Zu ihrer Uberraschung hatte Professor Moody angekundigt, da? er jeden Einzelnen von ihnen mit dem Imperius-Fluch belegen wurde, um dessen Macht zu zeigen und zu prufen, ob sie sich gegen seine Wirkungen zur Wehr setzen konnten.

»Aber, Sie sagten doch, er sei verboten, Professor«, sagte Hermine verunsichert, als Moody mit einem Schwung seines Zauberstabs die Tische fortrucken lie? und sich einen gro?en freien Platz in der Mitte des Raumes verschaffte.»Sie sagten – ihn gegen einen anderen Menschen einzusetzen, sei -«

»Dumbledore will, da? ich euch beibringe, wie es sich anfuhlt«, sagte Moody, und sein magisches Auge schwamm zu Hermine hin und fixierte sie mit schaurigem Blick, ohne ein einziges Mal zu blinzeln.»Wenn du es lieber auf die harte Tour lernen willst – wenn dich jemand damit uberrascht und dich vollkommen unterwirft – mir soll es recht sein. Du bist entschuldigt. Da geht's raus.«

Er wies mit seinem knochigen Finger zur Tur. Hermine lief rosa an und murmelte etwas von wegen, das hatte sie so nicht gemeint. Harry und Ron grinsten sich zu. Sie wu?ten, da? Hermine lieber Bubotubler-Eiter schlurfen wurde als eine so wichtige Unterrichtsstunde zu verpassen.

Moody lie? sie der Reihe nach vortreten und belegte sie mit dem Imperius-Fluch. Harry beobachtete, wie seine Mitschuler unter Moodys Einfluss die erstaunlichsten Dinge vollfuhrten. Dean Thomas hupfte dreimal im Kreis durchs Zimmer und sang dabei die Nationalhymne. Lavender Brown ahmte ein Eichhornchen nach. Neville zeigte eine Reihe ganz verbluffender Gymnastikubungen, bei denen er ansonsten sicher zusammengeklappt ware. Nicht einer von ihnen schien fahig zu sein, den Fluch abzuwehren, und alle erholten sich erst, als Moody ihn wieder aufhob.

»Potter«, knurrte Moody,»du bist dran.«

Harry trat vor in die Mitte des Klassenzimmers, wo Moody Platz geschaffen hatte. Moody hob den Zauberstab, richtete ihn auf Harry und sagte:»Imperio.«Es war ein hochst wundersames Gefuhl. Harry glaubte zu schweben, jeder Gedanke, alle Sorgen, die ihn Umtrieben, waren wie von sanfter Hand weggewischt, und zuruck blieb nur ein vages, unergrundliches Glucksgefuhl. Da stand er, unendlich entspannt, nur leise ahnend, da? alle ihn ansahen. Und dann horte er Mad-Eye Moodys Stimme in einer fernen Kammer seines leeren Kopfes widerhallen:»Spring auf den Tisch… spring auf den Tisch…«Harry ging folgsam in die Knie und setzte zum Sprung an.

»Spring auf den Tisch…«

Warum eigentlich?

Eine andere Stimme, weit hinten in seinem Kopf, war erwacht.»War doch ziemlich bescheuert, das zu tun«, sagte die Stimme.

»Spring auf den Tisch…«

»Nein, das werd ich lieber nicht tun, danke«, sagte die andere Stimme, ein wenig fester…»Nein, ich will nicht wirklich…«

»Spring! Sofort.«

Was Harry als Nachstes spurte, war ein heftiger Schmerz. Er war gesprungen und hatte zugleich versucht sich davon abzuhalten – woraufhin er mit dem Kopf auf den Tisch geschlagen war, ihn umgeworfen hatte und sich, nach dem Gefuhl in seinen Beinen zu schlie?en, auch noch beide Kniescheiben zertrummert hatte.

»Nun, das war doch schon mal was!«, horte er Moodys knurrende Stimme, und plotzlich spurte Harry, wie das leere, hallende Gefuhl in seinem Kopf verschwand. Er erinnerte sich genau daran, was passiert war, und der Schmerz in seinen Knien schien sich noch zu verdoppeln.

»Schaut euch das an, ihr Rasselbande… Potter hat gekampft! Er hat gegen den Fluch angekampft und ihn verdammt noch mal fast gebrochen! Wir versuchend noch mal, Potter, und die anderen passen gut auf – schaut ihm in die Augen, da seht ihr's – sehr gut, Potter, wirklich sehr gut! Die werden Schwierigkeiten haben, dich zu unterwerfen!«

»So, wie er redet«, murmelte Harry, als er eine Stunde spater aus dem Klassenzimmer humpelte (Moody hatte darauf bestanden, Harry viermal in Folge an seine Grenzen gehen zu lassen, bis er schlie?lich den Fluch vollkommen abschutteln konnte),»so, wie er redet, sollte man meinen, wir konnten jeden Augenblick angegriffen werden.«

»Ja, ich wei?«, sagte Ron, der immer noch bei jedem zweiten Schritt hupfte. Er hatte viel mehr Probleme mit dem Fluch gehabt als Harry, doch Moody versicherte ihm, die Wirkung wurde bis zum Mittagessen abklingen.»Wenn wir schon beim Verfolgungswahn sind…«, Ron sah nervos uber die Schulter, ob Moody auch ja au?er Horweite war, und fuhr fort:»Kein Wunder, da? sie im Ministerium froh waren, ihn loszuwerden. Hast du gehort, wie er Seamus erzahlt hat, was er mit dieser Hexe angestellt hat, die am ersten April hinter seinem Rucken ›Buuh‹ gerufen hat? Und wann sollen wir denn alles uber den Widerstand gegen den Imperius-Fluch nachlesen, wenn wir ohnehin so viel zu tun haben?«

Allen Viertkla?lern war aufgefallen, da? sie dieses Jahr eine ganze Menge mehr arbeiten mu?ten. Professor McGonagall erklarte ihnen auch, warum, als die Klasse in Verwandlung mit besonders lautem Stohnen und Achzen auf eine neue Ladung Hausaufgaben reagiert hatte.

»Fur Sie beginnt jetzt eine besonders wichtige Zeit in Ihrer Ausbildung als Zauberer!«, verkundete sie und die Augen hinter ihren quadratischen Brillenglasern glitzerten gefahrlich.»Ihre Prufungen fur die ZAGs stehen bevor -«

»Wir kriegen die ZAGs doch erst im funften Jahr!«, sagte Dean Thomas entrustet.

»Das mag sein, Thomas, aber glauben Sie mir, Sie brauchen alle Vorbereitung, die Sie bekommen konnen! Miss Granger ist bis heute die Einzige in der Klasse, die es schafft, einen Igel in ein gewohnliches Nadelkissen zu verwandeln. Ich darf Sie daran erinnern, Thomas, da? Ihr Kissen immer noch vor Angst zusammenschrumpft, wenn sich jemand mit einer Nadel nahert!«

Hermine war wieder einmal rosa angelaufen und schien sich zu bemuhen, nicht allzu geschmeichelt auszusehen.

Harry und Ron amusierten sich kostlich, als Professor Trelawney in der nachsten Wahrsagestunde verkundete, sie hatten fur ihre Vorhersagen Spitzennoten bekommen. Sielas ausgiebig aus ihren Arbeiten vor und lobte sie fur ihren unerschrockenen Blick auf die Schrecken, die ihnen ins Haus standen – weniger erfreut waren sie jedoch, als Professor Trelawney ihnen aufgab, das Gleiche noch einmal fur den ubernachsten Monat zu machen; allmahlich gingen den beiden die Ideen aus.

Unterdessen lie? sie Professor Binns, der Geist, der Geschichte der Zauberei lehrte, jede Woche einen Aufsatz uber die Kobold-Aufstande im achtzehnten Jahrhundert schreiben. Professor Snape zwang sie, Gegengifte zu erforschen. Das nahmen sie sehr ernst, denn er deutete an, er konnte ja einen von ihnen noch vor Weihnachten vergiften, um festzustellen, ob das Gegengift wirke. Professor Flitwick verlangte von ihnen, zur Vorbereitung auf den Unterricht uber Aufrufe- und Sammelzauber noch drei weitere Bucher nebenher zu lesen.

Selbst Hagrid burdete ihnen zusatzliche Lasten auf. Die Knallrumpfigen Kroter wuchsen erstaunlich schnell, wenn man bedachte, da? noch keiner herausgefunden hatte, was sie fra?en. Hagrid war es eine Wonne und er schlug»im Rahmen ihres Projekts«vor, sie sollten doch jeden zweiten Abend zu seiner Hutte herunterkommen, um die Kroter zu beobachten und sich Notizen uber ihr eigenartiges Verhalten zu machen.

»Ich jedenfalls nicht«, sagte Draco Malfoy lustlos, nachdem Hagrid ihnen diesen Vorschlag mit der Miene eines Weihnachtsmannes gemacht hatte, der ein besonders gro?es Packchen aus dem Sack zieht.»Ich seh im Unterricht genug von diesen widerlichen Dingern, danke.«

Hagrids Lacheln erstarb.

»Du tust, was man dir sagt«, knurrte er,»oder ich red mal ein Wortchen mit Professor Moody… hab gehort, du gibst 'n niedliches Frettchen ab, Malfoy.«

Die Gryffindors lachten schallend. Malfoy errotete vor Zorn, doch offenbar war die Erinnerung an die Bestrafung durch Moody immer noch schmerzhaft genug, um ihm den Mund zu versiegeln. Harry, Ron und Hermine kehrten nach dem Unterricht bestens gelaunt in das Schlo? zuruck; zu erleben, wie Hagrid Malfoy in die Schranken wies, war eine Genugtuung gewesen, vor allem, da Malfoy sich im letzten Jahr nach Kraften bemuht hatte, Hagrid aus der Schule werfen zu lassen.