An einem gro?en, beleuchteten Tisch sa?en Li und Vanderbilt. Die Kommandantin erhob sich.
»Hallo, Jude«, sagte Johanson freundlich. »Nett haben Sie’s hier.«
»Sigur.« Sie lachelte zuruck. »Ich glaube, wir mussen uns bei Ihnen entschuldigen.«
»Kaum der Rede wert.« Johanson schaute sich staunend um. »Ich bin ziemlich beeindruckt. Alles von Wichtigkeit scheint es in doppelter Ausfertigung zu geben.«
»Ich kann Ihnen die Plane zeigen, wenn es Sie interessiert.«
»Eine Erklarung wurde mir vollauf reichen.«
»Die sollen Sie haben.« Li setzte eine betretene Miene auf. »Vorher mochte ich Ihnen sagen, wie Leid es mir tut, dass Sie auf diese Weise davon erfahren mussten. Rubin hatte niemals so weit gehen durfen.«
»Vergessen wir, was er getan hat. Was tut er jetzt? Was macht er in diesem Labor?«
»Er sucht nach einem Giftstoff«, sagte Vanderbilt.
»Nach einem …« Johanson schluckte. »Einem Gift?«
»Mein Gott, Sigur.« Li rang die Hande. »Wir konnen uns nicht darauf verlassen, mit den Yrr zu einer friedlichen Losung zu gelangen. Ich wei?, das muss alles schrecklich fur Sie klingen, nach Vertrauensmissbrauch und falschem Spiel, aber … Sehen Sie, wir wollten Sie und die anderen nicht in die falsche Richtung schicken. Um etwas uber die Yrr zu erfahren, war es unabdingbar notwendig, Sie an einer friedlichen Losung arbeiten zu lassen. Sie alle haben Gro?artiges geleistet. Aber Sie waren niemals so weit gekommen, wenn die Aufgabe darin bestanden hatte, eine Waffe zu entwickeln.«
»Was zum Teufel reden Sie da? Was denn fur eine Waffe?«
»Krieg und Frieden sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wer am Frieden arbeitet, darf nicht an Krieg denken. Mick erforscht die Alternative. Auf der Grundlage Ihrer Erkenntnisse.«
»An einem Gift, um die Yrr zu vernichten?«
»Hatten wir Sie damit betrauen sollen?«, sagte Vanderbilt. »Was ware dann passiert?«
»Moment mal!« Johanson hob die Hande. »Unser Auftrag ist, einen Kontakt herzustellen. Denen da unten klar zu machen, dass sie aufhoren sollen. Nicht, sie zu vernichten.«
»Sie Traumer«, sagte Vanderbilt verachtlich.
»Aber das ist zu schaffen, Jack! Verdammt, wir …«
Johanson schuttelte entgeistert den Kopf. Er konnte es einfach nicht fassen.
»Wie wollen Sie es schaffen?«
»Wir haben innerhalb weniger Tage unglaublich viel gelernt. Es wird einen Weg geben.«
»Und wenn nicht?«
»Warum haben Sie uns nicht daruber informiert? Warum haben wir nicht einfach offen daruber gesprochen? Wir ziehen doch an einem Strang!«
»Sigur.« Li sah ihn ernst an. »Was wir hier tun, ist nicht ganz deckungsgleich mit dem Auftrag der Vereinten Nationen. Ich wei?, dass wir Kontakt aufnehmen sollen, und genau das versuchen wir ja auch. Andererseits wird niemand traurig daruber sein, wenn wir diesen Feind ganz einfach eliminieren. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass man beide Wege in Betracht ziehen sollte?«
Johanson starrte sie an.
»Doch, das bin ich. Aber warum dieser ganze Zirkus?«
»Weil das Oberkommando Ihnen misstraut«, sagte Li. »Weil man befurchtet, dass Sie und die anderen sich quer stellen, wenn Sie erfahren, dass Ihre Bemuhungen um einen friedlichen Kontakt den Boden fur eine militarische Offensive bereiten. Man glaubt eben, dass sich Wissenschaftler so verhalten wie in den einschlagigen Filmen — sie wollen das Fremdartige schutzen und studieren, anstatt es zu vernichten, auch wenn es bosartig und gefahrlich ist …«
»Filme? Meinen Sie die Filme, in denen das Militar immer gleich auf alles ballern will, was es nicht versteht?«
»Eben diese Au?erung zeigt, wie Recht wir hatten«, sagte Vanderbilt und strich sich uber den Bauch.
»Verstehen Sie doch, Sigur …«
»Sie haben diesen Hokuspokus inszeniert, weil Sie dachten, wir verhalten uns wie Leute aus einem Hollywood-Film?«
»Nein.« Li schuttelte heftig den Kopf. »Naturlich nicht. Es ging darum, Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit auf das Thema Kontakt und Erforschung zu lenken.«
Johanson umfasste mit weit ausholender Geste die Monitore im Raum.
»Und darum schnuffeln Sie uns hinterher?«
»Was Rubin getan hat, war ein Fehler«, wiederholte Li eindringlich. »Er hatte nicht das Recht dazu. Diese Uberwachung dient einzig Ihrer Sicherheit. Wir haben die Arbeit an einer militarischen Losung im Geheimen betrieben, um Sie und die anderen nicht zu verunsichern und von Ihrer eigentlichen Aufgabe abzubringen.«
»Und worin besteht diese … Aufgabe?« Johanson trat bis dicht an Li heran und sah ihr in die Augen. »Frieden zu schaffen oder euch wie die Trottel mit dem notigen Wissen fur eine langst beschlossene Offensive zu versorgen?«
»Wir mussen uber beides nachdenken.«
»Wie weit ist Mick mit seiner militarischen Variante?«
»Er hat ein paar Ideen, die funktionieren konnten, aber noch nichts Konkretes.« Sie holte tief Luft und blickte ihm entschlossen ins Gesicht. »Ich bitte Sie im Interesse der Sicherheit darum, den anderen vorerst nichts davon zu erzahlen. Geben Sie uns Zeit, es selber zu tun, damit die Arbeit nicht ins Stocken gerat, auf die Milliarden Menschen ihre Hoffnungen grunden. Sehr bald schon werden wir gemeinsam an allen Varianten arbeiten. Jetzt, wo Sie die unglaubliche Leistung vollbracht haben, dem Feind ein Gesicht zu geben, haben wir keinen Grund mehr, etwas geheim zu halten. — Und wenn wir gemeinsam an einer Waffe arbeiten, dann in der Hoffnung, dass wir nie gezwungen sein werden …«
»Soll ich Ihnen mal was sagen, Jude?«, zischte Johanson. Er kam ihr so nahe, dass keine Hand mehr zwischen ihre Gesichter passte. »Ich glaube Ihnen kein Wort. Sobald Sie Ihre verdammte Waffe haben, werden Sie sie einsetzen. Was Sie dann zu verantworten haben, konnen Sie sich gar nicht vorstellen. Das sind Einzeller, Jude! Milliarden uber Milliarden Einzeller! Sie existieren seit Anbeginn der Welt. Wir haben nicht die geringste Ahnung, welche Rolle sie fur unser Okosystem spielen. Wir wissen nicht, was mit den Ozeanen passieren wird, wenn wir sie vergiften. Wir wissen nicht, was mit uns passieren wird. Aber vor allen Dingen werden wir nicht in der Lage sein, zu stoppen, was sie angefangen haben!
Geht das in Ihren Kopf? Wie wollen Sie den Golf-Strom wieder in Gang setzen ohne die Yrr? Was wollen Sie gegen die Wurmer tun ohne die Yrr?«
»Wenn wir die Yrr klein kriegen«, sagte Li, »nehmen wir es auch mit Wurmern und Bakterien auf.«
»Wie bitte? Mit Bakterien wollen Sie es aufnehmen? Dieser ganze Planet besteht aus Bakterien! Wollen Sie die Mikroorganismen ausrotten? Wie gro?enwahnsinnig sind Sie eigentlich? Wenn Ihnen das gelange, wurden Sie das Leben auf der Erde zum Tode verurteilen. Sie waren es, die den Planeten vernichtet, nicht die Yrr. Samtliche Tierarten in den Meeren wurden sterben, und danach …«
»Dann sterben sie eben«, schrie Vanderbilt. »Sie bloder Ignorant, Sie eierkopfiges Wissenschaftsarschloch! Wenn ein paar Fische sterben und wir dafur uberleben …«
»Wir werden nicht uberleben!«, schrie Johanson zuruck. »Begreifen Sie das nicht? Alles ist miteinander verflochten. Wir konnen die Yrr nicht bekampfen. Sie sind uns uberlegen. Wir konnen nichts tun gegen Mikroorganismen, wir konnen ja nicht mal was gegen eine normale Virusinfektion tun, aber darum geht es auch nicht. Der Mensch lebt einzig, weil die Erde von Mikroben beherrscht wird.«
»Sigur …«, sagte Li beschworend.
Johanson drehte sich um. »Machen Sie die Tur auf«, sagte er. »Ich habe keine Lust, dieses Gesprach langer fortzusetzen.«
»Na schon.« Li nickte mit zusammengekniffenen Lippen. »Dann gefallen Sie sich weiter in Ihrer Selbstgerechtigkeit. Sal, offnen Sie Dr. Johanson die Tur.«
Peak zogerte.
»Sal, haben Sie nicht gehort? Dr. Johanson wunscht zu gehen.«
»Konnen wir Sie nicht uberzeugen?«, fragte Peak. Es klang hilflos und gequalt. »Davon, dass wir das Richtige tun?«