Calvert stie? Bolitho beiseite und rief mit steinernem Gesicht:»Der gehort mir, Sir!«Seine Klinge zuckte so schnell nieder, da? Bolitho es uberhaupt nicht sah. Er sah nur, da? das Gesicht des Franzosen vom Auge bis zum Kinn aufgeschlitzt wurde und er mit ersticktem Schrei gegen die Reling taumelte. Mit einer eleganten Drehung seines Handgelenks fiel Calvert aus und traf den Franzosen mitten ins Herz.

«Amateur!«sagte er verachtlich, sturzte sich zwischen die Angreifer, suchte sich einen Offizier aus und trieb ihn fechtend gegen die Leiter zuruck.

Keverne stolperte durch den Rauch; Blut troff ihm von der Stirn.»Sir!«Er duckte sich unter einem sausenden Entersabel durch und scho? seine Pistole in den Bauch des Mannes ab, der von der Wucht des Einschlags seinen nachdrangenden Kameraden in die Arme geschleudert wurde.»Wir mussen klarkommen!»

Seine Stimme wirkte sehr laut, und verwirrt merkte Bolitho, da? die Geschutze schwiegen. Durch die offenen Stuckpforten beider Schiffe stie?en die Manner mit Piken aufeinander ein oder scho ssen blindwutig mit Pistolen.

Bolitho packte Keverne beim Arm; sein Degen hing an einer Kordel vom Handgelenk.»Was ist los, Mann?»

«Ich — ich bin nicht ganz sicher, aber.»

Keverne ri? Bolitho zu sich heran und fiel mit seinem Degen nach einem brullenden Matrosen aus. Der Mann wich zuruck, und da sturzte auch schon Allday von achtern herbei — er stie? so heftig zu, da? die Spitze seines Entersabels am Bauch des Mannes herauskam.

«Der Franzose brennt, Sir«, keuchte Keverne.

Bolitho sah, wie der Admiral ausrutschte, auf die Knie fiel, nach seinem Degen tastete und hilflos einem franzosischen Unteroffizier entgegenstarrte, der mit gefalltem Bajonett auf ihn zurannte.

Eine schlanke Gestalt warf sich dazwischen, und Bolitho horte seine eigene Stimme:»Adam! Zuruck!»

Aber Pascoe hielt stand, er hatte nur seinen Dolch, doch sein Gesicht war wild entschlossen. Das Bajonett stach zu, aber im letzten Augenblick sprang jemand durch den Rauch, ein blutgeschwarzter Degen stie? die Bajonettklinge nach oben und von der Brust des Jungen weg. Die Muskete ging los. Pascoe taumelte zuruck und sah mit Grauen, da? Calvert ihm zu Fu?en lag — sein Gesicht war von der Kugel weggerissen. Aufschluchzend stie? er mit dem Dolch nach dem Unteroffizier, der unter dem Stich das Gleichgewicht verlor. Alldays Entersabel gab ihm den Rest.

Bolitho ri? die Augen von der Szene los und eilte zur Bordwand. Hinter dem Gro?mast des Franzosen stieg eine steile, fedrige Rauchsaule hoch. Manner rannten durch das Luk hinunter; er horte Schrek-kensrufe, Alarm, das laute Klappern der Pumpen.

Vielleicht war in dem Tohuwabohu eine Laterne umgefallen, oder ein glimmender Putzlappen war irgendwie unter Deck geraten. Aber die Anzeichen eines Brandes waren unverkennbar, und sie mu?ten sich unbedingt und so schnell wie moglich befreien.

«Weitergeben!«brullte er.»Untere Batterie neu laden! Feuer erst auf Befehl!»

Er sah sich auf den zerschmetterten Planken um, sah die hingestreckten Toten, die stohnenden Verwundeten. Es war nur eine schwache Hoffnung, aber mehr hatte er nicht. Wenn sie sich nicht von der Glorieux losen konnten, wurde bald alles ein einziges flammendes Inferno sein.

Der schrille Ruf eines Midshipman:»Fertig, Sir!«Es war Ashton.»Feuer!»

Sekunden spater detonierte die untere Batterie in einem einzigen krachenden Donner. Es war, als wolle das Schiff auseinanderfallen; als Rauch und Trummer hoch uber die Netze flogen, sah Bolitho das andere Schiff trunken schwanken unter der Wucht dieser vollen Breitseite.

Immer noch zogen die Segel des franzosischen Flaggschiffes und zitterten im Wind; und als es langsam abdriftete, kam sein Heck immer naher an den Bug der Euryalus heran. Jetzt stieg der Rauch schon dick aus dem Gro?luk, und Bolitho konnte ein Zittern nicht unterdrucken, als eine erste Flamme wie eine gespaltene Schlangenzunge heruberleckte.

An Deck der Euryalus hatte jeder Kampf aufgehort; die franzosischen Enterer, die noch auf dem Schiff waren, standen mit den Handen in der Luft und starrten hinter der abtreibenden Glorieux her.

«Sie sind fertig!«sagte Broughton heiser. Doch klang weder Stolz noch Befriedigung mit. Wie alle anderen war er vollig ausgehohlt von dem wilden, blutigen Kampf.

Tothill kam zur Reling gehinkt.»Die Zeus signalisiert, Sir. «Bolitho blickte hinab und sah, da? Tothill grinste, obwohl ihm Tranen scharfe Linien in das pulvergeschwarzte Gesicht schnitten. Gelassen fragte er:

«Nun, Mr. Tothill?»

«Zwei Feindschiffe haben Flagge gestrichen, Sir. Eins ist gesunken, die anderen stellen die Aktion ein.»

Bolitho seufzte und sah mit stummer Erleichterung hinter dem Flaggschiff her, das jetzt schnell vor dem Wind davontrieb. Als Qualm und Rauch lichter wurden, sah er auch die anderen Schiffe, weit verstreut, geschwarzt und voller Narben. Von der Impulsive war nichts zu sehen, aber die Korvette Restless, die im Verlauf des Kampfes unbemerkt herangekommen sein mu?te, hatte Boote ausgesetzt und suchte nach Uberlebenden.

Ein hei?er Luftzug an seiner Wange lie? ihn zusammenfahren; und als er sich umwandte, sah er Segel und Rigg der Glorieux wie Fackeln brennen. Auch aus den unteren Stuckpforten gluhte es brandrot, und ehe jemand etwas sagen konnte, zerri? eine ohrenbetaubende Explosion die Luft.

Rauch umgab die Vernichtung und wurde zu Dampf, als die See mit triumphierendem Brausen in die zerschmetterte Hulk stromte und das Schiff in einem Chaos von Blasen und grauenvollem Gurgeln hinunterzog. Kanonen sprangen krachend aus den Laffetten; die Manner, die dort unten in volliger Finsternis gefangen sa?en und blind nach einem Ausweg suchten, verschlang das Feuer oder die See.

Als der Rauch endlich abgezogen war, sah man nur noch einen gro?en, langsam kreisenden Wirbel, in dem Wrackteile und menschliche Korperteile sich zu einem grauenvollen Tanz vereinten. Und dann war nichts mehr.

Broughton rausperte sich muhsam.»Der Sieg!«Er sah den Verwundeten nach, die unter Deck getragen oder geschleift wurden.»Aber er war zu teuer erkauft.»

«Wir fangen gleich mit den Reparaturen an, Sir«, sagte Bolitho mude.»Der Wind hat etwas abgeflaut…««Er hielt inne, rieb sich die Augen mit den Handknocheln und versuchte nachzudenken.»Die Valo-rous sieht schlimm aus. Ich denke, die Tanais kann sie in Schlepp nehmen.»

In der Ferne horte er Hurrarufe: die Manner auf dem zerstorten Vorderkastell der achtern abgedrehten Zeus winkten und schrien. Die konnten immer noch jubeln, nach allem, was geschehen war! Er wandte den Kopf: da kletterten seine eigenen Manner in die Wanten, um das Hurra zu erwidern.

«Mit solchen Mannern, Sir Lucius, brauchen Sie nie mehr Angst zu haben«, sagte er leise.

Aber Broughton hatte nicht hingehort. Er war dabei, seinen schonen Degen abzuschnallen, betrachtete ihn kurz und hielt ihn Pascoe hin.»Hier, nehmen Sie! Als ich ihn am notigsten brauchte, habe ich ihn fallengelassen. «Und brummig fuhr er fort:»Ein verdammter Mids-hipman, der mit einem Dolch gegen ein Bajonett angeht, hat mehr Recht darauf. «Er lachelte dem Jungen in das erstaunte Gesicht.»Und au?erdem — ein Leutnant mu? schlie?lich anstandig aussehen — eh?»

Pascoe nahm den Degen und drehte ihn in den Handen. Dann sah er sich nach Bolitho um, doch der stand starr aufgerichtet an der Reling und hielt sie so fest gepackt, da? seine Fingerknochel wei? waren.

«Sir?«Adam eilte zu ihm hin — vielleicht war er wieder verwundet?

Bolitho lie? die Reling los und legte den Arm um die schmalen Schultern des Jungen. Er war verzweifelt mude, und die Wunde in seiner Schulter brannte wie gluhendes Eisen. Aber ein bi?chen mu?te er noch durchhalten. Ganz langsam sprach er:»Adam — sag du's mir. «Er schluckte muhsam. Kaum traute er sich, es auszusprechen.»In dem Boot da.»