»Was ware die Alternative?«

»Emotion.« Crowe blies Rauch aus ihren Nustern. »Witzig, was? Gerade den Yrr mit Gefuhlen kommen zu wollen. Aber wenn ihre Gefuhle biochemischer Natur sind …«

»So wie unsere«, bemerkte Shankar.

»… konnte uns der Duft vielleicht weiterhelfen. Ja, danke, Murray. Ich wei?, auch Liebe ist Chemie.«

»Hast du eigentlich jemanden, dem du chemisch zugetan bist, Sigur?«, witzelte Shankar.

»Nein, im Augenblick wechselwirke ich mit mir selber.« Er sah sich um. »Sag mal, habt ihr Jude irgendwo gesehen?«

»Sie war vorhin im LFOC«, sagte Crowe.

»Danke.«

»Ach ja, und Mick wollte zu dir.«

»Mick?«

»Sie haben zusammen dagesessen und gequatscht. Mick wollte ins Labor, vor wenigen Minuten.«

Das war gut. Dann wurde Weaver ihn aufstobern.

»Prima«, sagte er. »Mick kann uns bei der Synthetisierung helfen. Sofern ihn nicht wieder die Migrane packt. Armer Kerl.«

»Er sollte sich das Rauchen angewohnen«, meinte Crowe. »Rauchen ist gut gegen Kopfschmerzen.«

Johanson grinste und ging ins LFOC. Ein Gro?teil der elektronischen Datenerfassung war auf die dortigen Systeme umgelegt worden damit Crowe und Shankar im CIC ungestort arbeiten konnten. Aus den Lautsprechern drang schwaches Rauschen und gelegentliches Pfeifen und Klicken. Der Schatten eines Delphins zog uber einen der Bildschirme. Offenbar hatte Greywolf die Tiere wieder rausgelassen.

Weder Li, noch Peak, noch Vanderbilt waren zu sehen. Johanson ging weiter ins JIC. Es stand leer, ebenso wie die ubrigen Befehls— und Fuhrungsraumlichkeiten. Er erwog, in der Offiziersmesse nachzusehen, aber dort wurde er moglicherweise nur Vanderbilts Leute oder ein paar Soldaten antreffen. Li konnte ebenso gut im Trainingsraum sein oder in ihrem Quartier. Es blieb keine Zeit, das ganze Schiff abzusuchen.

Wenn Rubin auf dem Weg ins Labor war, wurde ihn Weaver bald aufspuren. Er musste vorher mit Li sprechen!

Na schon, dachte er. Wenn ich dich nicht finde, findest du eben mich. Ohne Eile ging er zu seiner Kabine, trat ein und stellte sich mitten in den Raum.

»Hallo, Jude«, sagte er.

Wo mochten die Kameras, wo die Mikrophone sein? Zwecklos, danach zu suchen, aber sie waren da.

»Stellen Sie sich vor, was vorhin passiert ist. Mir ist eingefallen, dass es uber dem Gro?labor noch ein zweites Labor gibt, in dem Mick gerne mal verschwindet, wenn ihn seine Migrane uberkommt. Ich wurde gerne wissen, was er da tut, abgesehen davon, dass er Kollegen niederschlagt.«

Seine Blicke wanderten uber Mobel, Lampen, uber den Fernseher.

»Ich schatze, das werden Sie mir freiwillig nicht erzahlen, was, Jude? Ich habe also ein paar Vorkehrungen getroffen. Sehen Sie, binnen kurzem konnte jeder aus dem Team meine Erinnerungen teilen, ohne dass Sie eine Moglichkeit haben, es zu verhindern.« Das war verdammt dick aufgetragen, aber er hoffte, dass Li es schluckte. »Ware das in Ihrem Interesse? Oder in Ihrem, Sal? — Ach, Jack, Sie hatte ich beinahe vergessen. Wie denken Sie daruber?«

Er ging langsam im Raum auf und ab. »Ich habe Zeit. Sie auch? Bestimmt nicht.« Er breitete die Hande aus und lachelte. »Wir konnen das Ganze aber auch vertraulich behandeln. Vielleicht stecken ja ehrenhafte Absichten dahinter, wenn Ihre Leute hier eine Schattenwelt errichten. Vielleicht ist ja alles im Sinne der internationalen Sicherheit. — Ich mag es nur nicht so gerne, niedergeschlagen zu werden, Jude. Das verstehen Sie doch, oder? Ich wurde gerne mit Ihnen reden, aber wie es aussieht, erfasst Rubins Migrane bisweilen ganze Volksgruppen. Liegen Sie alle mit Kopfschmerzen im Bett?«

Er machte eine Pause. Und wenn es Li nun gleichgultig war? Wenn sie ihn gar nicht horte? Dann lief er hier wie ein Idiot durch seine Kammer.

»Jude?«

Er sah sich um. Doch, sie horten ihn. Ganz sicher horten sie ihn.

»Jude, mir ist aufgefallen, dass Sie Mick auch so einen Tiefseesimulator spendiert haben. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass er bedeutend kleiner ist als unserer, aber was untersucht er darin, was er nicht auch in unserem untersuchen konnte? Sie werden sich doch wohl nicht hinter unserem Rucken mit den Yrr verbundet haben? Helfen Sie mir auf die Sprunge, Jude, ich habe absolut keine Ahnung, was …«

»Dr. Johanson.«

Er fuhr herum. In der offenen Tur stand Peaks schwarze, hoch gewachsene Gestalt. »Nein, was fur eine Uberraschung«, sagte Johanson leise. »Der gute, alte Sal! Soll ich Tee fur uns machen?«

»Jude wurde Sie gerne sprechen.«

»Ah, Jude.« Johanson verzog einen Mundwinkel zu einem halben Lacheln. »Was will sie denn von mir?« »Kommen Sie einfach mit.«

»Nun — ich denke, das lasst sich einrichten.«

Weaver

Im Labor kam Oliviera gerade mit einem tragbaren Metallgehause aus dem Hochsicherheitslabor, als Weaver eintrat.

»Hast du Mick gesehen?«

»Nein, ich sehe nur noch Pheromone.« Oliviera hielt das Gehause hoch. Es war zu beiden Seiten offen. Ein Probenkoffer mit Gestellen fur Phiolen. Dutzende mit klarer Flussigkeit gefullte Rohrchen reihten sich im Innern aneinander. »Aber er hat vorhin durchgerufen und sein Erscheinen angedroht. Musste jeden Moment aufkreuzen.«

»Yrr-Duft?«, fragte Weaver mit Blick auf die Phiolen.

»Ja. Heute Nachmittag geben wir was davon in den Tank. Mal sehen, ob wir die Zellen uberreden konnen, zu verschmelzen. Es ware sozusagen die Heiligsprechung unserer Theorie.« Oliviera sah sich um. »Gegenfrage: Hast du Sigur gesehen?«

»Eben auf dem Flugdeck. Er hat ein paar interessante Ideen entwickelt, wie wir Sam unter die Arme greifen konnten. — Ich schau gleich nochmal vorbei.«

»Tu das.«

Weaver uberlegte. Sie konnte sich das Hangardeck ansehen. Aber wenn Johanson Recht behielt, wurde das sofort auffallen. Au?erdem war kaum damit zu rechnen, dass sich die verbotene Tur ein weiteres Mal offnete, solange sie dort herumschlich.

Sie folgte dem Tunnel zum Welldeck.

Das Becken war beinahe zur Ganze wieder geflutet. Auf den Piers uberwachten die verbliebenen Techniker aus Roscovitz’ Team den Vorgang. Sie sah Greywolf und Anawak im Wasser.

»Habt ihr die Delphine rausgelassen?«, rief sie.

Anawak zog sich aufs Trockene.

»Ja.« Er kam zu ihr heruber. »Was hast du gemacht in der Zwischenzeit?«

»Nicht viel, um ehrlich zu sein. Ich glaube, wir mussen alle unsere Gedanken ordnen.«

»Wir konnen sie ja zusammen ordnen«, sagte Anawak leise.

Sie begegnete seinem Blick und dachte, wie gerne sie ihn jetzt sofort in die Arme nehmen wurde. Diese ganze schreckliche Geschichte hier vergessen und einfach tun, was fallig war.

Aber die Geschichte lastete auf allem. Und da war Greywolf, der Licia verloren hatte.

Sie lachelte fluchtig.

LEVEL 03

Peak humpelte voraus. Johanson folgte ihm wortlos. Sie stiegen hinab, durchquerten einen Teil des Hospitals und schritten einen Gang entlang. Nach einer Abzweigung standen sie vor einer verschlossenen Tur.

»Was ist das fur ein Bereich?«, fragte Johanson, wahrend Peaks Finger uber ein Tastenfeld glitten. Elektronisches Piepen drang an sein Ohr. Die Tur schwang auf. Auf der anderen Seite setzte sich der Gang fort.

»Uber uns liegt das CIC«, sagte Peak.

Johanson versuchte sich zu orientieren. Die Dimensionen des Schiffs waren schwer abzuschatzen. Wenn das CIC uber ihnen lag, befand sich das geheime Labor wahrscheinlich direkt unter ihren Fu?en.

Sie erreichten eine zweite Tur. Diesmal musste sich Peak einem Netzhaut-Scan unterziehen, bevor sie eintreten konnten. Johanson erblickte einen Raum, der aussah wie das CIC, eingebettet in elektronisches Summen. Gedampft erklangen Gerausche und Stimmen. Mindestens ein Dutzend Leute arbeitete hier. Auf einer Vielzahl von Monitoren sah er Aufnahmen von Satelliten und Unterwasserkameras, einzelne Abschnitte der Rampe, das Innere der Brucke mit Buchanan und Anderson darin, das Flugdeck und das Hangardeck. Er sah Crowe und Shankar im CIC sitzen, Weaver mit Anawak und Greywolf im Welldeck und Oliviera im Labor. Weitere Bildschirme zeigten das Innere der Kabinen. Auch seine. Dem Winkel nach zu schlie?en, befand sich die Kamera direkt uber der Tur. Er musste ein gutes Bild abgegeben haben, wie er da monologisierend mitten im Raum gestanden hatte.