«Ist klar, Sir!«rief Partridge.

«Hart Steuerbord!«Bolitho richtete das Glas auf den Spanier. Soweit er ausmachen konnte, war dort noch alles ruhig.

«Ruder liegt hart Steuerbord, Sir!»

Die Vorsegelschoten waren bereits los, das Ruder wirbelte, und das machtige Heck drehte ganz langsam durch den Wind, die Manner holten, weit zuruckgebeugt, keuchend und fluchend, von Keverne noch mehr angetrieben, die Brassen dicht. Brausend fullten sich die Segel, und als das Schiff noch weiter drehte, wurde es auf der Kam-panje des Spaniers plotzlich lebendig. Ein Offizier schwenkte wild die Arme und rief seine Matrosen herbei, die sich noch am Bug zusammendrangten.

«Schoten und Halsen los!»

Bolitho beschattete die Augen und spahte durch das Gewirr killender Segel und peitschender Schoten nach oben, wo sich die Matrosen bereits zu den Bramrahen hinaufkampften, um fur die nachste Phase des Angriffs bereit zu sein. Sekundenlang wagte er kaum zu atmen. Der Wind war immer noch ziemlich stark und konnte, wenn es ganz schlimm kam, die Maststengen abrei?en und das schwere Schiff hilflos machen.

Aber der Windstander sprang um, das Schiff reagierte und drehte durch den Wind wie ein gut dressiertes Mammut.

«Hol dicht!«Keverne hatte die Manner an Deck nicht aus den Augen gelassen.»Uuuund — dicht!»

Langsam, aber gleichma?ig reagierten die machtigen Rahen auf den Zug der Brassen; es klang wie Donner im Gebirge, als die Segel sich auf dem neuen Bug fullten, wahrend das Deck sich nach der anderen Seite uberlegte.

Gespannt beobachtete Bolitho das spanische Schiff. Durch das Gewirr der Fockwanten betrachtet, sah es aus, als schwimme es im Bogen nach ruckwarts, bis es nicht mehr unerreichbar an Backbord, sondern wunderschon Steuerbord voraus lag.

Von dem Boot und dem Schwimmer war nichts zu sehen. Hoffentlich, so hatte Bolitho gerade noch Zeit zu denken, hielt jemand nach ihnen Ausschau.

«Geben Sie durch, Mr. Keverne: untere Batterie ausrennen!»

Die Stuckpforten flogen auf, drohend knarrten und quietschten die Geschutzschlitten; er konnte sich vorstellen, wie die Manner tief unter seinen Fu?en fluchten und keuchten, wahrend sie die schweren Kanonen die Schraglage hinauf und ans Sonnenlicht zerrten.

«Flagge zeigen, Mr. Tothill!»

Er horte Broughtons Stimme und fuhr herum.»Das war ja eine kuhne Wende, Bolitho! Ich dachte schon, Sie rei?en ihr die Masten aus. «Er war in seinem goldbetre?ten Rock an Deck gekommen, den wunderbaren Degen an der Seite, wie zur Geschwaderinspektion.

Ein dumpfer Knall, und eine Rauchwolke trieb von der Kampanje des Spaniers ab. Die mu?ten ein geladenes Geschutz in Bereitschaft gehabt haben, dachte Bolitho; aber er konnte nicht sehen, wohin die Kugel ging.

«Bramsegel setzen, Mr. Keverne! Der will uns entwischen!»

Beide Schiffe lagen jetzt auf Parallelkurs, die Euryalus etwa zwei Kabellangen achteraus.

Noch ein Knall; jemand schnappte vor Schreck nach Luft, denn eine Kugel fuhr durch das Fockmarssegel und platschte weit in Luv ins Meer.

Das spanische Schiff hatte ein stark gerundetes Heck, und Bolitho rechnete damit, da? dort ein paar kraftige Kanonen montiert waren, um Verfolger abzuwehren.

«Noch langer zu warten, hat keinen Sinn«, knurrte Broughton.

Bolitho nickte. Jeden Moment konnte eine Kugel eine lebenswichtige Spiere herunterrei?en.»Mittlere Batterie, Mr. Keverne. Einzelfeuer!«Und zu Partridge:»Luven Sie noch einen Strich weiter an!»

Die Euryalus drehte etwas von ihrem Opfer ab, und vom mittleren Geschutzdeck stiegen braune Rauchwolken hoch. Von vorn nach achtern, alle zwei Sekunden, krachte ein schwerer Vierund-zwanzigpfunder und glitt nach binnenbords zuruck, wenn die gluhende Zunge des Mundungsfeuers herausgefahren war.

Bolitho beobachtete die aufspringenden Wassersaulen, die an und hinter dem Achterdeck des Spaniers lagen; aber mehrere Kugeln hatten auch getroffen: splitternd flogen Holzteile von der Schanz hoch. Von unten klang das Triumphgeschrei der Kanoniere herauf, und das wutende Quietschen der Geschutzschlitten, denn die Bedienungen wetteiferten miteinander, um die Kanonen wieder auszufahren. Ke-verne sah Bolitho an, die Augen dunkel vor Spannung und Erregung.»Sie streicht die Flagge nicht, Sir.»

Bolitho bi? sich auf die Lippe. Die rot-gelbe spanische Flagge wehte noch uber der Kampanje, schon wieder krachte ein Geschutz, und eine Kugel flog kreischend wie eine gemarterte Seele in der Holle dicht uber die Masten der Euryalus hinweg.

Er hatte erwartet, da? sich der Spanier beim Anblick der britischen Flagge ergeben wurde. Es war etwa eine Kabellange Distanz zwischen ihnen, und mit ihren gut ziehenden Bramsegeln holte die Euryalus in jeder Minute mehr auf.

Dann sah er die Jolle schwarz gegen die glitzernde See; die Ruderer, und Williams hoffentlich auch, standen aufrecht und schrien hurra zu dieser einseitigen Schlacht.

Wieder spuckte die Achterdecksbatterie des Spaniers hellrote Flammen; diesmal hatten drei, vielleicht vier Kanonen gefeuert; und ehe sich der Rauch verzogen hatte, spurte Bolitho, wie das Deck unter seinen Fu?en zuckte: eine Kugel war wie ein Hammer in den Rumpf der Euryalus eingeschlagen.

«Einen Strich anluven, Mr. Partridge!«Was tat dieser Narr von einem Spanier? Es war absoluter Irrsinn, noch weiterzukampfen. Lief er weiter vorm Wind, mu?te die Euryalus ihn uberholen. Drehte er ab, konnte er in Sekundenschnelle entmastet und das Heck zerschmettert sein.

Wieder blitzte es; und diesmal pflugte eine Kugel in den Steuerborddecksgang. Zwei Matrosen rollten schreiend und um sich schlagend an Deck, von herumfliegenden Splittern niedergestreckt.

«Untere Batterie, Mr. Keverne«, sagte Bolitho. Er hielt inne und blickte auf die trotzige Flagge. Wurde sie…»Breitseite!«stie? er wutend hervor.

Die beiden unteren Geschutzdecks hatten reichlich Zeit gehabt. In aller Ruhe hatten die Geschutzfuhrer ihre Bedienungen mustern und einweisen konnen, die Leutnants waren auf und ab geschritten und hatten durch die offenen Geschutzpforten gespaht, wahrend sich die Euryalus wurdevoll etwas vom Gegner abgedreht und die Doppelreihe ihrer Geschutze wie schwarze Zahne gebleckt hatte. Dann pfiffen die Leutnants» Feuer«, die Geschutzfuhrer zogen die Rei?leinen ab, alle Rohre brullten gleichzeitig auf, und das ganze Schiff erzitterte, als sei es knirschend auf ein unter Wasser liegendes Riff gelaufen.

Vom Achterdeck aus beobachtete Bolitho, wie der Rauch zu dem Spanier hinubertrieb und sah dort den Besanmast wanken und uber die

Kampanje sturzen; er horte das Krachen und Brechen trotz des Widerhalls der Breitseite, der noch wie Donner uber die See rollte.

Als sich der Rauch verzogen hatte, sah er auch die klaffenden Locher im Rumpf langs des Achterdecks, die herabhangende Masse der zerfetzten Takelage und gebrochenen Spieren. Trunken schwankte das Schiff im Wind; das hohe Heck bot sich dem letzten vernichtenden Schlage dar.

Doch da gellte eine Stimme:»Sie streicht die Flagge!«Und das Triumphgeschrei wurde von den unteren Decks aufgenommen, wo die Geschutzbedienungen schon wieder die Rohre ausputzten und fur die nachste Breitseite luden.

«Ein tapferer Kommandant«, sagte Bolitho.

«Ein Dummkopf!«Broughton spahte zu dem spanischen Schiff hinuber, das hilflos unter Rauchwolken dahintrieb — vor kurzem noch so zuversichtlich und lebensvoll, jetzt ein mitleiderregendes Wrack.

«Wir nehmen gleich Segel weg, damit sie in Lee von uns bleibt, Mr. Keverne. «Bolitho wartete ab, bis Keverne die entsprechenden Befehle gegeben hatte, und sagte dann:»Jetzt werden wir vielleicht herausbekommen, warum der Mann sich so verzweifelt gewehrt hat — er mu? ja etwas ganz Wichtiges an Bord haben!»