»Jaah… nun…«, sagte Harry und ging ein wenig in die Knie, nur um vollkommen sicher zu sein, da? Myrte nichts als seinen Kopf sehen konnte,»ich darf doch eigentlich gar nicht in dein Klo. Es ist doch nur fur Madchen.«

»Fruher hat dich das nicht gestort«, schmollte Myrte.»Fruher bist du standig gekommen.«

Das stimmte, allerdings nur, weil Harry, Ron und Hermine festgestellt hatten, da? Myrtes kaputtes Klo der beste Platz war, um insgeheim einen Vielsaft-Trank zu brauen – einen verbotenen Zaubertrank, der Harry und Ron fur eine Stunde in lebende Abbilder von Crabbe und Goyle verwandelt hatte, als die sie sich dann in den Gemeinschaftsraum der Slytherins schmuggeln konnten.

»Ich hab Arger gekriegt, weil ich dort rein bin«, sagte Harry, was nur die halbe Wahrheit war; nur Percy hatte ihn einmal erwischt, wie er aus Myrtes Klo kam.»Danach dachte ich, ich la? es lieber bleiben.«

»Oh… verstehe…«, sagte Myrte und fingerte mit gramlicher Miene an einem dunklen Punkt auf ihrem Kinn herum.»Ja… wie auch immer… ich wurde das Ei mal ins Wasser legen. Das hat Cedric Diggory namlich getan.«

»Hast du den auch schon bespitzelt?«, sagte Harry entrustet.»Was treibst du hier eigentlich – schleichst dich abends einfach rein und siehst zu, wie die Vertrauensschuler baden?«

»Manchmal«, sagte Myrte verschmitzt,»aber bisher bin ich noch nie aus dem Versteck gekommen, um mit jemandem zu sprechen.«

»Das ehrt mich aber«, sagte Harry mit finsterer Miene.»Halt dir jetzt blo? die Augen zu!«

Er vergewisserte sich, da? Myrte ihre Brille gut verdeckt hatte, bevor er sich aus dem Wasser zog, das Badetuch fest um sich wickelte und dann das Ei holen ging.

Sobald er wieder im Wasser war, spahte Myrte durch ihre Finger hindurch und sagte:»Nun mach schon… offne es unter Wasser.«

Harry druckte das Ei unter die schaumige Wasseroberflache und offnete es… und diesmal war kein Klagen zu horen. Ein gegurgeltes Lied ertonte, ein Lied, dessen Text er durch das Wasser nicht verstehen konnte.

»Du mu?t mit dem Kopf untertauchen«, sagte Myrte, die es offensichtlich zutiefst geno?, ihn herumkommandieren zu konnen.»Mach schon!«

Harry holte tief Atem und tauchte unter – und jetzt, da er auf dem marmornen Boden des schaumgefullten Bades sa?, horte er einen Chor schauriger Stimmen, der aus dem offenen Ei in seinen Handen heraus ein Lied fur ihn sang:

Komm, such, wo unsere Stimmen klingen,

denn uber dem Grund konnen wir nicht singen.

Und wahrend du suchst, uberlege jenes:

Wir nahmen, wonach du dich schmerzlich sehnest.

In einer Stunde mu?t du es finden

und es uns dann auch wieder entwinden.

Doch brauchst du langer, fehlt dir das Gluck,

zu spat, 's ist fort und kommt nicht zuruck.

Harry lie? sich nach oben treiben, stie? mit dem Kopf durch die Seifenblasen und schuttelte sich das Haar aus dem Gesicht.

»Hast du es gehort?«, fragte Myrte.

»Ja… ›Komm, such, wo unsere Stimmen klingen… ‹ Und wenn ich mich bitten lasse?… Warte, ich mu? es noch mal horen…«Wieder tauchte er unter. Harry mu?te sich das Unterwasserlied noch dreimal anhoren, bis er es endlich auswendig konnte; dann dachte er eine Weile im Wasser planschend angestrengt nach, wahrend Myrte dasa? und ihn beobachtete.

»Ich mu? wohl nach Leuten Ausschau halten, die ihre Stimmen uber dem Wasser nicht benutzen konnen…«, sagte er langsam.»Hmh… wer konnte das sein?«

»Bist einer von den Langsamen, nicht?«

Er hatte die Maulende Myrte noch nie so gut gelaunt gesehen, au?er an dem Tag, als sich Hermine mit einer Dosis Vielsaft-Trank ein haariges Gesicht und einen Katzenschwanz verpa?t hatte.

Harry sah sich nachdenklich im Badezimmer um… wenn die Stimmen nur unter Wasser zu horen waren, dann mu?ten es Wassergeschopfe sein. Er stellte seine Uberlegung Myrte vor, die ihn nur geziert anlachelte.

»Tja, das hat Diggory auch gedacht«, sagte sie.»Da lag er und hat ewig lang mit sich selbst gesprochen. Kam einfach nicht zum Schlu?… fast alle Seifenblasen waren weg…«

»Unter Wasser…«, sagte Harry langsam.»Myrte… was lebt eigentlich im See, au?er dem Riesenkraken?«

»Oh, dies und das«, sagte sie.»Manchmal komm ich dort runter… es geht einfach nicht anders, wenn jemand uberraschend mein Klo spult…«

Harry versuchte sich lieber nicht vorzustellen, wie es war, wenn die Maulende Myrte mit dem Inhalt eines Klos durch ein Rohr in den See rauschte, und sagte:»Hat denn etwas dort im See eine menschliche Stimme? Wart mal -«

Sein Blick war auf das Bild der schnarchenden Nixe an der Wand gefallen.»Myrte, dort drin leben doch nicht etwa Wassermenschen?«

»Ooh, sehr gut«, sagte sie und ihre dicken Brillenglaser funkelten.»Diggory hat viel langer gebraucht! Und die dort war sogar wach«- Myrte zuckte mit dem Kopf angewidert in Richtung Nixe -»und hat gekichert und sich rausgeputzt und mit ihrer Flosse gespielt…«

»Das ist es!«, sagte Harry aufgeregt.»Die zweite Aufgabe ist, die Wassermenschen im See aufzusuchen und… und…«

Doch plotzlich wurde ihm klar, was er eben gesagt hatte, und die Freude uber seine Entdeckung wurde aus ihm herausgesogen, als ob jemand einen Stopsel aus seinem Magen gezogen hatte. Er war kein sehr guter Schwimmer; viel geubt hatte er nie. Dudley hatte, als er noch kleiner war, Unterricht bekommen, doch Tante Petunia und Onkel Vernon hatten sich nie darum gekummert, da? Harry schwimmen lernte, zweifellos in der Hoffnung, Harry wurde eines Tages ersaufen. Ein paar Langen dieses Beckens, schon und gut, doch dieser See war sehr gro? und sehr tief… und die Wassermenschen lebten sicher auf dem Grund des Sees…

»Myrte«, sagte Harry langsam,»wie soll ich dort unten atmen?«

Bei diesen Worten fullten sich Myrtes Augen plotzlich mit Tranen.»Wie taktlos von dir!«, murrte sie und stoberte in ihrem Umhang nach einem Taschentuch.

»Was ist taktlos?«, fragte Harry verwirrt.

»Vor mir vom Atmen zu sprechen!«, sagte sie schrill, und ihre Stimme hallte laut im Badezimmer wider.»Wo ich doch… schon so lange… nicht mehr… kann…«Sie vergrub das Gesicht in ihrem Taschentuch und schniefte laut.

Harry fiel ein, wie empfindlich Myrte schon immer gewesen war, weil sie tot war, doch kein anderer Geist, den er kannte, machte ein solches Drama daraus.

»Verzeihung«, sagte er ungeduldig.»Ich hab's nicht so gemeint – ist mir ganz entfallen…«

»O ja, es ist so leicht, Myrtes Tod zu vergessen«, schluchzte Myrte und sah ihn mit verquollenen Augen an.»Keiner hat mich vermi?t, selbst als ich noch am Leben war. Stundenlang haben sie gebraucht, um meine Leiche zu finden – ich wei? es noch, ich sa? ja da und hab auf sie gewartet. Olive Hornby kam in mein Klo – ›Steckst du schon wieder hier drin und schmollst, Myrte?‹, hat sie gesagt. ›Professor Dippet hat mich namlich gebeten, nach dir zu suchen -‹ Und dann hat sie meine Leiche gesehen… ooooh, das hat sie bis an ihr Lebensende nicht vergessen, dafur hab ich schon gesorgt… ich bin ihr namlich standig gefolgt und hab sie dran erinnert, ich wei? noch, bei der Hochzeit ihres Bruders -«

Doch Harry horte ihr nicht zu; er dachte wieder uber das Lied der Wassermenschen nach.»Wir nahmen, wonach du dich schmerzlich sehnest.«Das klang ganz danach, als wurden sie ihm etwas stehlen, etwas, das er zuruckholen mu?te. Was sollte das sein?

»- und dann ist sie naturlich vors Zaubereiministerium gezogen, damit ich ihr nicht mehr nachspuke, deshalb mu?te ich wieder hierher kommen und in meinem Klo leben.«

»Gut«, sagte Harry verschwommen.»Schon, ich bin jetzt viel weiter als vorher… schlie? doch noch mal die Augen, ich komm raus.«

Er holte das Ei vom Beckenboden herauf, kletterte heraus, trocknete sich ab und zog Pyjama und Morgenrock an.

»Kommst du mich mal wieder in meinem Klo besuchen?«, fragte die Maulende Myrte mit trauriger Stimme, als Harry den Tarnurnhang aufhob.

»Ahm… ich versuch's«, sagte Harry, obwohl er im Stillen dachte, er wurde nur dann noch einmal in Myrtes Klo vorbeischauen, wenn alle anderen Klos im Schlo? verstopft waren.»Bis dann, Myrte… danke fur deine Hilfe.«