Die Tur fiel ins Schlo?. Bolitho hatte das Gefuhl, die Kajute wurde in der druckenden Stille zu eng.
Doch Broughton sagte nur mude:»Setzen Sie sich. «Er ging zum Tisch und nahm eine Karaffe auf.»Ein Schluck Wein, denke ich?«Und in halbem Selbstgesprach fuhr er fort:»Wenn ich jetzt nicht was trinke, ehe mir wieder so ein plarrender Untergebener vor die Augen kommt, dann werde ich bestimmt verruckt. «Er trat zu Bolithos Sessel und reichte ihm ein Glas.»Auf Ihre Gesundheit, Captain. Ich bin uberrascht, da? Sie wieder da sind; und nach dem, was Gifford von der Coquette gequasselt hat, mussen Sie selbst einigerma?en erleichtert sein, da? Sie noch leben. «Er schritt zu den Heckfenstern und starrte zur Navarra hinuber.»Sie haben, wie ich hore, einen Gefangenen?»
«Jawohl, Sir. Ich glaube, er ist Kurier. Er hatte zwar keine Briefe bei sich, aber anscheinend sollte er auf hoher See von einem anderen Schiff ubernommen werden. Die Navarra ist erheblich von ihrem Kurs abgewichen; ich glaube, er wollte zur afrikanischen Kuste.»
Broughton stie? einen Grunzer aus.»Er konnte uns einiges erzahlen. Diese franzosischen Beamten sind sehr versiert. Das mussen sie auch sein; sie haben ja gesehen, wie schnell ihre Vorganger unter dem Terror ihre Kopfe losgeworden sind. Wenn man ihm verspricht, da? er bald gegen einen englischen Gefangenen ausgetauscht wird, lost ihm das vielleicht die Zunge.»
«Mein Bootsfuhrer hat sich seinen Diener vorgenommen, Sir. Die Navarra hatte reichlich Wein geladen, das hat sehr geholfen. Unglucklicherweise wu?te der Mann wenig von Auftrag und Bestimmungsort seines Herrn; nur da? er bei der franzosischen Artillerie Offizier war. Aber ich glaube, wir behalten diese Information vorlaufig noch fur uns, bis wir besseren Gebrauch davon machen konnen.»
«Das ist dann sowieso zu spat«, erwiderte Broughton trube und ging stirnrunzelnd wieder zu dem Tisch mit der Karaffe.»Draffen hat einen ausgezeichneten Plan der Verteidigungsanlagen von Djafou bekommen. Er mu? ein paar sehr bemerkenswerte Freunde in dieser lausigen Gegend haben. Aber die Coquette hat mir schlechte Nachrichten gebracht. Anscheinend sind die Spanier aktiv geworden, besonders bei Algeciras. Es steht zu befurchten, da? die beiden Bombenwerferschif-fe nicht ohne Geleit segeln konnen. Und da mit einem frankospanischen Durchbruch unserer Blockade zu rechnen ist, haben wir keine Fregatte dafur ubrig. «Er verschrankte die Finger und sagte wutend:»Anscheinend wollen sie mir die Schuld dafur in die Schuhe schieben, hol sie der Teufel, da? die Auriga zum Feind ubergegangen ist!»
Bolitho sagte nichts dazu; es wurde noch mehr kommen. Es war in der Tat sehr schlimm, denn wenn die Bombenwerfer ausfielen, mu?te diese spezielle Aktion vielleicht verschoben werden. Aber er billigte die Entscheidung, sie nicht ohne Eskorte loszuschicken. Bei auch nur etwas rauher See waren sie schwierig zu manovrieren und eine leichte Beute fur eine patrouillierende feindliche Fregatte. Die Auriga hatte in Gibraltar fur diese Aufgabe abgestellt werden konnen; und fur den Oberkommandierenden war vermutlich die Tatsache, da? Broughton nicht fahig gewesen war, sie bei der Stange zu halten, ein guter Vorwand, keins der anderen Schiffe von der Blockade vor Cadiz und aus der Stra?e von Gibraltar abzuziehen. Oder vielleicht war es auch einfach so, da? keine Schiffe verfugbar oder in Abrufweite waren. Seltsamerweise hatte Bolitho seit Gibraltar kaum jemals an die Meuterei gedacht, wahrend Broughton offenbar die ganze Zeit daruber gebrutet hatte. Ja — in diesem Moment, wahrend sie beim Wein sa?en und die strahlende Sonne in tausend Reflexen an der Kajutendecke und uber die Mobel tanzte, landeten die Franzosen vielleicht in England oder hatten ein Feldlager bei Falmouth aufgeschlagen. Er schob jedoch den Gedanken sofort von sich, argerlich uber sich selbst — er wurde schon wieder so mude, da? er sich von Broughtons Auffassungen beeinflussen lie?.
«Wir mussen bald etwas tun«, sagte der Admiral,»oder wir schlagen uns plotzlich mit einem franzosischen Geschwader herum, ehe wir wissen, wo wir uberhaupt sind. Und dann werden wir uns ohne eine Basis, wo wir unsere Havarien ausbessern konnen, schwertun, nach Gibraltar zuruckzukommen, von der Einnahme Djafous ganz zu schweigen.»
«Darf ich fragen, wozu Sir Hugo rat?»
«Seine Aufgabe ist es, in Djafou, sobald wir es eingenommen haben, eine Verwaltung auf die Beine zu stellen, die in unserem Sinne arbeitet. Er kennt den Ort von fruher her und hat gute Beziehungen zu den dortigen Fuhrern. «Broughton wurde rot vor aufgestautem Arger.»Lauter Banditen sind das!»
Bolitho nickte. Draffen hatte also den Grund zu der ganzen Operation gelegt und wurde im Auftrag der britischen Regierung handeln, sobald die Stadt besetzt war, und vielleicht so lange, bis die britische Flotte wieder in voller Starke im Mittelmeer prasent war. Bis dahin war Broughton verantwortlich, und von seiner Entscheidung hing das ganze Unternehmen ab — seine Karriere selbst ebenfalls.
«Spanien«, sagte Bolitho,»hat in den letzten Jahren viel zuviel dafur investieren mussen, seine amerikanischen Kolonien zu halten, als da? es Geld oder Waffenhilfe fur einen Ort wie Djafou ubrig hatte, Sir. Spanien hat alle Hande voll mit dem Kleinkrieg in der Karibik. Sowohl mit Kaperschiffen als auch mit den Gro?machten — je nachdem, mit welcher es gerade alliiert ist. «Er beugte sich vor.»Angenommen, die Franzosen sind ebenfalls an Djafou interessiert, Sir? Es kann leicht sein, da? Spanien irgendwann die Partei wechselt. Dann ware ein weiterer Stutzpunkt auf dem afrikanischen Festland genau das, was Frankreich braucht. Und damit bekommt Djafou fur die Franzosen erheblich mehr Bedeutung.»
Broughton nippte an seinem Rotwein. Zeit gewinnen will er, dachte Bolitho, bevor er sich durch eine Antwort festlegt. Um Broughtons Augen liefen feine Linien, die auf Sorgen deuteten, und seine Finger trommelten nervos auf den Armlehnen.
Fur das Schiff und das gesamte Geschwader mu?te Broughtons Autoritat etwas Gottahnliches haben. Wenn schon ein Leutnant so himmelhoch uber einem gewohnlichen Matrosen stand, wie konnte da jemand einen Mann wie Broughton wirklich verstehen? Aber jetzt, wenn man sah, wie er grubelte und Bolithos vage Andeutungen in Gedanken um und um drehte, sah man mit seltener Deutlichkeit, was fur ein Problem diese Autoritat fur den Mann war, der sie besa?.
Endlich sagte Broughton:»Dieser Witrand. Halten Sie ihn fur eine Schlusselfigur?»
«In gewisser Hinsicht ja, Sir. «Bolitho war dankbar fur Broughtons rasche Auffassungsgabe. Thelwall war ein alter und, wenigstens so lange er auf der Euryalus gewesen war, noch dazu kranker Mann gewesen. Bolithos fruherer unmittelbarer Vorgesetzter, ein schwankender, unentschlossener Kommodore,[26] hatte ihn beinahe Schiff und Leben gekostet. Broughton war jedenfalls jung und intelligent genug, um zu sehen, wo eine lokale Aktion des Feindes auf etwas weit Gro?eres hindeutete, das in der Zukunft lag. Er fuhr fort:»Mein Bootsfuhrer hat von Witrands Diener herausbekommen, da? er fruher mit Quartiermachen, Anlegen von Artilleriestellungen und ahnlichem zu tun hatte. Ich glaube, er ist ein Mann von einiger Bedeutung.»
Broughton lachelte dunn.»Sir Hugos Gegenspieler im feindlichen Lager, eh?»
«Jawohl, Sir.»
«In welchem Falle wir noch weniger Zeit hatten, als ich dachte.»
Bolitho nickte.»Wir haben gehort, da? in Cartagena Schiffe zusammengezogen werden. Das liegt nur hundertzwanzig Meilen von Djafou, Sir.»
Der Admiral stand auf.»Sie wurden mir also raten anzugreifen, ohne auf die Bombenwerfer zu warten?»
«Wir haben, soviel ich sehe, gar keine Alternative, Sir.»
«Eine Alternative gibt's immer. «Broughton sah ihn wie aus weiter Ferne an.»In diesem Fall konnte ich mich entscheiden, nach Gibraltar zuruckzusegeln. Dann mu?te ich aber sehr gute Grunde dafur haben.
26
Befehlshaber eines kleineren Geschwaders, nicht im Admiralsrang