»Da? sie fortging, hat meinem Dad das Herz gebrochen. Winziger kleiner Kerl, mein Dad. Als ich sechs war, konnte ich ihn hochheben und ihn auf den Kuchenschrank setzen, wenn er mich geargert hat. Dann hat er immer gelacht…«Hagrids tiefe Stimme brach ab. Madame Maxime lauschte ihm reglos, ihr Blick schien auf den silbrigen Fontanen zu ruhen.»Dad hat mich gro?gezogen… aber dann ist er naturlich gestorben, gerade als ich in die Schule gekommen bin. Danach mu?te ich mich mehr schlecht als recht selbst durchschlagen. Dumbledore hat mir wirklich geholfen. War sehr freundlich zu mir, mu? ich sagen…«

Hagrid zog ein gro?es, gepunktetes seidenes Taschentuch hervor und schneuzte sich markerschutternd.»Tja… wie auch immer… das war's von mir. Und wie steht's mit Ihnen? Von wem haben Sie's?«

Doch Madame Maxime war plotzlich aufgestanden.

»Mir ist kalt«, sagte sie. Doch so kalt es hier drau?en auch immer war, es war nicht annahernd so eisig wie ihre Stimme.»Isch moschte wieder reinge'en.«

»Was?«, sagte Hagrid verdutzt.»Nein, gehen Sie nicht! Ich -ich hab noch nie eine andere getroffen!«

»Eine andere was denn, genau?«, fragte Madame Maxime kalt.

Harry hatte Hagrid am liebsten gesagt, er solle jetzt blo? den Mund halten. Da stand er im Schatten verborgen, bi? die Zahne zusammen und hoffte auf das Unmogliche – doch es hatte keinen Zweck.

»Eine zweite Halbriesin, naturlich«, sagte Hagrid.

»Wie konnen Sie es wagen!«, kreischte Madame Maxime. Ihre Stimme gellte wie ein Nebelhorn durch die friedliche Nacht; Harry horte, wie Fleur und Roger hinter ihm aus ihrem Rosenbusch sturzten.»Man 'at misch nie im Leben derma?en beleidigt! 'albriese? Moi? Isch 'abe – isch 'abe gro?e Knochen!«

Sie sturmte davon; gro?e, vielfarbene Feenschwarme flatterten auf, als sie sich wutend durch die Busche schlug. Hagrid sa? immer noch auf der Bank und starrte ihr nach. Es war viel zu dunkel, um sein Gesicht sehen zu konnen. Dann, nach etwa einer Minute, stand er auf und schritt davon, nicht zuruck zum Schlo?, sondern hinaus auf das dunkle Land und hinuber zu seiner Hutte.

»Komm«, sagte Harry sehr leise zu Ron.»Gehen wir…«

Doch Ron ruhrte sich nicht.

»Was ist los?«, fragte Harry und sah ihn an.

Ron wandte sich mit todernster Miene Harry zu.

»Hast du das gewu?t?«, wisperte er.»Da? Hagrid ein Halbriese ist?«

»Nein«, sagte Harry achselzuckend.»Na und?«

Ron sah ihn an und Harry wu?te sofort, da? er wieder einmal seine Unwissenheit uber die Zaubererwelt kundgetan hatte. Er war bei den Dursleys aufgewachsen, und daher war vieles, was die Zauberer fur selbstverstandlich hielten, uberraschend neu fur Harry. Im Laufe seiner Schulzeit hatte er immer weniger von diesen Schnitzern begangen, nun jedoch spurte er, da? die meisten Zauberer nicht»na und?«sagen wurden, wenn sie herausfanden, da? einer ihrer Freunde ein Halbriese war.

»Ich erklar's dir drin«, sagte Ron leise.»Komm mit…«

Fleur und Roger Davies waren verschwunden, vermutlich weiter ins Buschwerk hinein, wo sie ungestort sein konnten. Harry und Ron kehrten in die Gro?e Halle zuruck. Parvati und Padma sa?en nun an einem Tisch im Hintergrund, umgeben von einer ganzen Traube von Beauxbatons-Jungen, und Hermine tanzte schon wieder mit Krum. Harry und Ron setzten sich an einen Tisch in sicherer Entfernung von der Tanzflache.

»Also?«, bohrte Harry nach.»Was soll denn schon sein mit den Riesen?«

»Also, sie sind… sie sind…«, Ron rang nach Worten,»nicht besonders nett«, endete er lahm.

»Wen stort das?«, sagte Harry.»Hagrid ist doch vollig in Ordnung!«

»Das wei? ich auch, aber… verdammt noch mal, kein Wunder, da? er den Mund halt«, sagte Ron kopfschuttelnd.»Ich dachte immer, er sei als Kind in einen vermasselten Verschlingungszauber reingestolpert oder etwas in der Art. Hatte keine Lust, daruber zu sprechen…«

»Aber was ist denn schon dabei, wenn seine Mutter eine Riesin ist?«, fragte Harry.

»Na ja… keiner, der ihn kennt, wird sich darum scheren, weil wir wissen, da? er nicht gefahrlich ist«, sagte Ron langsam.»Aber… Harry, die Riesen sind nun einmal bosartig. Wie Hagrid selbst gesagt hat, es liegt in ihrer Natur, sie sind wie Trolle… sie mogen einfach toten, das wei? jeder. Aber in Gro?britannien gibt es keine mehr.«»Was ist mit ihnen passiert?«

»Sie waren ohnehin am Aussterben und dann haben die Auroren viele von ihnen umgebracht. In anderen Landern soll es aber noch Riesen geben… sie leben meist versteckt in den Bergen…«

»Ich wei? nicht, wen die Maxime eigentlich tauschen will«, sagte Harry und sah hinuber zu ihr, die allein und mit sehr betrubter Miene am Richtertisch sa?.»Wenn Hagrid ein Halbriese ist, dann ist sie es eindeutig auch. Von wegen gro?e Knochen… das Einzige, was gro?ere Knochen hat als sie, ist ein Dinosaurier.«

Harry und Ron verbrachten den restlichen Ballabend damit, in einer Ecke zu sitzen und uber Riesen zu fachsimpeln; keiner von beiden hatte Lust zu tanzen. Harry mied moglichst jeden Blick auf Cho und Cedric, und wenn er sie dann doch sah, hatte er am liebsten gegen das Tischbein getreten.

Als die Schwestern des Schicksals um Mitternacht zu spielen aufhorten, bekamen sie von allen noch eine letzte Runde Applaus, dann tropfelten die Gaste allmahlich hinaus in die Eingangshalle. Viele sagten, am liebsten hatten sie weitergefeiert, doch Harry war es nur recht, da? er endlich zu Bett gehen konnte; was ihn anging, war der Abend nicht besonders lustig gewesen.

Drau?en in der Eingangshalle sahen Harry und Ron, wie Hermine Krum, der auf dem Weg zuruck zum Durmstrang-Schiff war, gute Nacht wunschte. Sie versetzte Ron einen sehr kuhlen Blick und rauschte ohne ein Wort an ihm vorbei und die Marmortreppe hoch. Harry und Ron folgten ihr, doch auf halber Treppe horte Harry, wie ihn jemand rief.

»Hey – Harry!«

Es war Cedric Diggory. Harry sah, da? Cho unten in der Halle auf ihn wartete.

»Ja?«, sagte Harry kurz, und Cedric kam zu ihm hochgesturmt.

Er sah ganz so aus, als wollte er vor Ron lieber nicht den Mund aufmachen. Ron zuckte die Achseln, schaute genervt und ging weiter die Treppe hinauf.

»Hor mal…«, sagte Cedric mit gedampfter Stimme, als Ron verschwunden war.»Ich schulde dir 'nen Gefallen fur diese Drachengeschichte. Was ist mit deinem goldenen Ei? Jammert es auch, wenn du es aufmachst?«

»Ja«, sagte Harry.

»Nun… nimm ein Bad, verstanden?«

»Was?«

»Nimm ein Bad und – ahm – nimm das Ei mit und – hmh – denk im hei?en Wasser einfach mal druber nach. Das wird dir helfen… glaub mir.«

Harry starrte ihn an.

»Und noch was«, sagte Cedric.»Nimm das Badezimmer der Vertrauensschuler. Im funften Stock, vierte Tur links von dieser Statue von Boris dem Bekloppten. Das Pa?wort ist Pinienfrisch. Mu? mich jetzt sputen – will ihr noch gute Nacht sagen -«

Er grinste Harry zu und sturzte hastig zum Fu? der Treppe hinunter, wo Cho auf ihn wartete.

Harry stieg allein hoch in den Gryffindor-Turm. Das war ein au?erst merkwurdiger Ratschlag. Warum sollte ihm ein Bad helfen, herauszufinden, was es mit diesem kreischenden Ei auf sich hatte? Wollte Cedric ihn verulken? Versuchte er, Harry wie einen Dummkopf dastehen zu lassen, um bei Cho noch besser abzuschneiden?

Die fette Dame und ihre Freundin Vi dosten in ihrem Bild uber dem Portratloch. Harry mu?te»Lichterfeen!«schreien, damit sie endlich aufwachten, und dann waren sie auch noch hochst verargert. Er kletterte in den Gemeinschaftsraum und geriet mitten in einen hei?en Streit zwischen Ron und Hermine. Sie standen drei Meter voneinander entfernt und brullten sich mit scharlachroten Gesichtern an.

»Na schon, wenn du es nicht leiden kannst, dann wei?t du ja, was du zu tun hast, oder?«, schrie Hermine; ihr Haar loste sich allmahlich aus dem eleganten Knoten und ihr Gesicht war wutverzerrt.

»Ach ja?«, schrie Ron zuruck.»Was denn bitte?«»Wenn das nachste Mal ein Ball ist, dann frag mich doch gleich, und nicht als letzte Rettung!«