fleck der Erde!»

«Die Insel hat einen guten Hafen, Sir. Es gibt auch noch ein altes Dorf, wo fruher die Straflinge untergebracht waren. Aber das ist jetzt zerfallen. Die Festung haben Sie gesehen, und.»

Stirnrunzelnd unterbrach ihn Pomfret:»Sie konnen Ihre Seesoldaten wiederhaben. Die Armee ubernimmt jetzt die Insel, unter meinem Kommando naturlich.»

Naturlich, dachte Bolitho wutend.»Und meine Segelorder, Sir?»

Pomfret gahnte.»Fanshawe gibt sie Ihnen umgehend, sonst hol' ihn der Teufel. Sie werden unverzuglich nach Gibraltar segeln und meine Anordnungen wortlich genau ausfuhren!«Er ignorierte Bo-lithos uberraschte Miene.»Ich befehligte einen Konvoi von Straflingstransportern, als das hier losging. Sie werden ihn herbringen.»

«Aber was wird aus St. Clar, Sir?«Es war Bolitho, als wurde die Kajute druckend eng.

«St. Clar steht immer noch, wenn Sie zuruckkommen, Bolitho. «Es klang wie eine Zurechtweisung.»Lord Hood hat mir hier das Oberkommando ubertragen und mir damit freie Hand gegeben, um aus diesem ziemlich unbefriedigenden Anfang einen vollen Erfolg zu machen!»

Steif stand Bolitho auf.»In Gibraltar — sind das Versorgungsschiffe, Sir?»

«Zum Teil. Aber das alles steht in Ihrer Order. Seien Sie unbedingt in Gibraltar, bevor der ganze Konvoi abgesegelt ist. Sonst ware ich gar nicht erfreut, kann ich Ihnen versichern!«Und als Bolitho sich zum Gehen anschickte, fugte Pomfret noch hinzu:»Ich habe mich um dieses Kommando nicht beworben, Bolitho. Aber nun, da ich es habe, werde ich es auch erfolgreich zu Ende fuhren, und wer mir dabei Schwierigkeiten macht, kriegt Arger. So wahr mir Gott helfe!«Er hatte mit gro?er Entschiedenheit gesprochen, aber auf einmal schien er genug von diesem Gesprach zu haben.»Anschlie?end werde ich Ihren Bericht lesen und sehen, was er taugt. Ich nehme an, Sie wollen Ersatz fur Ihren toten Leutnant?»

«Jawohl, Sir.»

«Schon, sprechen Sie mit dem Flottenkommandanten in Gibraltar. Dazu haben Sie meine Erlaubnis.»

Bolitho verschluckte seine Erwiderung. Erstaunlich, wie die Beforderung einen Menschen bis zur Uberheblichkeit verandern konnte. Er sagte nur:»Dann werde ich sofort Anker lichten, Sir. «Noch in der Tur horte er Pomfret ihm nachrufen:»Sie haben meine Befehle jederzeit wortgetreu auszufuhren!»

Kapitan Dash erwartete Bolitho bei der Fallreepspforte, eine Menge Fragen im Gesicht.»Na, Bolitho, ist er der Mann, an den Sie sich erinnerten?»

Bolitho starrte zu den schlanken Masten der Hyperion hinuber.»Genau der. «Und mit einem Blick nach unten zu der wartenden Gig:»Ich glaube, wir haben eine interessante Zeit vor uns.»

Eine knappe Stunde nach der kurzen Besprechung bei Konteradmiral Pomfret hatte die Hyperion bereits Anker gelichtet, und ihr Bugspriet strebte wieder der fernen, lockenden Kimm zu. Die Besatzung mu?te glauben, ein Fluch laste auf dem Schiff, es sei dazu verdammt, ewig zu segeln, bis die Planken verrotteten und die Manner ins Meer fielen. Da? auf einmal so viele Schiffe vor Cozar lagen und sogar Infanterie auf der Insel war, hatte gro?es Interesse erregt: die Matrosen der Hyperion waren sogar irgendwie stolz darauf gewesen, als hatten sie dadurch, da? sie allein nach St. Clar gesegelt waren und tollkuhn dicht am Feind geankert hatten, diese ganze Operation in Gang gesetzt.

Als jedoch» Klar zum Ankerlichten «gepfiffen wurde und As h-bys Marine-Infanteristen betrubt von der Festung wieder an Bord stampften, fiel die aufgeflammte Begeisterung in sich zusammen und verwandelte sich in Verwirrung und Enttauschung.

Doch wenigstens brauchten die Offiziere der Hyperion nicht standig neue Tricks zu erfinden, um die Mannschaft auf der Ruckreise nach Gibraltar zu beschaftigen. Trotz des klaren Himmels frischte der Wind erheblich auf, sobald sie Cozar zuruckgelassen hatten. Wahrend das alte Schiff stampfend seinen Weg nach Sudsudwest nahm und die Sudkuste von Spanien umrundete, lag es manchmal so hoch am Wind, da? es ihn fast von vorn hatte und muhsam gegenan kreuzen mu?te. Tag um Tag ging es so, ohne Atempause. Kaum waren die Manner von den Masten herunter und zu einer kurzen Rast im Logis, da gellte schon wieder der Ruf:»Alle Mann an Deck!«und» Aufentern zum Segelkurzen!»

Nicht da? es unter Deck viel Erholung gab. Die Stuckpforten waren wegen des peitschenden Spritzwassers abgedichtet, und der Gestank nach Bilgewasser und hastig geschmortem Essen konnte aus dem engen Logis nicht abziehen. Die Hyperion wurde mit dem kurzen, knuppeligen Seegang schlecht fertig. Das monotone Quietschen der Lenzpumpen tonte so regelma?ig und unaufhorlich durchs Schiff, da? man es gar nicht mehr bemerkte, bis es beim Wachwechsel auf kurze Zeit verstummte.

Am Morgen des zehnten Tages lief das Schiff dankbar in die Reede unterhalb des Felsens von Gibraltar ein; die Mannschaft war zu erschopft und niedergeschlagen, um sich uber Reisezweck oder Zukunft Gedanken zu machen.

Reglos sa? Bolitho in der Kajute. Die feucht an ihm klebende Kleidung widerte ihn an, aber er war zu mude, um aufzustehen. Ihm war, als sei er wahrend der ganzen Reise nie langer als funf Minuten unter Deck gewesen, und in der eleganten Kajute fuhlte er sich deplaciert und schmutzig. Die vier Leutnants, die das Schiff noch besa?, waren diensteifrig genug gewesen, aber ihnen fehlte jede Erfahrung mit schwierigem Wetter. Bolitho war uberzeugter denn je, da? Kapitan Turner die eigentliche Schiffsfuhrung nie jemand anderem als Quarme oder Gossett anvertraut hatte; jetzt wurden die Resultate dieser Einseitigkeit schmerzhaft deutlich.

Rooke trat ein und meldete mude:»Signal von der Fregatte Har-vester, Sir. Hat Depeschen fur Sie. «Seine Stimme war tonlos vor Erschopfung. Er schwankte, ri? sich aber unter Bolithos prufendem Blick zusammen. Starker als seine Kameraden war er sich seiner Unzulanglichkeit bewu?t, und diesmal konnte er keinem anderen die Schuld zuschieben.

Bolitho erhob sich muhsam aus dem Sessel und trat ans Heckfenster. Durch die salzverkrustete Scheibe konnte er die Fregatte vor Anker liegen sehen. Ihr roter Wimpel hob sich leuchtend gegen den Felsen ab. Ihm schien, als hatte sie sich seit damals, als er nach seiner Ankunft aus England von Bord gegangen war, uberhaupt nicht vom Fleck geruhrt. War es wirklich erst zwei Monate her? Ihm kam es so lange vor wie ein ganzes Leben.

Knapp zwei Kabellangen vor der Fregatte lagen die drei schweren Transporter und eine kleine, tanzelnde Achtzehner-Schaluppe. Wieder fielen ihm Pomfrets Befehle ein. Er hatte sie dutzende Male durchgelesen, und sie waren ihm die ganze Zeit nicht aus dem Kopf gegangen, auch als er sein Schiff in die kreischende Holle aus Wind und Gischt hineintrieb. Nun, alle an Bord wurden sie bald genug zu horen bekommen, dachte er mude. Mit einem Mann wie Pomfret stellte man sich am besten von Anfang an auf den richtigen Fu?.