»Unser Excelsior. Quartiere fur Admirale und ihre Stabe, wenn welche an Bord kommen. Augenblicklich laufen wir nicht unter voller Besatzung, wir haben also allen Platz der Welt. Die weiblichen Teilnehmer der Expedition sind in Flaggland untergebracht, die mannlichen im Offiziersland. Darf ich?« Er ging an ihr vorbei und stie? eine weitere Tur auf. »Eigenes Bad und WC.«
»Ich bin beeindruckt.«
Die Soldaten trugen ihr Gepack herein.
»Es gibt eine kleine Bar unter dem Fernseher«, sagte Peak. »Nichtalkoholisch. Reicht Ihnen eine halbe Stunde, bis ich Sie zu einem Rundgang abhole?«
»Vollauf.«
Crowe wartete, bis er die Tur hinter sich geschlossen hatte. Hastig ging sie auf die Suche nach einem Aschenbecher. Sie fand ihn in einem Sideboard, wurstelte sich aus dem Overall und kramte nach den Zigaretten in ihrer Sportjacke. Erst als sie dem zerdruckten Packchen eine entnommen, sie angezundet und den ersten Zug inhaliert hatte, fuhlte sie sich wieder wie ein vollstandiger Mensch.
Paffend sa? sie auf der Bettkante.
Eigentlich war es traurig. Zwei Packchen am Tag waren verflucht traurig, und auch, dass sie nicht aufhoren konnte.
Zweimal hatte sie es versucht. Zweimal nicht geschafft.
Vielleicht wollte sie es auch einfach nicht schaffen.
Nach der zweiten Zigarette ging sie unter die Dusche. Anschlie?end schlupfte sie in Jeans, Turnschuhe und Sweatshirt, rauchte noch eine und schaute in samtliche Schubladen und Schranke. Als es klopfte, hatte sie das Innenleben ihrer Kabine so grundlich studiert, dass sie eine vollstandige Inventarliste hatte anfertigen konnen. Sie wusste eben einfach gern Bescheid.
Vor der Tur stand nicht Peak. Es war Leon Anawak.
»Ich sagte doch, wir sehen uns wieder«, grinste er.
Crowe lachte.
»Und ich sagte, Sie finden Ihre Wale wieder. Schon, Sie zu sehen, Leon. Der Mann, dem ich mein Hiersein verdanke, richtig?«
»Wer sagt das?«
»Li.«
»Ich glaube, Sie waren auch ohne mich hier. Aber ich hab ein bisschen nachgeholfen. Sie mussen wissen, ich habe von Ihnen getraumt.«
»Meine Gute!«
»Keine Bange, Sie erschienen mir als guter Geist. Wie war der Flug?«
»Rumpelig. Ich bin die Letzte, was?«
»Wir anderen sind schon in Norfolk an Bord gegangen.«
»Ja, ich wei?. Aber ich kam einfach nicht weg aus Arecibo. Man soll’s nicht glauben, aber es kann auch Arbeit machen, ein Projekt nicht zu betreiben. SETI ist erst mal eingemottet. Im Moment hat keiner Geld, um den Weltraum nach grunen Mannchen abzusuchen.«
»Wir werden vielleicht mehr grune Mannchen finden, als uns lieb ist«, sagte Anawak. »Kommen Sie. Peak wird in einer Minute hier sein. Wir zeigen Ihnen, was die Independence alles drauf hat. Danach sind Sie dran. Alle sind sehr gespannt. Ihren Spitznamen haben Sie ubrigens schon weg.«
»Meinen Spitznamen? Wie hei?e ich denn?«
»Miss Alien.«
»Du lieber Himmel. Eine Zeit lang nannten mich alle Miss Foster, nachdem Jodie mich in diesem Film gespielt hat.« Crowe schuttelte den Kopf. »Na ja, warum nicht? Hab ich meine Autogrammkarten eingesteckt? Gehen wir, Leon.«
Peak fuhrte sie durch die Welt von LEVEL 02. Sie hatten ihre Wanderung im Vorschiff begonnen und bewegten sich nun wieder in Richtung Mitte. Crowe hatte den riesigen Fitness-Raum im Bug bewundert, vollgestellt mit Laufbandern und Kraftmaschinen und so gut wie leer.
»Normalerweise herrscht hier enormes Gedrange«, sagte Peak. »Die Independence bietet Quartier fur dreitausend Mann. Jetzt sind wir nicht mal 200 Leute an Bord.«
Sie spazierten durch den Wohntrakt der jungeren Offiziere, Abteilungen fur je vier bis sechs Mann, mit bequemen Kojen, reichlich Stauraum, Klapptischen und Stuhlen.
»Gemutlich«, sagte Crowe.
Peak zuckte die Achseln.
»Ansichtssache. Wenn auf dem Dach richtig Betrieb ist, bekommen Sie so schnell kein Auge zu. Wenige Meter uber Ihnen starten und landen Helikopter und Jets. Die gro?ten Probleme haben wir naturlich mit den Neulingen. Zu Anfang sind alle vollkommen ubermudet.«
»Und wann gewohnt man sich an den Krach?« »Nie. Aber man gewohnt sich daran, nicht mehr durchzuschlafen. Ich war mehrere Male auf einem Trager, jedes Mal monatelang. Nach einer Weile ist es ganz normal, in einer Art standiger Bereitschaft dazuliegen. Dafur verlernen Sie, in Ruhe zu schlafen. Die erste Nacht zu Hause ist die Holle. Sie warten auf das Brullen von Turbinen, das Aufknallen von Fahrwerk und Befestigungshaken, das Rumrennen in den Gangen, die standigen Durchsagen, aber stattdessen tickt nur irgendwo ein Wecker.«
Vorbei an der riesigen Messe gelangten sie mittschiffs an ein Schott mit Zahlenschloss. Dahinter lag ein gro?er, abgedunkelter Raum. Es war der erste Bereich, den Crowe bevolkert sah. Vor Konsolen mit blinkenden Lampchen sa?en Manner und Frauen und starrten auf Gro?bildschirme, die sich entlang der Wande aneinander reihten.
»Auf LEVEL 02 finden sich die meisten Befehls— und Fuhrungsraume«, erklarte Peak. »Fruher war alles im Inselaufbau untergebracht, aber so was birgt Risiken. Die Sucher feindlicher Raketensysteme schalten sich meist auf die hei?esten und gro?ten Strukturen eines Schiffes. Dazu gehort naturlich auch die Insel. Ein paar Treffer, und es ist, als ob Ihnen einer den Kopf von den Schultern schie?t, also haben wir einen Gro?teil der Kommandoraume unters Dach verlegt.«
»Dach?«
»Navy-Sprache. Das Flugdeck.«
»Und was genau tun Sie hier?«
»Nun, dieser Raum ist das CIC …«
»Ach ja. Das Combat Information Center.«
Die Augen in dem schmalen Ebenholzgesicht blitzten kurz auf. Crowe lachelte und nahm sich vor, fortan den Mund zu halten.
»Das CIC ist das Nervenzentrum unserer Sensorik«, sagte Peak. »Samtliche Daten laufen in diesem Raum zusammen, schiffseigene Systeme, Satelliten, alles in Echtzeit, versteht sich. Luft— und Schiffsabwehr, Schadenbehebung, Kommunikation … im Gefechtsfall ist hier der Teufel los. Die leeren Platze dort druben, ich schatze, da werden Sie viel Zeit verbringen, Dr. Crowe.«
»Samantha. Oder einfach Sam.«
»Von dort schauen und horchen wir unter Wasser«, fuhr Peak fort, ohne auf ihr Angebot einzugehen. »U-Boot-Uberwachung, SOSUS Sonarnetz, Surtass LFA und Verschiedenes mehr. Was immer sich der Independence nahert, wir bekommen es mit.« Peak zeigte auf einen riesigen Monitor unter der Decke. Ein Patchwork von Diagrammen und Karten war darauf zu sehen. »Das Big Picture. Es fasst alle Daten zusammen, die im Schiff auflaufen, und erstellt ein Panorama. Das Gleiche sieht der Skipper auf den Monitoren der Brucke in verkleinerter Form.«
Peak fuhrte sie weiter durch die angrenzenden Raume. Fast alle lagen im Dammerlicht, nur erleuchtet durch Gro?schirmanzeigen, Monitore und Displays. An das CIC schloss sich das LFOC an, das Landing Force Operations Center. »Es fungiert als Einsatzzentrale fur Landungstruppen. Jede Gefechtseinheit verfugt uber ihre eigene Konsole. Satellitenaufnahmen und Aufklarungsflieger zeigen im Ernstfall die Position feindlicher Brigaden an.« Unuberhorbar schwang Stolz in Peaks Stimme mit. »Im LFOC lassen sich blitzschnell Truppen verschieben und Strategien entwickeln. Der Zentralcomputer verbindet den Kommandeur zu jeder Zeit mit seinen Einheiten vor Ort.«
Auf einigen Bildschirmen erkannte Crowe das Flugdeck. Eine Frage drangte sich auf, die Peak vielleicht sauer aufsto?en wurde, aber sie stellte sie trotzdem: »Was nutzt uns das alles, Major? Unser Feind sitzt in der Tiefsee.«
»Richtig.« Peak sah sie irritiert an. »Dann werden wir von hier aus eben Tiefseeoperationen leiten. Wo ist das Problem?«
»Ich bitte um Verzeihung. Ich war wohl zu lange im Weltraum.«
Anawak grinste. Er hatte sich bisher jeden Kommentars enthalten und trottete einfach mit. Crowe empfand es als wohltuend, ihn dabeizuhaben. Peak zeigte ihnen weitere Kontrollraume. Dem CIC benachbart lag das JIC, das Joint Intelligence Center.