Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Andere waren ebenfalls aufgeentert oder klammerten sich an die Webeleinen, um den Horizont abzusuchen. Bolitho fuhlte einen Klo? in der Kehle. Es war gewi? wieder nicht die Hyperion, denn ihre Masten und Rahen hatten sie jetzt schon klar erkannt.
Jenour schrie etwas herunter. In den Gerauschen der Takelage drang seine Stimme fast nicht bis zum Achterdeck.
«Es ist ein Englander, Sir! Zeigt seine Nummer!»
Parris kletterte in die Besanwanten und richtete sein Glas auf die beiden Verfolger.
«Sie teilen sich, um uns in die Zange zu nehmen, Sir Richard. Sie mussen den Englander ebenfalls gesichtet haben. «Wutend setzte er hinzu:»Nicht, da? er uns jetzt noch helfen konnte, verflucht noch mal!»
Jenour meldete sich wieder:»Es ist die Phaedra, unsere Korvette.»
Bolitho fuhlte, da? Parris ihn ansah. Die vermi?te Korvette hatte sich endlich eingefunden, aber nur, um Zeugin ihres Endes zu werden.
Jenour meldete sich aufs neue, brach ab und versuchte es wieder. Seine Stimme war kaum noch verstandlich.
«Phaedra hat ein Signal gesetzt, Sir! Es lautet: Feind in Sicht!»
Bolitho schaute zu Boden, auf die dunkle Stelle an Deck, wo ein spanischer Seemann gestorben war. Dieses Signal wurde von allen anderen Schiffen verstanden werden, auch von den fremden. Er dachte an seine alte Hyperion, wie dort die Manner beim Trommelklang auf Gefechtstationen gerannt waren.
Voll unglaubigem Erstaunen meldete Parris:»Die Dons drehen ab, Sir Richard!«Er wischte sich das Gesicht, vielleicht sogar die Augen.»Verdammt, macht es nachstes Mal nicht so spannend!»
Indessen verbla?ten die spanischen Bramsegel im Dunst, und die flinke Korvette naherte sich dem Schatzschiff und seinem einzigen Begleiter. Bald stellte sich heraus, da? sie ganz allein war.
Das ungleiche Trio rollte beigedreht in der Dunung, als der jugendliche Kommandant der Phaedra in seiner Gig herubergerudert wurde. Hastig kletterte er an der hohen Bordwand empor und luftete den Hut vor Bolitho; kaum konnte er sein Grinsen zuruckhalten.
«Wo sind die anderen Schiffe?«Bolitho starrte den jungen Mann verblufft an.»Wem galt Ihr Signal?»
Der Commander ri? sich zusammen.»Mein Name ist Dunstan, Sir Richard.»
Bolitho dankte.»Und woher kennen Sie mich?»
Das Grinsen leuchtete wieder auf wie ein Sonnenstrahl in einer Wolkenlucke.
«Ich hatte die Ehre, auf der Euryalus unter Ihnen zu dienen, Sir Richard. «Sichtlich stolz schaute er um sich.»Als Fahnrich. Und da entsann ich mich, wie Sie selbst einmal den Feind mit diesem Signal getauscht und vertrieben haben. «Er holte tief Luft.»Aber ich war nicht sicher, ob es auch mir gelingen wurde«, setzte er kleinlaut hinzu.
Bolitho ergriff Dunstans Hand und hielt sie einige Augenblicke fest.»Jetzt wei? ich, da? wir gewinnen werden«, sagte er schlie?lich.
Er wandte sich ab, und nur Allday sah, wie bewegt er war. Der alte Bootssteurer blickte zur Phaedra mit ihren Achtzehnpfundern hinuber. Vielleicht merkte Bolitho jetzt, was er fur andere bedeutete? Aber er bezweifelte es.
VIII Ein bitterer Abschied
Der Sehr Ehrenwerte Viscount Somervell blickte von einem Stapel Geschaftspapiere hoch und musterte Bolitho aufmerksam.
«Also akzeptieren Sie Kapitan Havens Erklarung?»
Bolitho lehnte an der kuhlen Wand neben einem Fenster.
Trotz des stetigen Windes, der sie die ganze Strecke bis English Harbour begleitet hatte, war die Luft hier druckend und feucht. Die Brandung vor dem Hafen drau?en schaumte nicht mehr wei?, sondern flo? in der Abendsonne wie geschmolzene Bronze uber den Sandstrand.
Von hier aus konnte er die Ciudad de Sevilla deutlich sehen. Nach dem tumultuosen Willkommen hatten sie sofort begonnen, die Ladung zu loschen. Leichter und Boote pullten standig hin und her. Bolitho hatte noch nie so viele Rotrocke jeden Meter ihres Weges bewachen gesehen. Das mu?te sein, wie ihm Somervell erklarte, bis man die reiche Beute auf mehrere kleine Fahrzeuge verteilt und das Risiko verringert hatte.
Bolitho blickte uber die Schulter. Somervell hatte Haven schon wieder vergessen. Der Admiral bemerkte erst jetzt, da? er noch dieselben Kleider trug wie auf der Ciudad de Sevilla, als sie tags zuvor hier vor Anker gegangen waren.
Die Hyperion und zwei der Briggs waren erst vor Antigua zu ihnen gesto?en. Bolitho hatte es vorgezogen, Haven zu sich auf die Ciudad zu rufen, anstatt aufsein Flaggschiff zu gehen, wo es schon genug Spekulationen gegeben haben mu?te.
Haven war merkwurdig selbstsicher gewesen, als er Rede und Antwort stand. Um sein Verhalten zu erklaren, wenn schon nicht zu entschuldigen, hatte er seinen Bericht auch schriftlich vorgelegt. Hyperion und die kleine Flottille waren vor Puerto Cabello dicht unter Land gesegelt, damit es aussah, als wollten sie in den Hafen eindringen, und dabei in das Feuer einer Kustenbatterie geraten. Haven war uberzeugt gewesen, da? sich die Fregatte Consort noch im Hafen befand, und hatte trotz der Kanonen des Forts die Brigg Vesta zur Aufklarung entsandt. Die Spanier aber hatten vor dem Hafen eine schwimmende Balkensperre liegen, und Vesta war mit dieser kollidiert. Die Batterie brauchte nur wenige Minuten, um sich auf Vesta einzuschie?en, und da sie gluhende Kugeln verwendete, ging die hilflose Brigg bald in Flammen auf, bis sie schlie?lich von einer gewaltigen Explosion vernichtet wurde.
Haven hatte gleichmutig weiterberichtet:»Andere Feindschiffe kamen auf uns zu. Ich handelte nach eigenem Ermessen, wie Sie mir befohlen hatten, Sir Richard, und zog mich zuruck. Ich nahm an, da? Sie bis zu diesem Zeitpunkt entweder erfolgreich oder unverrichteter Dinge auf dem Heimweg waren. Jedenfalls habe ich die Spanier planma?ig abgelenkt, nicht ohne Gefahr fur mein
Schiff.»
Bolitho konnte Haven nicht tadeln. Eine Balkensperre mochte man einkalkulieren oder auch nicht. Er hatte eben nach Ermessen gehandelt. Eine andere Brigg, die Tetrarch, hatte aber alles riskiert und war trotz Rauch und Beschu? in die Hafeneinfahrt gesegelt, um Leute der Vesta zu retten. Einer der Uberlebenden war ihr schwerverwundeter Kommandant, Commander Murray. Er lag in einem angrenzenden Gebaude bei den verwundeten Enterern und den Resten der Vesta-Crew, die man aus Feuer und Wasser gerettet hatte, den beiden schlimmsten Feinden des Seemanns.
«Einstweilen akzeptiere ich sie, Mylord«, antwortete Bolitho.
Somervell blatterte lachelnd in den Frachtpapieren der Ciudad de Sevilla. »Tod und Teufel, damit mu? selbst Seine Majestat zufrieden sein. «Er schaute wieder hoch.»Ich wei?, Sie trauern der Brigg nach, wie es der Navy geziemt. Doch gemessen an dem, was wir gewonnen haben, war es ein kleines Opfer.»
Bolitho zuckte die Achseln.»Vielleicht fur jene, die nicht ihre kostbare Haut zu Markte tragen mussen. Offen gesagt, ich hatte lieber die Consort herausgeholt.»
Bedachtig verschrankte Somervell die Arme.»Sie haben Gluck gehabt. Aber wenn Sie Ihren Arger nicht zugeln oder ihm ein anderes Ziel geben, wird Sie das Gluck verlassen, furchte ich. Machen Sie also das Beste draus.»
Die Tur offnete sich, und Jenour spahte suchend herein.
Bolitho entschuldigte sich, doch Somervell schien gar nicht hinzuhoren. Er tauchte schon wieder in einer Welt von Gold und Silber unter.
Jenour flusterte:»Ich furchte, Commander Murray macht es nicht mehr lange, Sir Richard.»
Bolitho folgte ihm uber die breite, fliesenbedeckte Terrasse, die zum Behelfslazarett fuhrte. Immerhin hatten sie eins. Manner, die sic h mit im Kampf erlittenen Wunden abqualten, sollten nicht das Lager mit Soldaten teilen, die am ansteckenden Gelben Fieber starben.
Bolitho blickte fluchtig auf die See hinaus, bevor er das Gebaude betrat. Sie wirkte bedrohlich, der Himmel ebenfalls. Zog ein Sturm auf? Er wurde sich mit dem Segelmeister der Hyperion beraten mussen.