Das Etwas in dem Umhangbundel regte sich nun heftiger, als wollte es sich daraus befreien. Wurmschwanz machte sich jetzt mit dem Zauberstab am Fu? des Kessels zu schaffen. Plotzlich zungelten knisternde Flammen vom Kesselboden her auf. Die gro?e Schlange glitt in die Dunkelheit davon.

Das Wasser im Kessel schien rasch hei? zu werden. An der Oberflache begann es zu brodeln, und prasselnde Funken stoben in die Hohe, als ob der ganze Kessel in Flammen stunde. Dichter Dampf wallte auf und lie? Wurmschwanz' uber das Feuer gebeugte Gestalt verschwimmen. Das Etwas unter dem Umhang schien erregt zu zappeln. Und wieder horte Harry die hohe, kalte Stimme.

»Beeil dich!«

Das Wasser leuchtete im Licht der Funken, als ware die ganze Oberflache mit Diamanten gesprenkelt.

»Es ist bereit, Meister.«

»Nun…«, sagte die kalte Stimme.

Wurmschwanz buckte sich nach dem Bundel auf der Erde und begann es aufzuwickeln, enthullte, was in ihm verborgen war. Harry stie? einen Schrei aus, der in dem Stoffetzen in seinem Mund erstickte.

Es war, als hatte Wurmschwanz einen Stein umgedreht; etwas Ha?liches, Schleimiges und Blindes war zum Vorschein gekommen – doch schlimmer noch, hundertmal schlimmer. Was Wurmschwanz mit sich getragen hatte, hatte die Gestalt eines zusammengekauerten menschlichen Kindes, allerdings hatte er noch nie etwas gesehen, das einem Kind so Wenig ahnelte. Es hatte keine Haare und seine Haut schien geschuppt und von einem dunklen, schrundigen Rotschwarz. Die Arme und Beine waren dunn und zerbrechlich, und das Gesicht – kein lebendes Kind hatte je so ein Gesicht gehabt – war flach und schlangengleich, mit rot schimmernden Augen.

Das Wesen schien fast ganzlich hilflos; es hob seine durren Arme, schlang sie um Wurmschwanz' Hals, und Wurmschwanz hob es hoch. Dabei rutschte ihm die Kapuze vom Kopf, und Harry sah im Licht des Feuers den Ausdruck des Abscheus in seinem schlaffen, bleichen Gesicht, als er das Geschopf zum Kesselrand trug. Einen Moment lang sah Harry das bose, flache Gesicht des Wesens im Licht der Funken, die uber dem Gebrodel tanzten. Und dann tauchte Wurmschwanz das Geschopf in den Kessel ein; ein Zischen, und es versank; Harry horte den zerbrechlichen Korper leise und dumpf auf dem Kesselboden aufschlagen.

Wenn es doch ersaufen wurde, dachte Harry, und seine Narbe brannte fast unertraglich, bitte… wenn es doch ersaufen wurde…

Wurmschwanz sprach. Seine Stimme bebte, die Angst schien ihn um den Verstand zu bringen. Er hob den Zauberstab, schlo? die Augen und sprach in die Nacht hinein:»Knochen des Vaters, unwissentlich gegeben, Au wirst deinen Sohn erneuern!«

Die Grabplatte unter Harrys Fu?en knackte. Von Grauen erfullt sah Harry, wie ein schmaler Staubwirbel auf Wurmschwanz' Befehl hin aus dem Grab aufstieg und dann sanft in den Kessel fiel. Die diamantene Oberflache des Wassers teilte sich unter scharfem Zischen; Funken stoben kreuz und quer aus dem Kessel und nahmen ein lebhaftes, giftig wirkendes Blau an.

Und jetzt konnte er Wurmschwanz wimmern horen. Er zog einen langen, silbern schimmernden Dolch aus seinem Mantel. Seine Stimme war ein abgehacktes, vor Angst versteinertes Schluchzen.»Fleisch – des Dieners – w-willentlich gegeben – du wirst – deinen Meister – wieder beleben.«

Er streckte die rechte Hand aus – die Hand mit dem fehlenden Finger. Er packte den Dolch fest mit der Linken und schwang ihn nach oben.

Harry wurde erst in letzter Sekunde klar, was Wurmschwanz da tat – er schlo? die Augen, so fest er konnte, doch den Schrei, der die nachtliche Stille zerri?, mu?te er horen, und er durchstach Harry, als ob der Dolch in ihn eingedrungen ware. Er horte etwas zu Boden fallen, horte das angstgequalte Keuchen von Wurmschwanz, dann ein Brechreiz erregendes Platschen von etwas, das in den Kessel fiel. Harry konnte es nicht ertragen hinzusehen… doch das Gebrau hatte ein brennendes Rot angenommen, so hell, da? es durch Harrys geschlossene Augenlider leuchtete…

Wurmschwanz keuchte und stohnte unter seinen Qualen. Erst als Harry seinen angsterfullten Atem auf seinem Gesicht spurte, wurde ihm jah bewu?t, da? er direkt vor ihm stand.

»B-Blut des Feindes – mit Gewalt genommen – du wirst – deinen Gegner wieder erstarken lassen.«

Harry konnte nichts tun, um es zu verhindern, die Seile waren zu straff um ihn gespannt… er blickte hinunter, straubte sich verzweifelt gegen die Fesseln, und dann sah er den silbernen Dolch in Wurmschwanz' verbliebener Hand zittern. Er spurte, wie sich die Spitze durch die Beuge seines rechten Armes bohrte und Blut den Armel seines zerrissenen Umhangs hinabsickerte. Wurmschwanz, vor Schmerz immer noch keuchend, stoberte in seiner Tasche nach einer Phiole und hielt sie unter Harrys Wunde; ein dunnes Blutrinnsal tropfelte in das Glas.

Mit Harrys Blut stolperte Wurmschwanz zuruck zum Kessel. Er schuttete es hinein. Sofort nahm das Gebrau im Kessel ein blendend helles Wei? an. Nun, da er seine Arbeit getan hatte, fiel Wurmschwanz neben dem Kessel auf die Knie, sackte zur Seite und blieb auf der Erde liegen, keuchend und schluchzend, und verbarg den blutenden Armstumpf unter seinem Korper.

Der Kessel brodelte und verspruhte seine diamantenen Funken so blendend hell, da? alles andere in samtene Dunkelheit getaucht wurde. Nichts geschah…

La? es ertrunken sein, dachte Harry, la? es mi?lungen sein…

Und dann, ganz plotzlich, erlosch das Funkengestiebe uber dem Kessel. Wei?er Dampf quoll in dicken Schwaden aus dem Kessel und tauchte alles vor Harry in wei?es Nichts, so da? er weder Wurmschwanz noch Cedric noch sonst etwas sehen konnte, nur den Dampf, der in der Luft hing… es ist fehlgeschlagen, dachte er… es ist ertrunken… bitte… bitte, la? es tot sein…

Doch dann – und eine eisige Woge des Grauens uberkam ihn -, dann sah er durch den Nebel hindurch, wie der dunkle Umri? eines Mannes, gro? und durr wie ein Skelett, langsam aus dem Innern des Kessels aufstieg.

»Meinen Umhang«, sagte die hohe, kalte Stimme hinter der Nebelwand, und Wurmschwanz, schluchzend und wimmernd, den verstummelten Arm noch immer schutzend an den Leib gepre?t, stolperte hinuber und griff nach dem schwarzen Umhang auf der Erde, richtete sich auf, streckte seine verbliebene Hand aus und zog den Umhang uber die Schultern seines Gebieters.

Der durre Mann stieg langsam aus dem Kessel und starrte Harry an… und Harry starrte zuruck in dieses Gesicht, das ihn drei Jahre lang in seinen Alptraumen verfolgt hatte. Wei?er als ein Schadel, mit weiten, scharlachrot lodernden Augen und einer Nase, die so platt war wie die einer Schlange, mit Schlitzen als Nustern…

Lord Voldemort war wieder erstanden.

Die Todesser

Voldemort wandte die Augen von Harry ab und begann seinen Korper zu untersuchen. Seine Hande waren wie gro?e, bleiche Spinnen; mit den langen Fingern streichelte er seine Brust, die Arme, das Gesicht; die roten Pupillen, katzengleich zu Schlitzen verengt, glommen noch heller durch die Nacht. Er hob die Hande hoch und krummte mit verzuckt triumphierendem Blick die Finger. Von Wurmschwanz, der zuckend und blutend am Boden lag, nahm er nicht die geringste Notiz, noch von der gro?en Schlange, die herbeigeglitten war und erneut ihren zischelnden Kreis um Harry zog. Voldemort schob eine der unnaturlich langfingrigen Hande tief in die Tasche und zog einen Zauberstab hervor. Auch ihn streichelte er sanft; und dann richtete er ihn auf Wurmschwanz, der in die Hohe gerissen und gegen den Grabstein geschleudert wurde, an den Harry gefesselt war; Wurmschwanz fiel zuruck auf die Erde und blieb zusammengekrummt und weinend am Fu? des Grabsteins liegen. Voldemort wandte seine scharlachroten Augen wieder Harry zu und lie? sein hohes, kaltes, freudloses Lachen horen.

Wurmschwanz' Umhang glanzte vor Blut; er hatte seinen Armstumpf darin eingewickelt.»Herr…«, wurgte er hervor,»Herr… Ihr habt versprochen… Ihr habt versprochen…«