Bolitho lie? den Arm mit dem Degen baumeln, die andere Hand steckte im Ausschnitt seines Hemdes. Unter der hei?en, feuchten Haut spurte er seinen Herzschlag; und doch war ihm kalt.
«Da ist es!»
Er hatte die Mastspitzen des gro?en Schiffes unterhalb des Forts entdeckt. Es konnte gar nichts anderes sein als die von Somervell erwahnte Galeone. Er sah Catherines Augen auf sich gerichtet, stolz und fordernd. Und sehr fern.
Da lie? er das Grubeln sein und hob langsam den linken Arm, bis das Sonnenlicht die Klinge streifte, als hatte er sie in geschmolzenes Gold getaucht.
Auf allen Seiten umgaben ihn die Gerausche von See, Wind und Gischt, dazu das lebhafte Geklapper des laufenden Guts und das
Knarren der Wanten, als sich das Deck beim Uberstaggehen neigte.
Bolitho schrie:»Da vom liegt sie, Jungs! Bald sind wir quitt!«Doch niemand antwortete; denn nur die Toten der Hyperion hatten ihn verstanden.
VII Die Schatzschiffe
Das schwache Tageslicht erschwerte es Bolithos Augen, die Einzelheiten der Faltkarte zu erkennen. Er wunschte, er hatte noch Zeit gehabt, in der winzigen Schonerkajute alles genau zu uberprufen, doch war jede Sekunde kostbar. Wenn er vom schragen Kompa?gehause aufschaute, offnete sich vor ihm die gro?e Reede wie ein Amphitheater. Da lagen noch mehr Schiffe vor Anker, aber aus der Entfernung wirkten sie wie beim Zentralfort zusammengedrangt. Dahinter lag die Kuste mit wei?en Hausern und dem Anfang einer gewundenen Stra?e, die ins Binnenland fuhrte. Jeder Berggipfel wurde vom Sonnenlicht bestrichen. Die blaugrauen Massen uberschnitten sich und verbla?ten in der Ferne, wo sie mit dem Himmel verschmolzen.
Er starrte das spanische Schiff an, das in seiner Gro?e der Hyperion gleichkam. Es mu?te einen Monat oder mehr gedauert haben, es mit dem Gold und Silber zu beladen, das auf Packeseln und in Karren hergebracht wurde, wobei es Soldaten auf jeder Meile bewachten.
In Kurze, ehe die Sonne hoherstieg und die ankernde Thor verriet, wurde Leutnant Dalmain das Feuer auf die Batterie eroffnen.
Auf dem Deck des Schoners Spica sa? die alte Mannschaft an der Luvverschanzung und betrachtete die britischen Seeleute. Kein Wunder, da? sie keinen Widerstand geleistet hatte. Im Gegensatz zu den sauberen Schweden sahen die Manner der Hyperion wie Piraten aus. Dacie, der Bootsmannsmaat, hielt den Kopf schief, so da? er gleichzeitig seine Manner und den Kapitan der Spica beobachten konnte. Uber einer leeren Augenhohle trug er eine schwarze Binde, die ihm ein schurkisches Aussehen verlieh. Parris' Vertrauen in ihn war offenbar gerechtfertigt. Skilton, einer der Meistergehilfen, war der einzige, der mit seinem biesenbesetzten Rock so etwas wie eine Uniform trug.
Auch Jenour war dem Beispiel seines Admirals gefolgt und hatte Hut und Rock abgelegt. Er trug einen Degen mit feiner blauer Klinge aus deutschem Stahl, den seine Eltern ihm mitgegeben hatten.
Bolitho suchte sich zu lockern. Es war ein weiter Weg aus jenem stillen Zimmer der Admiralitat, wo man diesen Plan mit aller Grundlichkeit erortert hatte, bis hierher.
Parris trug das Hemd bis zur Taille offen. In der frischen Landbrise fiel ihm sein dunkles Haar uber die Augen. Hatte Haven ein Recht, ihn zu verdachtigen? Schwer zu sagen. Man hatte es verstehen konnen, wenn Mrs. Haven ihn dem farblosen Kapitan vorzog.
Eine Mowe flog uber das Toppsegel. Ihr wilder Schrei mischte sich mit dem Geschmetter einer fernen Trompete. An Land oder vor Anker, uberall regten sich Manner, griffen Koche nach ihren Potten und Pfannen. Parris grinste Bolitho uber die Lange des Decks hinweg zu und rief:»Gleich gibt's ein unsanftes Erwachen, Sir Richard!»
Trotzdem war der Knall, als er kam, eine Uberraschung. Es war ein doppelter Donnerschlag, der uber das Wasser rollte und wie ein Gegensalut als Echo zuruckkam. Die Morser!
Bolitho sah plotzlich Francis Inch vor sich, dem man als erstes Kommando eine Bombarde wie die Imries gegeben hatte. Er konnte fast seine Stimme horen wie damals, als er mit seinem Pferdegesicht aufmerksam an den Morsern entlanggegangen war, jede Richtung abwagend und jeden Schu?.
Als die beiden Morser aufs neue feuerten, verga? er Inch. Die Druckwelle der Detonation prallte gegen ihr Schiff. Bolitho fa?te seinen Degen fester, als sich an des gro?en Spaniers Rahen Flaggen entfalteten.
«Setzt das Erkennungssignal, Mr. Hazlewood!»
Die zwei Flaggen flitzten hoch und flatterten trage. Jetzt fehlte nur noch, da? der Wind nachlie? und sie hilflos dalagen.
Parris brullte:»Springt umher, ihr faulen Bruder! Schwenkt die Arme, zeigt achteraus! Aber aufgeregt!«Er lachte wild, als einige Seeleute die Verfolgten zu markieren begannen.
Bolitho schnappte sich ein Fernglas und richtete es auf den verankerten Spanier. Etwa eine halbe Kabellange dahinter lag ein zweites Schiff. Zwar kleiner als die Ciudad de Sevilla, aber wahrscheinlich mit genugend Beute, um eine Armee monatelang zu unterhalten.
Parris rief:»Sie haben Enternetze aufgezogen, Sir Richard!«Der nickte.»Wir andern Kurs und laufen ihm vor den Bug!«Es sollte so aussehen, als ob sie den Schutz des nachsten Forts suchten.»Ruder nach Lee, Sir!«»Stutz! Recht so!»
Bolitho hielt sich fest. Der Schoner lag hart am Wind, die Segel killten und schlugen. Er zuckte zusammen, als die Morser wieder einsetzten. Die Kustenbatterie schwieg noch immer. Vielleicht hatte schon die erste Salve gewirkt, waren die schweren Kugeln wie todliche Dreschflegel auf sie niedergegangen und hatten Eisensplitter und Schrappnells verspritzt.
Achteraus von Spica zogen Rauchschwaden dahin, auch war Dunst aufgekommen, der den Weg durch die Untiefen vollig verbarg. Das konnte die Einfahrt der nachkommenden Thor verzogern, aber so war sie wenigstens vor der Batterie sicher.
Bolitho sagte:»Unsere Leute sollen sich ja nicht sehen lassen, Mr. Parris!»
Jemand schrie:»Wachboot an Steuerbord, Sir!»
Bolitho schwenkte das Fernglas und sah einen dunklen Bootsrumpf um ein ankerndes Handelsschiff biegen. Vielleicht hatten seine Leute eben noch an ihre Siesta gedacht, an etwas Wein im Sonnenschein. Er sah die glanzend rot gemalten Riemen eifrig pullen, um das Boot moglichst eng zu drehen.
Weiter hinten konnte er die Umrisse einer spanischen Fregatte mit leeren Masten erkennen. Vermutlich wurde sie neu ausgestattet oder besserte nach dem Sturm ihre Schaden aus.
«Zwei Strich Steuerbord, Mr. Parris!«Bolitho hielt das Glas fest, als sich das Deck wieder neigte. Er horte weitere Trompetensto?e, wahrscheinlich vom neuen Fort, und konnte sich ausmalen, wie die aufgeschreckten Artilleristen an ihre Geschutze rannten, noch ungewi?, was eigentlich geschah. Kanonendonner. Doch nichts war in Sicht au?er einem schwedischen Schoner, der verstandlicherweise Schutz suchte; keine feindliche Flotte, kein kuhner Vorsto?. Schlie?lich hatten die au?eren Forts solch verwegene Dummheit aufgehalten.
Der Kluverbaum der Spica schwang seitwarts, als ob er die Back des Schatzschiffes aufspie?en wollte, obwohl sie noch immer eine Kabellange entfernt waren. Das Wachboot pullte ihnen ohne sonderliche Eile entgegen. Ein Offizier erhob sich und spahte durch Rauch und Dunst.
Bolitho sagte:»Das Wachboot wird sich dazwischenschieben. Tut so, als ob ihr Segel refft.»
Ein plotzlicher Windsto? fullte das Toppsegel, und hoch uber Deck ri? knallend eine Leine. Dacie stie? einen Matrosen mit der Faust an.»Hoch mit dir, Junge! Sieh nach!»
Er richtete nur sekundenlang den Blick nach oben, aber es genugte, da? der schwedische Kapitan vorspringen und einem kauernden Seemann das Gewehr entrei?en konnte. Er legte es auf die Verschanzung und feuerte dem Wachboot entgegen. Der Pulverdampf hatte sich noch nicht verzogen, da lag der Kapitan schon an Deck, von einem Englander niedergeschlagen.