Harry hatte keine Lust, in den Gryffindor-Turm zu gehen und zu horen, wie sich Ron und Hermine gegenseitig anfauchten, und so sah er Hagrid eine Weile beim Umgraben zu, bis ihn die Dunkelheit verschluckte und die Eulen ringsum allmahlich erwachten und an Harry vorbei in die Nacht flatterten.

* * *

Beim Fruhstuck am nachsten Tag war die schlechte Laune von Ron und Hermine endgultig verflogen, und Rons dustere Prophezeiung, die Hauselfen wurden jetzt nur noch miserables Essen an den Gryffindor-Tisch schicken, weil Hermine sie gekrankt hatte, erwies sich als falsch; Schinken, Eier und Lachs waren genauso gut wie immer.

Als die Eulen kamen, sah Hermine auf, offenbar erwartete sie Post.

»Percy wird noch keine Zeit gehabt haben zu antworten«, sagte Ron.»Wir haben Hedwig doch erst gestern losgeschickt.«

»Nein, das ist es nicht«, sagte Hermine.»Ich hab den Tagespropheten abonniert, weil es mir langsam stinkt, da? wir alles von den Slytherins erfahren mussen.«

»Gute Idee!«, sagte Harry und sah nun ebenfalls hoch zu den Eulen.»Hey, Hermine, ich glaub, du hast Gluck -«

Ein Steinkauz segelte auf Hermine zu.

»Der hat aber keine Zeitung«, sagte sie mit enttauschter Miene.»Er -«

Doch zu ihrer Verbluffung landete der Steinkauz vor ihrem Teller, dicht gefolgt von vier Schleiereulen, einer Sumpfohreule und einem Waldkauz.

»Wie viele Abos hast du eigentlich bestellt?«, fragte Harry und griff nach Hermines Becher, bevor er von der flugelschlagenden Eulenschar umgeworfen wurde, die alle auf Hermine zudrangelten, weil jede ihren Brief als Erste abliefern wollte.

»Was um Himmels willen -?«, sagte Hermine, nahm dem Steinkauz den Brief ab, offnete ihn und begann zu lesen.»Was soll das denn!«, stie? sie hervor und lief rot an.

»Was ist?«, fragte Ron.

»Das ist – nein, wie lacherlich -«, sie klatschte Harry den Brief in die Hand, der nun sah, da? er nicht handgeschrieben, sondern mit ausgeschnittenen Buchstaben, offenbar aus dem Tagespropheten, zusammengeklebt war.

Du bist ein BosEs MadchEN, HaRRy PottEr verDienT eineBesserE.

VerSchwinde daHin wo du herKommst mUggel.

»Die sind alle so!«, sagte Hermine verzweifelt und offnete einen Brief nach dem anderen.»›Du hast Harry Potter nicht verdient… ‹ – ›Dich sollte man in Froschlaich kochen… ‹ Autsch!«

Sie hatte den letzten Brief geoffnet und gelblich grune Flussigkeit, die stark nach Benzin roch, spritzte ihr uber die Hande, auf denen sofort gro?e gelbe Blasen aufquollen.

»Unverdunnter Bubotubler-Eiter!«, sagte Ron, hob mit spitzen Fingern den Umschlag auf und roch daran.

»Au!«, wimmerte Hermine, und ihre Augen fullten sich mit Tranen, wahrend sie versuchte, den Eiter mit einer Serviette von ihren Handen zu wischen, doch ihre Finger waren nun so dicht mit schmerzhaften Geschwulsten bedeckt, da? es aussah, als trage sie ein Paar dicke, ausgebeulte Handschuhe.

»Du gehst am besten in den Krankenflugel«, sagte Harry, wahrend die Eulen um Hermine eine nach der anderen davonflogen,»wir sagen dann Professor Sprout, wo du abgeblieben bist…«

»Ich hab sie gewarnt!«, sagte Ron, als Hermine, die Hande schutzend unter dem Umhang versteckt, aus der Gro?en Halle eilte.»Ich hab ihr gesagt, sie soll Rita Kimmkorn nicht argern! Sieh dir den hier an…«Er nahm einen der Briefe, die Hermine zuruckgelassen hatte, und las ihn vor:»›In der Hexenwoche hab ich gelesen, was fur ein falsches Spiel du mit Harry Potter treibst, und dieser Junge hat es doch schwer genug gehabt, und ich werde dir mit der nachsten Post einen Fluch schicken, sobald ich einen Umschlag finde, der gro? genug ist.‹ Zum Teufel, sie sollte gut auf sich aufpassen.«

Hermine erschien nicht zu Krauterkunde. Als Harry und Ron das Gewachshaus verlie?en und sich auf den Weg zu Pflege magischer Geschopfe machten, sahen sie Malfoy, Crabbe und Goyle die Steintreppe vor dem Schlo? herunterkommen. Hinter ihnen wisperte und giggelte Pansy Parkinson mit ihrer Bande Slytherin-Madchen. Als Pansy Harry erkannte, rief sie:»Potter, hast du dich von deiner Liebsten getrennt? Warum war sie denn beim Fruhstuck so durch den Wind?«

Harry wurdigte sie keines Blickes; er wollte ihr nicht auch noch die Genugtuung gonnen zu erfahren, wie viel Arger der Artikel in der Hexenwoche verursacht hatte.

Hagrid, der ihnen in der letzten Stunde verkundet hatte, da? sie mit den Einhornern fertig seien, erwartete sie vor der Hutte mit einer neuen Sammlung offener Kisten zu seinen Fu?en. Harrys Laune verschlechterte sich beim Anblick der Kisten noch mehr – das war doch nicht etwa eine frische Kroterbrut? Doch als er nahe genug war, konnte er in den Kisten flaumige schwarze Geschopfe mit langen Schnauzen erkennen. Ihre Vorderpfoten waren eigentumlich flach, wie Spaten, und als sie zu der Schulerschar hochblinzelten, wirkten sie ob all dieser Aufmerksamkeit milde verdutzt.

»Das sind Niffler«, verkundete Hagrid, als sich die Klasse im Kreis aufgestellt hatte.»Man findet sie meist unten in Bergwerksstollen. Sie stehn auf Glitzerzeug… da seht ihr's. schon.«

Ein Niffler war plotzlich hochgeschnellt, umklammerte Pansy Parkinsons Arm und versuchte ihr die Uhr vom Handgelenk zu bei?en. Kreischend stolperte sie ein paar Schritte zuruck.

»Nutzliche kleine Schatzsucher«, sagte Hagrid glucklich.»Dachte, wir machen uns heut 'nen lustigen Vormittag mit denen. Seht ihr das dort druben?«Er deutete auf das gro?e Stuck frisch umgegrabener Erde, auf dem ihn Harry vom Eulereifenster aus hatte arbeiten sehen.»Ich hab dort 'n paar Goldmunzen vergraben. Wessen Niffler nachher die meisten Goldmunzen ausgrabt, kriegt von mir 'nen Preis. Ihr mu?t nur eure Wertsachen ablegen, dann sucht ihr euch 'nen Niffler aus und macht euch bereit, sie loszulassen.«

Harry nahm seine Uhr ab, die er nur noch aus Gewohnheit trug, und steckte sie in die Tasche. Dann hob er einen Niffler aus der Kiste. Der Niffler steckte seine lange Schnauze in Harrys Ohr und schnuffelte begeistert. Ein wirklich kuscheliges Geschopf.

»Wartet mal«, sagte Hagrid und sah hinunter in die Kiste,»da ist noch 'n Niffler ubrig… wer fehlt hier? Wo ist Hermine?«

»Sie mu? sich verarzten lassen«, sagte Ron.»Erklaren wir dir spater«, murmelte Harry; Pansy Parkinson hatte die Ohren gespitzt.

So viel Spa? hatten sie in Pflege magischer Geschopfe mit Abstand noch nicht gehabt. Die Niffler tauchten in das Stuck Erde ein und wieder daraus auf, als ob es ein Teich ware, dann trippelte jeder zu dem Schuler zuruck, der ihn losgelassen hatte, und spuckte ihm Gold in die Hande. Rons Niffler war besonders tuchtig; bald hatte er seinen ganzen Scho? mit Goldmunzen gefullt.

»Kann man die auch als Haustiere kaufen, Hagrid?«, meinte er begeistert, wahrend der Niffler sich schon wieder in die Erde sturzte und Rons Umhang mit Dreck bespritzte.»Da war deine Mum aber nich so glucklich, Ron«, grinste Hagrid,»die bringen ganze Hauser zum Einsturz, diese Niffler. Ich schatze, sie haben jetzt fast alle«, fugte er hinzu und ging um das Stuck Erde herum, wahrend die Niffler eifrig weitertauchten.»Ich hab doch nur hundert Munzen vergraben. Oh, da bist du ja, Hermine!«

Hermine kam uber den Rasen auf sie zu. Ihre Hande waren rundum bandagiert und sie sah elend aus. Pansy Parkinson beobachtete sie mit glanzenden Knopfaugen.

»Gut, schauen wir mal, wie ihr abgeschnitten habt!«, sagte Hagrid.»Zahlt eure Munzen! Und es hat keinen Zweck zu stehlen, Goyle«, fugte er hinzu, die kaferschwarzen Augen zu Schlitzen verengt.»Das ist Leprechan-Gold. Lost sich nach 'n paar Stunden auf.«

Mit murrisch verzogenem Mund leerte Goyle seine Taschen. Wie sich herausstellte, war Rons Niffler der Tuchtigste gewesen, und Hagrid uberreichte ihm als Preis einen Riesenriegel Schokolade aus dem Honigtopf. Glockengelaut wehte uber das Land und rief sie zum Mittagessen; Harry, Ron und Hermine blieben noch kurz da, um Hagrid zu helfen, die Niffler in die Kisten zu stecken, wahrend der Rest der Klasse zum Schlo? ging. Harry fiel auf, da? Madame Maxime sie von ihrem Kutschenfenster aus beobachtete.