»Ihr seht, denke ich, wie toricht es war zu glauben, da? dieser Junge jemals starker sein konnte als ich«, sagte Voldemort.»Doch ich mochte nicht, da? sich ein Irrtum in euren Kopfen festsetzt. Harry Potter entkam mir durch eine fur ihn gluckliche Fugung. Und ich werde nun meine Macht beweisen, indem ich ihn tote, hier und jetzt, vor euch allen, nun, da kein Dumbledore da ist, um ihm zu helfen, und keine Mutter, um fur ihn zu sterben. Ich werde ihm seine Chance geben. Ich werde ihm erlauben zu kampfen, und ihr werdet spater keinen Zweifel haben, wer von uns der Starkere war. Nur noch ein wenig Geduld, Nagini«, flusterte er, und die Schlange glitt durchs Gras davon, hinuber zum Kreis der wartenden Todesser.

»Nun lose seine Fesseln, Wurmschwanz, und gib ihm seinen Zauberstab zuruck.«

Priori Incantatem

Wurmschwanz kam auf Harry zu, der sich hastig muhte, auf die Beine zu kommen, bevor die Fesseln fielen. Wurmschwanz hob seine neue silberne Hand, zog den Knebel aus Harrys Mund und schnitt dann mit einem Hieb des Zauberstabs die Seile entzwei, die Harry an den Grabstein fesselten.

Den Bruchteil einer Sekunde lang mochte Harry uberlegt haben, ob er nicht einfach losrennen sollte, doch nun, da er wieder auf dem uberwucherten Grab stand, zitterte sein verletztes Bein unter der Last seines Korpers, und die Todesser ruckten zusammen und zogen ihren Kreis um ihn und Voldemort enger, sie schlossen auch die Lucken, die sie vorhin noch offen gelassen hatten. Wurmschwanz verlie? den Kreis und ging hinuber zu der Stelle, wo der tote Cedric lag; er kehrte mit Harrys Zauberstab zuruck und druckte ihn Harry ohne aufzublicken in die Hand. Dann nahm er seinen Platz im Kreis der lauernden Todesser ein.

»Man hat dir das Duellieren beigebracht, Harry Potter?«, sagte Voldemort leise, und seine Augen schimmerten rot in der Dunkelheit.

Bei diesen Worten erinnerte sich Harry, als ware es in einem fruheren Leben gewesen, an den Duellierklub in Hogwarts, den er vor zwei Jahren fur kurze Zeit besucht hatte… alles, was er dort gelernt hatte, war der Entwaffnungszauber, Expelliarmus… und selbst wenn es ihm gelingen sollte, Voldemort den Zauberstab zu entrei?en, was wurde es ihm nutzen, wo er doch von Todessern umringt und drei?igfach unterlegen war? Nie hatte er etwas gelernt, das ihm in einer solchen Lage helfen konnte. Er wu?te, da? ihm genau das bevorstand, wovor ihn Moody immer gewarnt hatte… der unabwehrbare Fluch Avada Kedavra – und Voldemort hatte Recht – diesmal war seine Mutter nicht da, um fur ihn sterben zu konnen… er war vollig schutzlos…

»Wir verneigen uns voreinander, Harry«, sagte Voldemort und neigte sich leicht vor, das Schlangengesicht jedoch aufgerichtet und Harry zugewandt.»Komm, die Gepflogenheiten mussen beachtet werden… Dumbledore wurde sicher wollen, da? du Manieren zeigst… verneige dich vor dem Tod, Harry…«

Die Todesser lachten. Voldemorts lippenloser Mund lachelte. Harry verneigte sich nicht. Er wurde nicht zum Spielball Voldemorts werden, bevor Voldemort ihn totete… diese Genugtuung wollte er ihm nicht verschaffen…

»Ich sagte, verneige dich«, sagte Voldemort und hob den Zauberstab – und Harry spurte, wie sich sein Ruckgrat krummte, als ob eine riesige unsichtbare Hand ihn gnadenlos zur Erde druckte, und jetzt lachten die Todesser noch lauter.

»Sehr gut«, flusterte Voldemort und senkte den Zauberstab; der Druck auf Harrys Rucken lie? nach.»Jetzt tritt mir entgegen wie ein Mann… aufrecht und stolz, so wie dein Vater starb…

Und nun – duellieren wir uns.«

Voldemort hob den Zauberstab, und bevor Harry etwas tun konnte, um sich zu verteidigen, bevor er sich auch nur ruhren konnte, hatte ihn der Cruciatus-Fluch erneut niedergeworfen. Der Schmerz war so stark, so allumfassend, da? er verga?, wo er war… wei? gluhende Messer durchbohrten jeden Zentimeter seiner Haut, sein Kopf wurde vor Schmerz gleich platzen; er schrie lauter, als er je im Leben geschrien hatte -

Und dann horte es auf. Harry drehte sich zur Seite und rappelte sich auf; es schuttelte ihn so heftig wie Wurmschwanz, als er sich die Hand abgeschnitten hatte; er stolperte zur Seite, hinein in die Mauer der lauernden Todesser, und sie stie?en ihn weg, zuruck zu Voldemort.

»Eine kleine Pause«, sagte Voldemort, und seine schlitzartigen Nustern weiteten sich vor Erregung,»eine kleine Pause… das tat weh, nicht, Harry? Du willst nicht, da? ich das noch mal tue, oder?«

Harry antwortete nicht. Er wurde sterben wie Cedric, diese erbarmungslosen roten Augen sagten es ihm… er wurde sterben, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte… doch er wurde nicht mitspielen. Er wurde Voldemort nicht gehorchen… er wurde nicht um sein Leben betteln…

»Ich hab dich gefragt, ob ich das noch einmal tun soll«, sagte Voldemort leise.»Antworte mir! Imperio!«

Und Harry hatte zum dritten Mal in seinem Leben das Gefuhl, alle Gedanken wurden aus seinem Kopf gefegt… ah, es war eine Wonne, nicht mehr denken zu mussen, es war, als ob er schwebte, traumte…»antworte einfach ›nein ‹… sag doch ›nein ‹, sag einfach ›nein ‹…«

»Ich will nicht«, sagte eine starkere Stimme in seinem Hinterkopf,»ich werde nicht antworten…«

»Sag einfach ›nein ‹…«

»Ich will es nicht, ich will es nicht sagen…«

»Sag einfach ›nein ‹,…«

»DAS WERDE ICH NICHT!«

Und diese Worte platzten aus Harrys Mund; sie hallten auf dem Friedhof wider, und er wurde aus seinem Traum gerissen, als hatte ihn jemand mit kaltem Wasser bespritzt – zuruck stromten die Schmerzen, die der Cruciatus-Fluch auf seinem ganzen Korper hinterlassen hatte – zuruck stromte das Wissen, wo er war und wem er gegenuberstand…

»Du willst nicht?«, sagte Voldemort leise, und die Todesser lachten diesmal nicht.»Du willst nicht ›nein‹ sagen? Harry, Gehorsam ist eine Tugend, die ich dir beibringen mu?, bevor du stirbst… wie war's mit einer weiteren kleinen Kostprobe Schmerz?«

Voldemort hob den Zauberstab, aber diesmal war Harry bereit; reflexartig, wie er es sich beim Quidditch antrainiert hatte, warf er sich seitlich zu Boden und rollte hinter den Grabstein von Voldemorts Vater; im selben Augenblick krachte der Fluch gegen den Grabstein.

»Wir spielen hier nicht Verstecken, Harry«, sagte Voldemort leise, und die kalte Stimme naherte sich, wahrend die Todesser erneut auflachten.»Du kannst dich nicht vor mir verstecken. Hei?t das, du bist des Duellierens mude? Hei?t das, du ziehst es vor, da? ich es auf der Stelle beende? Komm vor, Harry… komm vor und spiel mit… es wird schnell gehen… vielleicht sogar schmerzlos… ich kann es nicht wissen… ich bin nie gestorben…«

Harry kauerte hinter dem Grabstein und wu?te, da? das Ende gekommen war. Alle Hoffnung war verloren… niemand wurde ihm helfen konnen. Und wahrend er lauschte, wie Voldemort immer naher kam, war er sich, weit jenseits von Angst oder Vernunft, in einem sicher – er wollte hier nicht sterben wie ein Kind, das Versteck spielte; er wollte nicht zu Voldemorts Fu?en kniend sterben… er wurde aufrecht sterben wie sein Vater, und er wurde im Sterben versuchen, sich zu verteidigen, selbst wenn es aussichtslos war…

Noch bevor Voldemort mit seinem Schlangengesicht um den Grabstein schauen konnte, war Harry aufgestanden… er packte mit fester Hand seinen Zauberstab, hielt ihn vor sich und warf sich vor den Grabstein, Voldemort entgegen.

Voldemort war bereit. Harry rief:»Expelliarmus!«, Voldemort schrie:»Avada Kedavra!«

Ein gruner Lichtblitz scho? aus Voldemorts Zauberstab, und im selben Augenblick knallte ein roter Lichtblitz aus Harrys Zauberstab – sie trafen sich in der Luft – und plotzlich begann Harrys Zauberstab zu vibrieren, als stunde er unter elektrischer Spannung; seine Hand hatte sich eisern um den Stab geklammert; er hatte nicht loslassen konnen, auch wenn er gewollt hatte – und jetzt verband ein dunner Lichtstrahl die beiden Zauberstabe, weder rot noch grun, sondern hell und sattgolden -, und Harry, der dem Strahl mit verblufftem Blick folgte, sah, da? auch Voldemorts lange bleiche Finger einen zitternden und bebenden Zauberstab umklammerten.