Das eine oder andere Mal machte Sirius, dessen Hand immer noch auf Harrys Schulter ruhte, ein Gerausch, als wolle er etwas sagen, doch Dumbledore hob die Hand und lie? ihn verstummen, und Harry war froh daruber, denn nun, da er einmal angefangen hatte, war es einfacher, ohne Unterbrechung weiterzuerzahlen. Er fuhlte sich sogar erleichtert; fast war es, als wurde etwas Giftiges aus ihm herausgesogen; es kostete ihn alle Willensstarke weiterzureden, doch er spurte, am Ende wurde er sich besser fuhlen.

Als Harry jedoch berichtete, wie Wurmschwanz ihm den Arm mit einem Dolch aufgeritzt hatte, stie? Sirius einen entsetzten Schrei aus, und Dumbledore sprang so schnell auf, da? Harry zusammenzuckte. Er kam um den Schreibtisch herum und bat Harry, den Arm auszustrecken. Harry zeigte den beiden die Stelle, an der sein Umhang aufgeschlitzt war, und den Schnitt in der Haut darunter.

»Er sagte, mein Blut wurde ihn starker machen als das Blut irgendeines anderen«, berichtete Harry.»Er sagte, der Schutz, den – den meine Mutter mir hinterlassen hat – er wurde ihn nun auch besitzen. Und er hatte Recht – er konnte mich anfassen, ohne sich zu verletzen, er hat mein Gesicht beruhrt.«

Einen fluchtigen Moment lang glaubte Harry, etwas wie Triumph in Dumbledores Augen aufglimmen zu sehen. Doch im nachsten Augenblick war er sich gewi?, da? er sich das nur eingebildet hatte, denn als Dumbledore zu seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch zuruckgekehrt war, wirkte er erneut ungewohnt alt und mude.

»Nun denn«, sagte er und setzte sich.»Voldemort hat dieses eigentumliche Hindernis uberwunden. Fahr bitte fort, Harry.«

Harry erzahlte weiter; er schilderte, wie Voldemort dem Kessel entstiegen war, und alles, was er von Voldemorts Rede an die Todesser noch im Kopf hatte. Dann berichtete er, da? Wurmschwanz ihm die Fesseln gelost und den Zauberstab zuruckgegeben und Voldemort ihn zum Duell aufgefordert hatte. Doch als es dann daranging zu erzahlen, wie der goldene Lichtstrahl die beiden Zauberstabe verbunden hatte, schnurte es ihm die Kehle zu. Er versuchte weiterzureden, doch die Erinnerungen an das, was aus Voldemorts Zauberstab gedrungen war, uberfluteten sein Denken. Ganz deutlich sah er vor sich, wie Cedric erschien, der alte Mann, Bertha Jorkins… seine Mutter… sein Vater…

Er war froh, da? Sirius die Stille durchbrach.

»Die Zauberstabe verbanden sich miteinander?«, sagte er und lie? den Blick von Harry zu Dumbledore wandern.»Warum?«

Harry sah zu Dumbledore auf, dessen Gesichtszuge starr geworden waren.

»Priori Incantatem«, murmelte er.

Seine Augen blickten unverwandt in die Harrys, und fast war es, als verbanden sie sich plotzlich durch einen unsichtbaren Strahl des Verstehens.

»Der Fluchumkehr-Effekt?«, fragte Sirius scharf.

»Genau«, sagte Dumbledore.»Harrys und Voldemorts Zauberstabe sind im Kern gleich. Jeder enthalt eine Feder vom Schweif desselben Phonix. Von diesem Phonix, um es klar zu sagen«, fugte er hinzu und deutete auf den rotgoldenen Vogel, der friedlich in Harrys Scho? kauerte.

»Die Feder meines Zauberstabs stammt von Fawkes?«, fragte Harry verblufft.

»Ja«, sagte Dumbledore.»Sobald du vor vier Jahren den Laden verlassen hattest, schrieb mir Mr Ollivander, du hattest den zweiten Zauberstab gekauft.«

»Und was geschieht, wenn ein Zauberstab auf seinen Bruder trifft?«, fragte Sirius.

»Gegeneinander wirken sie nicht wie sonst«, sagte Dumbledore.»Wenn die Besitzer jedoch ihre Zauberstabe zwingen, gegeneinander zu kampfen… dann kommt es zu einer sehr seltenen Erscheinung.

Einer der Zauberstabe zwingt den anderen, die Fluche, die er ausgeubt hat, noch einmal gleichsam auszuspeien -. und zwar in umgekehrter Reihenfolge. Den letzten Fluch zuerst… und dann die anderen, die ihm vorausgingen…«

Er sah Harry fragend an und Harry nickte.

»Das hei?t«, fuhr Dumbledore langsam und mit unverwandtem Blick auf Harry fort,»Cedric mu? in irgendeiner Gestalt wieder erschienen sein.«

Harry nickte erneut.

»Diggory ist also ins Leben zuruckgekehrt?«, sagte Sirius scharf.

»Kein Zauber kann die Toten wieder erwecken«, sagte Dumbledore mit belegter Stimme.»Alles, was geschehen konnte, war eine Art Echo des Vergangenen. Ein Schatten des lebenden Cedric mu? aus dem Zauberstab ausgetreten sein… stimmt das, Harry?«

»Er hat zu mir gesprochen«, sagte Harry. Plotzlich zitterte er wieder.»Der… der Geist von Cedric oder was es war, hat gesprochen.«

»Ein Echo«, sagte Dumbledore,»das Cedrics Erscheinung und Wesen in sich barg. Ich vermute, es sind noch mehr derartige Gestalten erschienen… fruhere Opfer von Voldemorts Zauberstab…«

»Ein alter Mann«, sagte Harry, und immer noch war ihm die Kehle wie zugeschnurt.»Bertha Jorkins. Und…«

»Deine Eltern?«, sagte Dumbledore leise.

»Ja«, sagte Harry.

Sirius' Finger klammerten sich in diesem Moment so fest in Harrys Schulter, da? es weh tat.

»Die letzten Morde des Zauberstabs«, sagte Dumbledore kopfnickend.»In umgekehrter Reihenfolge. Naturlich waren noch mehr erschienen, wenn du die Verbindung gehalten hattest. Nun gut, Harry, diese Echos, diese Schatten… was taten sie?«

Harry erzahlte, da? die Gestalten aus dem Zauberstab am Rand des goldenen Netzes entlang Wache gegangen waren, da? Voldemort offensichtlich Angst vor ihnen gehabt hatte, da? der Schatten seines Vaters ihm gesagt hatte, was er tun solle, und Cedric seine letzte Bitte ausgesprochen hatte.

An diesem Punkt angelangt, konnte Harry nicht mehr weitersprechen. Er wandte sich zu Sirius um, der das Gesicht in den Handen verborgen hatte. Dann bemerkte Harry plotzlich, da? Fawkes nicht mehr auf seinem Scho? sa?. Der Phonix war zu Boden geflattert. Er schmiegte seinen schonen Kopf an Harrys verletztes Bein, und dicke, perlene Tranen fielen aus seinen Augen auf die Wunde vom Kampf mit der Spinne. Der Schmerz lie? nach. Die Haut heilte zu. Sein Bein war wieder gesund.

»Ich mu? es noch einmal wiederholen«, sagte Dumbledore, wahrend der Phonix in die Luft stieg und sich wieder auf der Stange neben der Tur niederlie?.»Du hast heute Abend mehr Tapferkeit bewiesen, als ich je von dir hatte erwarten konnen, Harry. Du hast die gleiche Tapferkeit bewiesen wie jene, die im Kampf gegen Voldemort auf dem Hohepunkt seiner Macht gestorben sind. Du hast die Last eines erwachsenen Zauberers geschultert und bewiesen, da? du sie tragen kannst – und nun hast du uns auch alles gegeben, was wir zu Recht von dir erwarten konnten. Wir gehen jetzt zusammen in den Krankenflugel. Ich mochte nicht, da? du heute Nacht in den Schlafsaal gehst. Ein Schlaftrunk, ein wenig Ruhe… Sirius, wurdest du gerne bei ihm bleiben?«

Sirius nickte und stand auf. Er verwandelte sich in den gro?en schwarzen Hund zuruck, verlie? mit Harry und Dumbledore das Buro und begleitete sie eine Treppenflucht hinunter in den Krankenflugel.

Als Dumbledore die Tur aufstie?, sah Harry, da? sich Mrs Weasley, Bill, Ron und Hermine um die zermurbt wirkende Madam Pomfrey geschart hatten. Offenbar besturmten sie sie mit Fragen, wo Harry stecke und was ihm passiert sei.

Sie alle wirbelten herum, als Harry, Dumbledore und der schwarze Hund eintraten, und Mrs Weasley stie? einen erstickten Schrei aus.»Harry! O Harry!«

Sie wollte schon auf ihn loshasten, doch Dumbledore trat zwischen die beiden.

»Molly«, sagte er und hob die Hand,»bitte horen Sie mir einen Augenblick zu. Harry hat heute Abend Schreckliches durchlitten. Und er mu?te es eben fur mich noch einmal in allen Einzelheiten schildern. Was er jetzt braucht, ist Schlaf, Ruhe und Frieden. Wenn er mochte, da? ihr alle bei ihm bleibt«, fugte er mit Blick auf Ron, Hermine und Bill hinzu,»dann tut es. Aber ich will, da? ihr ihm erst Fragen stellt, wenn er bereit ist zu reden, und gewi? nicht mehr heute Abend.«

Mrs Weasley nickte. Sie war schneewei?.

Sie wandte sich Ron, Hermine und Bill zu und zischte, als wurden sie einen Hollenlarm machen:»Habt ihr nicht gehort? Er braucht Ruhe!«