»Ist das nicht toll, Harry?«, sagte Colin, kaum hatte Harry die Kerkertur hinter sich geschlossen.»Oder, Harry? Da? du Champion bist!«

»Ja, echt toll«, sagte Harry matt, wahrend sie die Stufen zur Eingangshalle hochgingen.»Wozu brauchen sie Fotos, Colin?«

»Fur den Tagespropheten, glaub ich!«

»Gro?artig«, sagte Harry lahm.»Genau das, was mir fehlt. Noch mehr Rummel.«

»Viel Gluck!«, sagte Colin, als sie vor dem Raum standen. Harry klopfte und trat ein.

Es war ein recht kleines Klassenzimmer; die meisten Tische waren nach hinten an die Wand geruckt worden, um in der Mitte viel Platz zu schaffen; drei Tische jedoch waren langs der Tafel aufgestellt und mit einem langen samtenen Tuch bedeckt. Funf Stuhle standen hinter diesen Tischen und auf einem davon sa? Ludo Bagman und unterhielt sich mit einer Hexe in magentarotem Umhang. Harry hatte sie noch nie gesehen. Viktor Krum stand wie immer mi?gelaunt in einer Ecke und sprach mit niemandem. Cedric und Fleur unterhielten sich. Fleur sah um einiges glucklicher aus, als Harry sie bisher gesehen hatte; immer wieder, wenn sie den Kopf zuruckwarf, leuchtete ihr langes Silberhaar im Licht auf. Ein dickbauchiger Mann mit einer gro?en schwarzen Kamera in der Hand, aus der es ein wenig rauchte, beobachtete Fleur aus den Augenwinkeln.

Bagman, der plotzlich bemerkt hatte, da? Harry eingetreten war, sprang auf und kam beschwingt auf ihn zu.»Aah, da ist er ja! Unser Champion Nummer vier! Komm herein, Harry, immer rein mit dir… keine Sorge, es geht nur um die Eichung der Zauberstabe, die anderen Schiedsrichter werden gleich da sein -«

»Eichung der Zauberstabe?«, fragte Harry nervos.

»Wir mussen prufen, ob eure Zauberstabe in Ordnung sind und keine Probleme machen, da sie doch die wichtigsten Werkzeuge fur die kommenden Aufgaben sind«, sagte Bagman.»Der Fachmann ist gerade oben bei Dumbledore. Und dann gibt es noch einen kleinen Fototermin. Darf ich vorstellen, Rita Kimmkorn«, fugte er hinzu und wies auf die Hexe mit dem magentaroten Umhang,»sie schreibt fur den Tagespropheten einen kleinen Artikel uber das Turnier…«

»Vielleicht nicht ganz so klein, Ludo«, sagte Rita Kimmkorn, die Augen auf Harry gerichtet.

Sie hatte eine kunstvolle und auffallig steife Lockenfrisur, die uberhaupt nicht zu ihrem schwerkiefrigen Gesicht passen wollte, und trug eine juwelenbesetzte Brille. Ihre dicken Finger, die den Griff einer Krokodillederhandtasche umklammerten, endeten in funf Zentimeter langen, karmesinrot lackierten Fingernageln.

»Ware es vielleicht moglich, da? ich rasch ein Wort mit Harry wechsle, bevor wir anfangen?«, fragte sie Bagman, ohne den Blick von Harry abzuwenden.»Der jungste Champion, Sie wissen schon… damit das Ganze ein wenig Pep kriegt?«

»Naturlich!«, rief Bagman.»Das hei?t – wenn Harry keine Einwande hat?«

»Ahm -«, sagte Harry.

»Wunderbar«, sagte Rita Kimmkorn, und schon hatten ihre knallroten Krallenfinger Harry uberraschend fest am Oberarm gepackt. Sie bugsierte ihn hinaus auf den Gang und offnete eine Tur nebenan.

»Dort drin ist es doch viel zu laut fur uns«, sagte sie.»Sehen wir mal… ah ja, hier ist es nett und gemutlich.«

Es war ein Besenschrank. Harry starrte sie an.

»Komm mit, mein Lieber – so ist es recht – wunderbar«, sagte Rita Kimmkorn, lie? sich vorsichtig auf einem umgekippten Eimer nieder, druckte Harry hinunter auf einen Pappkarton und schlo? die Tur. Es war stockdunkel.»Wollen mal sehen…«

Sie lie? ihre Krokodillederhandtasche aufschnappen und zog eine Hand voll Kerzen heraus, die sie mit einem Schlenker ihres Zauberstabs entzundete und in der Luft schweben lie?, so da? sie sehen konnten, was sie taten.

»Du hast doch nichts dagegen, Harry, wenn ich eine Flotte-Schreibe-Feder benutze? Dann kann ich in aller Ruhe mit dir reden…«

»Eine was?«

Rita Kimmkorns Lacheln wurde immer breiter. Harry zahlte drei Goldzahne. Sie steckte die Hand erneut in die Krokodilledertasche und zog eine lange giftgrune Feder und eine Rolle Pergament hervor, die sie auf einer Lattenkiste mit Mrs Skowers Magischem Allzweckreiniger zwischen ihr und Harry ausrollte. Sie nahm die Spitze der grunen Feder in den Mund, saugte kurz mit offensichtlichem Genu? daran, dann stellte sie die Feder senkrecht auf das Pergament, wo sie zitternd auf der Spitze stehen blieb.

»Probe… mein Name ist Rita Kimmkorn, Reporterin des Tagespropheten.«

Harry sah rasch hinunter auf die Feder. Kaum hatte Rita Kimmkorn den Mund zugemacht, begann die grune Feder schwungvoll uber das Pergament zu fliegen:

Die attraktive Rita Kimmkorn (43), deren feurige Feder manch einen aufgeblahten Ruf durchlochert hat -

»Wunderbar«, sagte Rita Kimmkorn erneut, ri? das beschriebene Stuck Pergament ab, zerknullte es und steckte es in ihre Handtasche. Dann beugte sie sich zu Harry hinuber und sagte:»Nun, Harry… warum hast du dich entschlossen, am Trimagischen Turnier teilzunehmen?«

»Ahm -«, sagte Harry, doch die Feder lenkte ihn ab. Obwohl er gar nichts sagte, flitzte sie uber das Pergament und hinterlie? als Spur einen frischen Satz:

Eine ha?liche Narbe, Erinnerung an seine tragische Vergangenheit, entstellt den ansonsten durchaus reizenden Harry Potter, dessen Augen -

»Achte nicht auf die Feder, Harry«, sagte Rita Kimmkorn gebieterisch. Zogernd sah Harry zu ihr auf.»Nun – warum hast du beschlossen, am Turnier teilzunehmen, Harry?«

»Das hab ich nicht«, sagte Harry.»Ich wei? nicht, wie mein Name in den Feuerkelch geraten ist. Ich hab ihn jedenfalls nicht eingeworfen.«

Rita Kimmkorn hob eine mit kraftigem Stift nachgezogene Augenbraue.»Komm schon, Harry, du brauchst keine Angst zu haben, da? du Schwierigkeiten bekommst. Wir wissen alle, da? du dich eigentlich gar nicht hattest bewerben durfen. Aber mach dir daruber keine Gedanken. Unsere Leser stehen auf Rebellen.«

»Aber ich habe mich wirklich nicht beworben«, wiederholte Harry.»Ich wei? nicht, wer -«

»Welches Gefuhl hast du, wenn du an die kommenden Aufgaben denkst?«, fragte Rita Kimmkorn.»Bist du aufgeregt? Nervos?«

»Im Grunde hab ich noch nicht daruber nachgedacht… Jaah, nervos vielleicht schon«, sagte Harry. Sein Magen verkrampfte sich schmerzhaft, wahrend er sprach.

»Es sind schon Champions gestorben!«, sagte Rita Kimmkorn munter.»Hast du uberhaupt schon daran gedacht?«

»Na ja… sie sagen, es sei dieses Jahr viel sicherer«, sagte Harry.

Die Feder sauste uber das Pergament zwischen ihnen, vor und zuruck, als wurde sie Schlittschuh laufen.

»Naturlich hast du dem Tod schon einmal ins Angesicht geblickt, nicht?«, sagte Rita Kimmkorn und musterte ihn scharf.»Wie, wurdest du sagen, hat dich das personlich betroffen gemacht?«

»Ahm«, sagte Harry noch einmal.

»Glaubst du, da? dich das Trauma deiner Kindheit dazu fuhrt, dich immer von neuem beweisen zu wollen? Deinem Namen alle Ehre zu machen? Bist du vielleicht der Versuchung erlegen, am Trimagischen Turnier teilzunehmen, weil -«

»Ich hab mich nicht beworben!«, sagte Harry und spurte, wie Zorn in ihm hochkochte.

»Kannst du dich uberhaupt an deine Eltern erinnern?«, fragte Rita Kimmkorn, ohne auf ihn einzugehen.

»Nein«, sagte Harry.

»Wie, glaubst du, wurden deine Eltern sich fuhlen, wenn sie wu?ten, da? du am Trimagischen Turnier teilnimmst? Stolz? Besorgt? Wutend?«

Jetzt ging sie Harry entschieden auf die Nerven. Woher um Himmels willen sollte er wissen, wie sich seine Eltern fuhlen wurden, wenn sie noch lebten? Er spurte, da? ihn Rita Kimmkorn scharf beobachtete. Er runzelte die Stirn, mied ihren Blick und sah hinunter auf das, was die Feder gerade geschrieben hatte:

Tranen erfullen diese verbluffend grunen Augen, sobald unser Gesprach sich den Eltern zuwendet, an die er sich kaum noch erinnern kann.

»Ich habe KEINE Tranen in den Augen!«, sagte Harry laut.

Bevor Rita Kimmkorn ein Wort sagen konnte, ging die Tur des Besenschranks auf. Harry drehte sich um und blinzelte gegen das helle Licht. Drau?en stand Albus Dumbledore und sah hinunter auf sie beide, wie sie da im Besenschrank eingepfercht sa?en.