»George!«, sagte Mrs Weasley scharf, und alle schraken zusammen.

»Was ist?«, sagte George in einem Unschuldston, der keinen tauschte.

»Was hast du da in der Tasche?«

»Nichts!«

»Lug nicht!«

Mrs Weasley richtete den Zauberstab auf Georges Tasche und sagte»Accio!«.

Mehrere kleine, bunte Gegenstande schossen daraus hervor; George versuchte sie einzufangen, sie entwischten ihm jedoch und flogen geradewegs in die ausgestreckte Hand seiner Mutter.

»Wir haben euch doch gesagt, ihr sollt sie unschadlich machen!«, rief Mrs Weasley zornig und hielt offenbar einige weitere Wurgzungen-Toffees hoch.»Schafft das Zeug fort, haben wir gesagt! Leert eure Taschen, aber dalli, und zwar beide!«

Es war peinlich mit anzusehen; die Zwillinge hatten offenbar beabsichtigt, moglichst viele Toffeebohnen aus dem Haus zu schmuggeln, und erst mit Hilfe ihres Sammelzaubers schaffte es Mrs Weasley, aller habhaft zu werden.

»Accio! Accio! Accio!«, rief sie, und die Toffeebohnen flogen von uberall her auf sie zu, etwa aus dem Futter von Freds Sakko und aus den Aufschlagen von Georges Jeans.

»Wir haben ein halbes Jahr gebraucht, um sie zu entwickeln!«, schrie Fred seine Mutter an, als sie die Toffees wegwarf.

»Ach, ist ja 'ne tolle Art, ein halbes Jahr zu verbringen!«, kreischte sie.»Kein Wunder, da? ihr nicht mehr ZAGs geschafft habt!«

Alles in allem herrschte bei ihrem Aufbruch keine besonders frohliche Stimmung. Mrs Weasley schaute immer noch finster, als sie ihren Gatten auf die Wange ku?te, wenn auch langst nicht so finster wie die Zwillinge, die ihre Rucksacke schulterten und ohne ein Abschiedswort fur sie hinausgingen.

»Dann viel Vergnugen«, sagte Mrs Weasley,»und benehmt euch«, rief sie den Zwillingen nach, die ihr jedoch stur den Rucken kehrten.»Ich schicke Bill, Charlie und Percy gegen Mittag nach«, sagte Mrs Weasley an ihren Mann gewandt, dann gingen er, Harry, Ron, Hermine und Ginny hinaus und folgten Fred und George uber den Hof.

Es war recht kuhl und der Mond stand noch am Himmel. Nur ein grunlicher Schleier am ostlichen Horizont kundigte den kommenden Tag an. Harry dachte an die Tausende von Zauberern, die alle zur Quidditch-Weltmeisterschaft kommen wollten, und beschleunigte seine Schritte, bis er Mr Weasley eingeholt hatte.

»Wie schaffen sie es eigentlich alle, dorthin zu kommen, ohne da? die Muggel es merken?«, fragte er.

»Das war ein gewaltiger Organisationsaufwand«, seufzte Mr Weasley.»Das Problem ist, da? etwa hunderttausend Zauberer zur Quidditch-Weltmeisterschaft kommen und wir einfach kein magisches Gelande haben, das gro? genug ware, um sie alle aufzunehmen. Es gibt Orte, zu denen die Muggel nicht vordringen konnen, doch stell dir vor, du versuchst hunderttausend Zauberer in der Winkelgasse oder auf dem Bahnsteig neundreiviertel unterzubringen. Deshalb mu?ten wir ein hubsches, einsames Moor ausfindig machen und moglichst viel Muggelabwehr einrichten. Das ganze Ministerium war monatelang damit beschaftigt. Zunachst mal mussen wir naturlich die Ankunft staffeln. Leute mit billigeren Karten mussen zwei Wochen vor der Zeit kommen. Einige von ihnen kommen mit den Verkehrsmitteln der Muggel, doch allzu viele durfen naturlich auch nicht ihre Busse und Zuge verstopfen – vergi? nicht, da? Zauberer aus der ganzen Welt kommen. Manche apparieren naturlich, aber wir mussen sichere Platze einrichten, wo sie fern von den Muggeln auftauchen konnen. Ich glaube, sie haben einen geeigneten Wald gefunden, den sie als Apparationsplatz nutzen. Fur alle, die nicht apparieren wollen oder konnen, verwenden wir Portschlussel. Das sind Gegenstande, mit denen man Zauberer zu einem vereinbarten Zeitpunkt von einem Punkt zum anderen bringen kann. Wenn notig, auch gro?e Gruppen. Hundert Portschlussel wurden an gunstig gelegenen Orten in ganz Gro?britannien abgelegt, und der fur uns nachste liegt oben auf einem Hugel, dem Wieselkopf, und dort gehen wir jetzt hin.«

Mr Weasley deutete in die Ferne, wo sich eine gro?e schwarze Masse uber dem Dorf Ottery St. Catchpole erhob.

»Was ist das, ein Portschlussel?«, fragte Harry wi?begierig.

»Nun, das kann alles Mogliche sein«, sagte Mr Weasley.»Unscheinbare Dinge naturlich, so da? die Muggel sie nicht einfach aufheben und mit ihnen spielen… Sachen, die sie fur blo?en Abfall halten…«

Sie stapften den dunklen, feuchten Weg zum Dorf entlang und nur ihre Schritte storten die Stille. Wahrend sie durch das Dorf gingen, erhellte sich der schwarze Himmel allmahlich und nahm ein dunkles Blau an. Harrys Hande und Fu?e waren eiskalt. Mr Weasley blickte immer wieder auf die Uhr.

Keuchend und ohne viele Worte stiegen sie den Wieselkopf hoch, stolperten hin und wieder in ein verstecktes Kaninchenloch oder rutschten auf dicken schwarzen Grashockern aus. Jeder Atemzug brannte Harry in der Brust, und seine Beine wollten gerade einknicken, als er endlich ein ebenes Stuck Erde betrat.

»Puuuhhh«, schnaufte Mr Weasley, nahm die Brille ab und wischte die Glaser an seinem Pullunder trocken.»Immerhin, wir liegen gut in der Zeit – wir haben noch zehn Minuten…«

Hermine kam als Letzte uber den Hugelkamm, die Hande mit schmerzverzerrter Miene in die Seite gepre?t.

»Jetzt fehlt uns nur noch der Portschlussel«, sagte Mr Weasley, setzte die Brille wieder auf und lie? den Blick suchend uber die Erde schweifen.»Er wird nicht gro? sein… ihr konnt mir helfen…«

Sie verteilten sich uber der Hugelkuppe, hatten jedoch erst ein paar Minuten gesucht, als ein Ruf die Stille durchbrach.

»Hier, Arthur! Hierher, alter Junge, wir haben ihn!«

»Amos!«, sagte Mr Weasley, und ein Lacheln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Rasch schritt er hinuber zu dem Mann, der gerufen hatte. Die anderen folgten ihm.

Mr Weasley schuttelte die Hand eines Zauberers mit wettergegerbtem Gesicht und braunem Stoppelhaar, der einen verschimmelten alten Stiefel in der anderen Hand hielt.

»Darf ich vorstellen, Amos Diggory«, sagte Mr Weasley.»Arbeitet in der Abteilung zur Fuhrung und Aufsicht Magischer Geschopfe. Und ich glaube, ihr kennt seinen Sohn Cedric?«

Cedric Diggory war ein au?ergewohnlich hubscher Junge um die siebzehn Jahre. Er war Kapitan und Sucher des Quidditch-Teams der Hufflepuffs in Hogwarts.

»Hallo«, sagte Cedric und blickte in die Runde.

Alle antworteten»Hallo«, au?er Fred und George, die nur nickten. Sie hatten Cedric nie ganz verziehen, da? er ihr Gryffindor-Team im ersten Quidditch-Spiel des letzten Jahres geschlagen hatte.

»War 'n langer Fu?marsch, Arthur?«, fragte Cedrics Vater.

»Nicht allzu schlimm«, sagte Mr Weasley.»Wir wohnen nicht weit von hier, auf der anderen Seite des Dorfes dort unten. Und ihr?«

»Wir mu?ten um zwei aufstehen, nicht wahr, Ced? Ich kann dir sagen, ich bin froh, wenn er seine Prufung im Apparieren hinter sich hat. Na ja… ich will mich nicht beklagen… die Quidditch-Weltmeisterschaft, die wurd ich nicht fur einen Sack voll Galleonen verpassen wollen – und die Karten kosten ungefahr so viel. Dabei bin ich noch gunstig weggekommen…«Amos Diggory wandte sich mit wohlwollendem Blick den drei Weasley-Jungen, Harry, Hermine und Ginny zu.»Alle von dir, Arthur?«

»O nein, nur die Rotschopfe«, sagte Mr Weasley und deutete auf seine Kinder.»Das ist Hermine, eine Freundin von Ron – und Harry, auch ein Freund -«

»Beim Barte von Merlin«, sagte Amos Diggory, und seine Augen weiteten sich.»Harry? Harry Potter?«

»Aahm – ja«, sagte Harry.

Harry kannte es schon zur Genuge, da? Leute, die ihn zum ersten Mal trafen, ihn neugierig anstarrten, da? ihr Blick sofort zu der Blitznarbe auf seiner Stirn huschte, doch noch immer fuhlte er sich unwohl dabei.

»Ced hat naturlich von dir gesprochen«, sagte Amos Diggory.»Hat mir alles von dem Spiel letztes Jahr gegen euch erzahlt… Ich hab ihm gesagt – Ced, das kannst du mal deinen Kindern erzahlen, hab ich gesagt… du hast Harry Potter geschlagen!«