Harry wandte sich mit Muhe von der Tafel ab, um nachzusehen, wer mit ihnen zusammen in der Loge sa?. Noch war niemand da, nur ein winziges Geschopf hockte auf dem zweitletzten Platz am Ende der hinteren Reihe. Das Wesen, mit so kurzen Beinen, da? sie steif aus dem Sitzpolster ragten, trug ein Geschirrtuch wie eine Toga um den Korper geschlungen und hatte das Gesicht in den Handen verborgen. Doch diese langen, fledermausahnlichen Ohren kamen ihm merkwurdig bekannt vor…

»Dobby?«, sagte Harry unglaubig.

Das kleine Wesen sah auf und spreizte die Finger, durch die hindurch Harry riesige braune Augen und eine Nase von genau der Form und der Gro?e einer Tomate erkennen konnte. Es war nicht Dobby – es war allerdings unverkennbar ein Hauself, wie Harrys Freund Dobby es gewesen war. Harry hatte Dobby aus den Handen seiner Besitzer, der Familie Malfoy, befreit.

»Haben Sie mich gerade Dobby genannt, Sir?«, piepste der Elf neugierig zwischen den Fingern hindurch. Seine Stimme war noch hoher als die Dobbys, ein leises, zittriges Piepsen, und Harry vermutete – auch wenn es bei Hauselfen schwer zu sagen war -, da? er diesmal wohl eine Elfe vor sich hatte. Auch Ron und Hermine drehten sich jetzt neugierig um. Zwar hatten sie von Harry viel uber Dobby gehort, doch gesehen hatten sie ihn noch nie. Selbst Mr Weasley wandte sich interessiert um.

»Verzeihung«, sagte Harry,»ich habe dich eben mit jemand verwechselt, den ich kenne.«

»Aber kennen tu ich Dobby auch, Sir!«, piepste die Elfe. Sie hielt die Hande vors Gesicht, als wurde das Licht sie blenden, obwohl die Ehrenloge nur schwach erleuchtet war.»Mein Name ist Winky, Sir – und Sie, Sir -«ihre dunkelbraunen Augen verweilten auf Harrys Narbe und weiteten sich zur Gro?e von Platztellern -»Sie mussen Harry Potter sein!«

»Ja, der bin ich«, sagte Harry.

»Aber Dobby spricht immer und immer von Ihnen, Sir!«, sagte sie und lie? von Ehrfurcht ergriffen die Hande sinken.

»Wie geht es ihm?«, fragte Harry.»Wie bekommt ihm die Freiheit?«

»Aaah, Sir«, sagte Winky kopfschuttelnd,»aah, Sir, bei aller Wertschatzung, Sir, aber 's ist nicht sicher, ob Sie Dobby einen Gefallen getan haben, Sir, als Sie ihn befreit haben.«

»Warum?«, sagte Harry besturzt.»Was fehlt ihm denn?«

»Die Freiheit steigt Dobby zu Kopf, Sir«, sagte Winky traurig.»Hat zu hohe Anspruche, Sir. Findet keine Stelle, Sir.«

»Warum nicht?«, fragte Harry.

Winky senkte die Stimme um eine halbe Oktave und flusterte:»Er will fur seine Arbeit bezahlt werden, Sir.«

»Bezahlt?«, sagte Harry verdutzt.»Warum – warum sollte er nicht bezahlt werden?«

Winky schien diese Vorstellung geradezu Entsetzen einzujagen, und ihre Finger schlossen sich wieder, so da? ihr Gesicht nun halb verborgen war.

»Hauselfen werden nicht bezahlt, Sir!«, sagte sie mit ersticktem Piepsen.»Nein, nein, nein. Ich sag zu Dobby, sag ich, such dir 'ne nette Familie und bleib dort, Dobby. Will jetzt auf einmal das su?e Leben genie?en, Sir, und das bekommt einem Hauselfen nicht gut. Du treibst dich uberall rum, Dobby, sag ich, und am Ende wirst du noch ins Amt zur Fuhrung und Aufsicht Magischer Geschopfe zitiert, wie ein dahergelaufener Kobold.«

»Nun, es wird allmahlich Zeit, da? er ein wenig Spa? hat«, sagte Harry.

»Hauselfen sollten keinen Spa? haben, Harry Potter«,stie? Winky energisch hinter der Hand hervor.»Hauselfen tun, was man ihnen befiehlt. So weit oben mag ich gar nicht sitzen, Harry Potter -«, sie warf einen Blick zur Brustung der Loge und wurgte,»- aber mein Meister schickt mich zur Ehrenloge, und ich gehe, Sir.«

»Warum hat er dich hier hochgeschickt, wenn er wei?, da? dir die Hohe nicht bekommt?«, sagte Harry stirnrunzelnd.

»Meister – Meister will, da? ich ihm einen Platz besetze, Harry Potter, er hat so viel zu tun«, sagte Winky und nickte zu dem freien Platz neben sich.»Winky wurde am liebsten wieder im Zelt vom Meister sein, Harry Potter, aber Winky tut, was man ihr befiehlt, Winky ist eine gute Hauselfe.«

Sie warf einen weiteren furchtsamen Blick zur Brustung und verbarg dann erneut ihre Augen. Harry wandte sich den anderen zu.

»Das ist also eine Hauselfe?«, murmelte Ron.»Komische Kreaturen, oder?«

»Dobby war noch komischer«, sagte Harry trocken.

Ron zog sein Omniglas hervor und spahte hinunter in die Menge auf der anderen Seite des Stadions.

»Abgefahren!«, rief er und drehte am Wiederholungsknopf.»Ich kann diesen Opa da unten noch einmal in der Nase bohren lassen… und noch einmal… und noch einmal…«

Hermine blatterte unterdessen eifrig durch ihr samtgebundenes, mit Troddeln geschmucktes Programmheft.

»›Vor dem Spiel zeigen die Mannschaftsmaskottchen ihr Konnen‹«, las sie laut.

»Das lohnt sich immer«, sagte Mr Weasley.»Die Nationalmannschaften bringen namlich Geschopfe aus ihren Landern mit, die vor dem Spiel eine kleine Show einlegen.«

Im Lauf der nachsten halben Stunde fullte sich die Logeallmahlich. Mr Weasley war standig damit beschaftigt, offenbar sehr wichtigen Zauberern die Hand zu schutteln. Auch Percy sprang jedes Mal auf, so da? es schien, als versuchte er, sich auf einen Igel zu setzen. Als Cornelius Fudge, der Zaubereiminister personlich, hereintrat, verbeugte sich Percy so tief, da? seine Brille zu Boden fiel und zerbrach. Hochst verlegen reparierte er sie mit dem Zauberstab; danach blieb er sitzen und warf Harry, den Cornelius Fudge wie einen alten Freund begru?te, neidische Blicke zu. Die beiden kannten sich, und Fudge schuttelte Harry vaterlich die Hand, fragte, wie es ihm gehe, und stellte ihm die Zauberer in seiner Begleitung vor.

»Harry Potter, wissen Sie«, verkundete er lauthals dem bulgarischen Minister, der einen prachtigen goldbestickten Umhang aus schwarzem Samt trug und kein Wort Englisch zu verstehen schien.»Harry Potter… Oh, nun aber, Sie wissen doch, wer er ist… der Junge, der Du-wei?t-schon-wen uberlebte… gewi? kennen Sie ihn -«

Plotzlich bemerkte der bulgarische Zauberer Harrys Narbe und deutete unter lautem Geschnatter mit dem Finger auf sie.

»Wu?te doch, wir schaffen es«, sagte Fudge entnervt zu Harry gewandt.»Ich bin kein gro?es Sprachgenie, fur so etwas brauch ich Barty Crouch. Aah, seine Hauselfe besetzt ihm einen Platz… war auch notig, diese bulgarischen Mistkerle haben versucht, sich die besten Platze allesamt unter den Nagel zu rei?en… ah, und hier kommt Lucius!«

Harry, Ron und Hermine wirbelten herum. Zu den drei noch freien Platzen in der zweiten Reihe direkt hinter Mr Weasley drangten sich die alten Besitzer von Dobby, dem Hauselfen – Lucius Malfoy, sein Sohn Draco und eine Frau, die, wie Harry vermutete, Dracos Mutter sein mu?te.

Harry und Draco Malfoy waren seit ihrer ersten Reise nach Hogwarts verfeindet. Draco, ein blasser Junge mit spitzem Gesicht und wei?blondem Haar, hatte gro?e Ahnlichkeit mit seinem Vater. Auch seine Mutter war blond; gro? und schlank wie sie war, ware sie hubsch gewesen, wenn sie nicht ein Gesicht gemacht hatte, als hatte sie einen ublen Geruch in der Nase.

»Ah, Fudge«, sagte Mr Malfoy und streckte dem Zaubereiminister die Hand entgegen.»Wie geht's? Ich glaube, meine Frau Narzissa kennen Sie noch nicht? Und unseren Sohn, Draco?«

»Angenehm, angenehm«, sagte Fudge lachelnd und verbeugte sich vor Mrs Malfoy.»Darf ich Ihnen Mr Oblansk vorstellen – Obalonsk – Mr – nun ja, er ist der bulgarische Zaubereiminister, und er versteht ohnehin kein Wort von dem, was ich sage, also egal. Und mal sehen, wer noch – Sie kennen Arthur Weasley, nehme ich an?«

Einen Moment lang herrschte au?erste Spannung. Mr Weasley und Malfoy musterten sich gegenseitig, und Harry stand noch lebhaft vor Augen, was passiert war, als sie sich das letzte Mal begegnet waren; es war in der Buchhandlung Flourish & Blotts gewesen, und die beiden hatten sich am Ende geprugelt. Mr Malfoys kalte graue Augen schweiften uber Mr Weasley und dann die Sitzreihe entlang.