England Arrest und Gerichtsverfahren. Dafur wurden Draffens Freunde schon sorgen.
Bolitho wandte sich um und sah Pascoe bei den Neunpfundern stehen, einen Fu? auf einem Poller. Der Junge starrte auf den Feind und sah ihn nicht.
Bolitho sagte zu Keverne:»Wenn es irgend geht, brechen wir bei den spanischen Schiffen durch. Sie sind die Schwachpunkte, das kenne ich.»
Keverne beobachtete die Zeus. »Und Captain Rattray, Sir?»
«Der wird nach eigenem Ermessen handeln«, sagte Bolitho ernst. Rattray mit seinem Bulldoggengesicht wurde schon von selbst angreifen; der brauchte keine Aufforderung. Jetzt war nur eins wichtig: sie mu?ten das franzosische Flaggschiff so lange von den anderen Schiffen trennen, da? sie durch die Schlachtordnung brechen und sich in Luv den Windvorteil verschaffen konnten. Und dann hie? es: Jeder fur sich, so gut er konnte.
Vizeadmiral Broughton trat in die Sonne hinaus und nickte den Offizieren auf dem Achterdeck kurz zu. Etwas langer musterte er die Lee-Formation — zweifelnd, besorgt.»Schlachtenlarm kann ich ertragen«, sagte er,»aber das Warten ist eine Qual.»
Nachdenklich sah Bolitho ihn an. Er schien ruhiger geworden zu sein. Oder war es Resignation? Der Admiral trug seinen schonen Galadegen, und unter dem Uniformrock leuchtete das scharlachrote Band des Bath-Ordens. War er so verzweifelt, da? er sich irgendeinem franzosischen Scharfschutzen absichtlich als Ziel anbot? Plotzlich tat er Bolitho leid. Vorwurfe und Anklagen waren jetzt sinnlos. Der Mann sah sein Geschwader und alle seine stolzen Hoffnungen in den fast sicheren Untergang segeln.
«Wollen Sie nicht ein bi?chen auf und ab gehen, Sir Lucius? Ich finde, es lockert die Spannung«, fragte Bolitho.
Ohne Widerspruch fiel Broughton neben ihm in Gleichschritt, und wahrend sie langsam auf und ab spazierten, sprach Bolitho gelassen weiter:»Die Mitte der Formation ist die gunstigste Stelle, Sir. Zwei spanische Vierundsiebziger.»
Broughton nickte.»Ja, ich habe sie gesehen. Dahinter fahrt der Stellvertreter des Admirals. «Plotzlich blieb er stehen und fragte irritiert:»Wo, zum Teufel, steckt die Coquette?»
«Sie repariert ihre Schaden, Sir. Auch die Auriga ist beschadigt — Fock und Besan. Beide konnen uns jetzt nicht viel nutzen.»
Broughton blickte ihm sekundenlang starr in die Augen.»Werden unsere Leute kampfen?«Er hob wie beschworend die Hand.» Wirklich kampfen, meine ich?»
Unwillig wandte Bolitho sich ab.»In dieser Hinsicht brauchen Sie keine Angst zu haben. Ich kenne sie und.»
«Und sie kennen Sie«, erganzte Broughton.
«Jawohl, Sir.»
Als er wieder hinsah, stand die feindliche Linie zu beiden Seiten des Bugs, so da? die ganze Kimm von einer Wand aus Segeln verdeckt schien. Jeden Moment konnte der franzosische Admiral jetzt begreifen, was sie vorhatten, und dann waren sie geschlagen, ehe sie auch nur einen Treffer angebracht hatte. Hatten sie mehr Zeit gehabt oder noch besser die Beweglichkeit und Selbstandigkeit, die ihnen durch Broughtons sture Fuhrung versagt geblieben war, so hatten sie Rattray und den anderen irgendein Scheinsignal geben konnen; und dann hatte der Feind angenommen, sie wurden jetzt halsen und in dem starren, alten, bei so vielen noch beliebten traditionellen Stil angreifen. Aber da sie dergleichen noch nie exerziert hatten, konnte ein falschverstandenes Signal den schon nicht sehr kampfstarken Verband in verhangnisvollster Weise durcheinanderbringen.
Es sei denn. Bolitho sah Broughton von der Seite an. Er hatte eine Idee.
«Darf ich vor dem Angriffssignal ein generelles Signal vorschlagen, Sir?«Ein Muskel zuckte auf Broughtons Hals, aber er sah den ansegelnden Schiffen unbewegt und stumm entgegen. Doch Bolitho lie? nicht locker.»Ein Signal von Ihnen, Sir.»
«Von mir?«Broughton wandte den Kopf und sah ihn uberrascht an.
«Sie sagten vorhin, da? die Leute mich kennen, Sir. Aber es ist auch mein Schiff, und sie verstehen meine Art, wie ich versucht habe, ihre Art zu verstehen. «Er deutete auf die Zeus. »Doch alle diese Schiffe sind Ihre Schiffe, Sir, und die Leute mussen sich heute auf Sie verlassen.»
Broughton schuttelte den Kopf.»So etwas kann ich nicht.«»Darf ich etwas sagen, Sir?»
Das war Calvert.»Dieses Signal mu?te lauten: >Ich vertraue auf euch!<«Er wurde rot, denn Keverne trat rasch auf ihn zu und schlug ihm auf die Schulter.»Bei Gott, Mr. Calvert, ich hatte nicht gedacht, da? Ihnen so was einfallen wurde!»
Broughton leckte sich die Lippen.»Wenn Sie tatsachlich glauben…»
Bolitho nickte Tothill zu.»Ja, das glaube ich, Sir. Stecken Sie das an, Mr. Tothill, und hissen Sie es sofort. Wir haben wenig Zeit.»
Mehrere Offiziere der Zeus beobachteten mit blinkenden Teleskopen die Reihe Flaggen, die da auf einmal an der Rah der Euryalus flatterte.
Doch er fuhr herum, denn plotzlich erzitterte die Luft im Donner der Kanonen. Das franzosische Flaggschiff hatte das Feuer eroffnet — ein Rohr nach dem anderen spuckte gelbrote Flammen, eine langsame Breitseite auf das ansegelnde Geschwader. Da es auf diagonalem Kurs lag, gingen die meisten Geschosse fehl; er sah sie durch die Wellenkamme fliegen und weit hinter der Lee-Formation Fontanen aufwerfen. Wie dicker brauner Nebel rollte der Qualm ab, bis von der Zeus nur noch die Mastspitzen zu sehen waren.
Broughton fa?te seinen Degengriff. Sein Gesicht war vor Konzentration verzerrt, als ein zweites franzosisches Schiff feuerte. Eine Kugel durchschlug mit lautem Knall das Vormarssegel und flog jaulend ubers Wasser.
«Horchen Sie, Sir!«sagte Bolitho knapp und trat neben den Admi-ral.»Horen Sie das?»
Uber den Wind und das ersterbende Echo des Kanonendonners war, unbestimmt und verzerrt, als gaben die Schiffe untereinander den Takt an, fernes Hurrarufen zu vernehmen. Die Kunde verbreitete sich von Geschutz zu Geschutz, von Deck zu Deck, und die Matrosen der Eu-ryalus schrien mit, laut und alles ubertonend. Die Zwolfpfunderbedie-nungen sprangen sogar hoch und winkten Broughton zu, der wie aus Stein gehauen stand, mit totenstarrem Gesicht und stocksteifen Schultern.
«Sehen Sie, Sir«, sagte Bolitho leise,»es braucht gar nicht viel.«»Gott im Himmel!«murmelte Broughton, und Bolitho wandte sich ab.
Jetzt feuerten weitere franzosische Schiffe, und mehrere Kugeln sausten in ziemlicher Nahe ubers Wasser; die Segel der Zeus, die zielstrebig in den Qualm tauchte, wiesen schon einige Locher auf.
Bolitho wandte sich wieder um, denn Broughton sagte entschlossen:»Ich bin bereit. Geben Sie dem Geschwader das Angriffssignal. «Noch im Weggehen sah Bolitho, da? Broughtons Augen glanzten sei es vor Schreck oder vor Freude uber das Hurrarufen. Jubel fur ein kurzes banales Signal, das aber an der Schwelle des Todes viel bedeuten konnte.
«Signal hoch, Mr. Tothill«, rief Bolitho.»Mr. Keverne, an die Brassen! Wir wollen sehen, da? wir bis zum letzten Moment unsere Position zur Zeus halten!»
Wieder hallte das Echo des Kanonendonners uber den kurzer werdenden Wasserstreifen zwischen ihnen und dem Feind. Er spurte das Deck erzittern — ein Treffer. Meheux stand jetzt bei den Geschutzen im Vorschiff; eindringlich sprach er zu den Kanonieren, und sein rundes Gesicht war wie versteinert vor Konzentration.
«Fertig, Sir!»
Ganz langsam hob Bolitho die Hand.»Ruhig, Mr. Partridge!«Der Schmerz klopfte wieder in seiner Schulter — ein Zeichen seiner wachsenden inneren Anspannung. Die Hand fuhr nieder.»Jetzt!»
Die Flaggen an der Rah der Euryalus verschwanden, die Manner warfen sich in die Brassen, knarrend arbeitete das Rad gegen die Ruderleinen, wie ein riesiges Tor schien sich die franzosische Linie zu offnen, bis der Bugspriet der Euryalus senkrecht zu ihr stand.
Ein rascher Blick bestatigte ihm, da? die Zeus befehlsgema? ihre Abteilung anfuhrte; heftig schlugen ihre Segel, als mehrere feindliche Kugeln sie trafen. Doch jetzt hatten die franzosischen Kanoniere es nicht mehr mit einem ganzen Pulk von Schiffen zu tun, sondern mit mehreren Einzelzielen. Hintereinander, die Batterien noch immer stumm, segelten die beiden britischen Sto?keile gleichzeitig auf sie zu, durch die leichte Drehung nach Steuerbord lag die Euryalus allerdings eine gute Schiffslange vor der Zeus.