»Weil sie ungebildet sind und eine Gehirnwasche verpa?t bekamen!«, unterbrach ihn Hermine erhitzt, doch ihre nachsten Worte gingen in dem plotzlichen Rauschen uber ihren Kopfen unter, das die Ankunft der Posteulen verkundete. Harry blickte sofort auf und sah Hedwig auf sich zuschweben. Hermine verstummte jah; sie und Ron verfolgten mit bangem Blick, wie Hedwig sich auf Harrys Schulter niederlie?, ihre Flugel einzog und ermattet das Bein ausstreckte.

Harry zog Sirius' Antwort von Hedwigs Bein und bot ihr die Speckschwarten seines Schinkens an, die sie dankbar auffra?. Dann, nachdem er sich mit einem Blick zu Fred und George vergewissert hatte, da? sie erneut im Gesprach uber das Trimagische Turnier vertieft waren, las Harry Ron und Hermine im Flusterton Sirius' Brief vor.

Netter Versuch, Harry,

ich bin wieder im Land und gut versteckt. Ich mochte, da? du mich uber alles, was in Hogwarts vor sich geht, per Brief auf dem Laufenden haltst. Nimm nicht mehr Hedwig, wechsle standig die Eulen und mach dir keine Sorgen um mich, pa? nur auf dich selbst auf. Vergi? nicht, was ich uber deine Narbe gesagt habe.

Sirius

»Warum sollst du standig die Eulen wechseln?«, fragte Ron mit gedampfter Stimme.

»Hedwig zieht zu viel Aufmerksamkeit auf sich«, erwiderte Hermine sofort.»Sie fallt auf. Eine Schnee-Eule, die standig zu seinem Versteck fliegt… sie ist jedenfalls kein einheimischer Vogel, verstehst du?«

Harry rollte den Brief zusammen und steckte ihn in den Umhang. Ihm war nicht ganz klar, ob er sich jetzt mehr oder weniger Sorgen machen sollte. Da? Sirius es geschafft hatte, zuruckzukommen ohne gefa?t zu werden, war immerhin etwas. Au?erdem konnte er nicht leugnen, da? es ihn beruhigte, Sirius in seiner Nahe zu wissen; wenigstens wurde er jetzt nicht mehr so lange auf eine Antwort warten mussen, wenn er ihm schrieb.

»Danke, Hedwig«, sagte er und streichelte sie. Sie schu-huhte schlafrig, tauchte den Schnabel kurz in seinen Becher mit Orangensaft und flatterte davon, offensichtlich mit dem dringenden Bedurfnis, sich in der Eulerei so richtig auszuschlafen.

An diesem Tag lag eine angenehm erwartungsvolle Stimmung in der Luft. Im Unterricht pa?te niemand so recht auf, vielmehr waren alle gespannt auf die abendliche Ankunft der Delegationen aus Beauxbatons und Durmstrang; selbst Zaubertranke war ertraglicher als sonst, denn der Unterricht war eine halbe Stunde kurzer. Als es dann fruh lautete, rannten Harry, Ron und Hermine nach oben in den Gryffindor-Turm, legten ihre Taschen und Bucher ab, wie man sie gehei?en hatte, zogen ihre warmen Umhange an und eilten dann wieder hinunter in die Eingangshalle.

Die Hauslehrer wiesen ihre Schuler an, sich in Reihen aufzustellen.

»Weasley, richten Sie Ihren Hut gerade«, herrschte Professor McGonagall Ron an.»Miss Patil, nehmen Sie dieses lacherliche Ding da aus den Haaren.«

Parvati sah sie finster an und zog eine gro?e Schmetterlingsspange von ihrer Zopfspitze.

»Folgen Sie mir, bitte«, sagte Professor McGonagall,»die Erstkla?ler vorne an… und kein Gedrangel…«

Sie gingen im Gansemarsch die Vortreppe hinunter und reihten sich vor dem Schlo? auf. Es war ein kalter, klarer Abend; die Dammerung brach an und der Mond, bla? und durchsichtig wirkend, war bereits uber dem Verbotenen Wald aufgegangen. Harry, der zwischen Ron und Hermine in der vierten Reihe stand, sah, wie es Dennis Creevey vorn bei den Erstkla?lern vor gespannter Erwartung geradezu schuttelte.

»Fast sechs«, sagte Ron mit einem Blick auf seine Uhr und spahte dann ungeduldig die Auffahrt hinunter, die nach vorn zum Schlo?tor fuhrte.»Wie, glaubst du, werden sie kommen? Mit dem Zug?«

»Wohl kaum«, sagte Hermine.

»Wie dann? Auf Besen?«, uberlegte Harry und blickte hoch zum sternbedeckten Himmel.

»Glaub ich auch nicht… wenn sie von so weit her kommen…«

»Mit einem Portschlussel?«, ratselte Ron.»Oder sie konnten apparieren -«

»Du kannst nicht aufs Gelande von Hogwarts apparieren, wie oft soll ich dir das noch sagen?«, flusterte Hermine unwirsch.

Aufgeregt suchten sie die Landereien des Schlosses ab, uber die jetzt die Nacht hereinbrach, doch nichts ruhrte sich; alles war friedlich, still und eigentlich wie immer. Harry wurde allmahlich kalt. Wenn sie sich nur beeilen wurden… vielleicht bereiteten die auslandischen Schuler einen dramatischen Auftritt vor… ihm fiel ein, was Mr Weasley im Zeltlager vor der Quidditch-Weltmeisterschaft gesagt hatte -»Immer dasselbe, wir konnen es einfach nicht lassen, ein wenig zu prahlen, wenn wir zusammenkommen…«

Und dann rief Dumbledore aus der hinteren Reihe, wo er mit den anderen Lehrern stand -»Aha! Wenn ich mich nicht sehr tausche, nahert sich die Delegation aus Beauxbatons!«

»Dort!«, schrie ein Sechstkla?ler und deutete hinuber zum Wald.

Etwas Gro?es, viel gro?er als ein Besen – oder auch hundert Besen -, kam in sanften Wellen uber den tiefblauen Himmel auf das Schlo? zugeflogen.

»Ein Drache!«, kreischte eine Funftkla?lerin und geriet vollig aus dem Hauschen.

»Blodsinn… es ist ein fliegendes Haus!«, sagte Dennis Creevey.

Dennis war mit seiner Vermutung schon naher dran… Als die gigantische schwarze Gestalt uber die Baumspitzen des Verbotenen Waldes strich und ins Licht der Schlo?fenster glitt, sahen sie, da? es eine riesige graublaue Kutsche war, gro? wie ein stattliches Haus, die auf sie zurauschte, durch die Lufte gezogen von einem Dutzend geflugelter Pferde, allesamt Palominos, jedoch so gro? wie Elefanten.

Die ersten drei Schulerreihen wichen zuruck, als die Kutsche sich neigte und mit ungeheurer Geschwindigkeit zum Landen ansetzte – dann, mit einem alles erschutternden Krachen, das Neville ruckwarts auf den Fu? eines Slytherin-Funftkla?lers springen lie?, schlugen die Pferdehufe auf festem Grund auf. Eine Sekunde spater landete auch die Kutsche und federte auf ihren riesigen Radern auf und ab, wahrend die goldenen Pferde ihre riesigen Kopfe zuruckwarfen und mit ihren gro?en feuerroten Augen rollten.

Harry konnte gerade noch erkennen, da? auf der Kutschentur ein Wappen prangte (zwei gekreuzte goldene Zauberstabe, aus denen jeweils drei Funken stoben), als auch schon die Tur aufging.

Ein Junge in bla?blauem Umhang sprang aus der Kutsche, buckte sich, machte sich einen Moment lang auf dem Kutschboden zu schaffen, zog dann eine ausklappbare goldene Treppe heraus und sprang respektvoll einen Schritt zuruck. Harry sah einen hochhackigen, schimmernd schwarzen Schuh aus der Kutsche auftauchen – ein Schuh von der Gro?e eines Kinderschlittens -, dem sogleich die gro?te Frau folgte, die er je gesehen hatte. Das erklarte naturlich die Gro?e der Kutsche und der Pferde. Einigen Umstehenden stockte der Atem.

Harry hatte bisher nur einen Menschen gesehen, der so gro? war wie diese Frau, und das war Hagrid; er war sich nicht sicher, ob Hagrid auch nur um einen Zentimeter gro?er war. Doch irgendwie – vielleicht nur, weil er an Hagrid gewohnt war – schien diese Frau (die sich jetzt am Fu? der Treppe zu der mit aufgerissenen Augen wartenden Menge umsah) von noch unnaturlicherer Gro?e zu sein. Als sie in das Licht trat, das aus der Eingangshalle flutete, zeigte sich, da? sie ein hubsches, olivfarbenes Gesicht hatte, gro?e, schwarze, feucht schimmernde Augen und eine schnabelahnliche Nase. Ihr Haar war im Nacken zu einem glanzenden Knoten zusammengebunden. Sie war von Kopf bis Fu? in schwarzen Satin gekleidet und an Hals und Handen glitzerten viel prachtige Opale.

Dumbledore fing an zu klatschen; ihm folgend brachen auch die Schuler in Applaus aus, und viele stellten sich auf die Zehenspitzen, um diese Frau besser sehen zu konnen.

Die Anspannung in ihrem Gesicht wich einem dankbaren Lacheln und sie schritt auf Dumbledore zu und streckte ihm ihre funkelnde Hand entgegen. Dumbledore, der selbst nicht gerade klein war, mu?te sich ein wenig recken, um sie zu kussen.