6. Abenteuer
Wie Gunther um Brunhilde warb
Wieder neue Mare erhob sich uber Rhein:
Man sagte sich da ware manches Magdelein.
Sich eins davon zu werben sann Konig Gunthers Mut
Das dauchte seine Recken und die Herren alle gut. (330)
Es war eine Konigstochter gesessen uberm Meer,
Ihr zu vergleichen war keine andre mehr.
Schon war sie aus der Ma?en, gar gro? war ihre Kraft;
Sie schoss mit schnellen Degen um ihre Minne den Schaft. (331)
Den Stein warf sie ferne, nach dem sie weithin sprang;
Wer ihrer Minne gehrte, der musste sonder Wank
Drei Spiel ihr abgewinnen, der Frauen wohlgeboren;
Gebrach es ihm an einem, so war das Haupt ihm verloren (332)
Das hatte die Jungfrau gar manches Mal getan.
Das erfuhr am Rheine ein Ritter wohlgetan,
Der seine Sinne wandte auf das schone Weib.
Drum mussten bald viele Degen verlieren Leben und Leib. (333)
* Als einst mit seinen Leuten sa? der Konig hehr,
Ward es von allen Seiten beraten hin und her,
Welche ihr Herre sollte zum Weibe sich ersehn,
Die er zur Frauen wollte, und dem Lande mochte wohl anstehn. (334)
Da sprach der Vogt vom Rheine: “Ich will an die See
Hin zu Brunhilden, wie es mir ergeh.
Ich will um ihre Minne verwagen meinen Leib,
Und den will ich verlieren, gewinn ich sie nicht zum Weib.” (335)
“Das will ich widerraten,” hub Siegfried an und sprach,
“Es lebt so grimmer Sitte die Konigstochter nach,
Wer wirbt um ihre Minne, dem kommt es hoch zu stehn:
Drum mogt ihrs wohl entraten auf diese Reise zu gehn.” (336)
* Da sprach der Konig Gunther: “Nie wurde noch ein Weib
So stark und kuhn geboren, dass ich nicht ihren Leib
Im Streit bezwingen wollte allein mit meiner Hand.”
“Schweiget,” sprach da Siegfried, “euch ist die Frau nicht bekannt: (337)
* Und waren Eurer Viere, die konnten nicht gedeihn
Vor ihren starken Kraften: drum lasst den Willen sein,
Das rat ich euch in Treuen: Entgeht ihr gern dem Tod,
So macht um ihre Minne euch nicht vergebliche Not.” (338)
* “Sei sie so stark sie wolle, die Reise muss ergehn
Hin zu Brunhilden, mag mir was will geschehn;
Ihrer hohen Schonheit willen muss es gewaget sein;
Vielleicht dass Gott vergonnet, dass sie mir folgt an den Rhein.” (339)
“So horet was ich rate,” begann da Hagen,
“Ihr bittet Siegfrieden mit euch zu wagen
Die fahrliche Reise; das ist der beste Rat,
Weil er von Brunhilden so gute Kunde doch hat.” (340)
Er sprach: “Viel edler Siegfried, willst du mein Helfer sein
Zu werben um die Schone? Tu nach der Bitte mein;
Und gewinn ich mir zur Trauten das minnigliche Weib,
So verwag ich deinetwillen Ehre, Leben und Leib.” (341)
Da versetzte Siegfried, Siegmundens Sohn:
“Ich will es tun, versprichst du die Schwester mir zum Lohn,
Die schone Kriemhilde, eine Konigin hehr;
So begehr ich keines Lohnes nach meinen Arbeiten mehr.” (342)
“Das gelob ich,” sprach da Gunther, “Siegfried, an deine Hand.
Und kommt die schone Brunhild hieher in dieses Land,
So will ich dir zum Weibe meine Schwester geben:
So magst du mit der Schonen immer in Freuden leben.” (343)
Des schwuren sie sich Eide, die Ritter kuhn und hehr,
Ihnen schuf es in der Ferne der Sorgen desto mehr,
Ehe sie die Fraue brachten an den Rhein;
Drob mussten die Kuhnen bald in gro?en Noten sein (344)
* Von wilden Gezwergen hort ich Mare sagen,
Dass sie in hohlen Bergen wohnen und Schirme tragen,
Die hei?en Tarnkappen, von wunderbarer Art:
Wer sie am Leibe trage, der sei gar wohl darin bewahrt (345)
* Vor Schlagen und vor Stichen; ihn mog auch niemand sehn
So lang er drin verweile; horen doch und spahn
Mag er nach seinem Willen, dass niemand sein gewahrt;
Ihm wachsen auch die Krafte, wie uns die Mare offenbart. (346)
Der Herre Siegfried fuhrte die Tarnkappe mit,
Die der kuhne Degen mit Sorgen einst erstritt
Von dem starken Zwerge mit Namen Alberich;
Da schickten sich zur Reise Recken kuhn und ritterlich. (347)
Wenn der starke Siegfried die Tarnkappe trug,
So gewann er drinnen der Krafte genug,
Zwolf Manner Starke zu der im eignen Leib;
Er erwarb mit gro?en Listen dieses herrliche Weib. (348)
Auch war so beschaffen die Nebelkappe gut,
Ein Jeder mochte drinnen tun nach seinem Mut
Was er immer wollte, dass ihn noch niemand sah.
Damit gewann er Brunhild, durch die ihm bald viel Leid geschah. (349)
“Nun sag mir, Degen Siegfried, eh meine Fahrt gescheh,
Wie wir mit vollen Ehren kommen an die See?
Sollen wir Recken fuhren in Brunhildens Land?
Drei?igtausend Degen, die werden eilends besandt.” (350)
* “Wie viel wir Volkes fuhrten,” Siegfried widersprach,
“Es lebt so grimmer Sitte die Konigin nach,
Das musste doch ersterben vor ihrem Ubermut.
Ich will euch besser raten, Degen ihr kuhn und gut. (351)
* “In Reckenweise fahren wir zu Tal den Rhein.
Die will ich dir nennen, die das sollen sein:
Wir fahren selbvierte nieder an die See,
Die Frau zu erwerben, was uns hernach auch gescheh. (352)
“Der Gesellen bin ich einer, du sollst der andre sein,
Und Hagen sei der dritte; wir mogen wohl gedeihn:
Der vierte das sei Dankwart, dieser kuhne Mann:
Es durfen andrer tausend zum Streite nimmer uns nahn.” (353)
“Die Mare wusst ich gerne,” der Konig sprach da so,
“Eh wir von hinnen fuhren (des war ich herzlich froh),
Was wir fur Kleider sollten vor Brunhilden tragen,
Die uns geziemen mochten: Siegfried, das sollst du mir sagen.” (354)
“Die allerbesten Kleider, die man irgend fand,
Tragt man zu allen Zeiten in Brunhildens Land:
Drum lasst uns reiche Kleider vor der Frauen tragen,
Dass wir nicht Schande haben, hort man kunftig von uns sagen.” (355)
* Da sprach der gute Degen: “So geh ich selber dann
Zu meiner lieben Mutter, ob ichs erbitten kann,
Dass uns Gewand bereite der schonen Magdlein Hand,
So wir mit Ehren tragen in der hehren Jungfrau Land.” (356)
* Da sprach von Tronje Hagen mit herrlichen Sitten:
“Was wollt ihr eure Mutter um solche Dienste bitten?
Lasst eure Schwester horen was euer Sinn begehrt,
So werden ihre Dienste zu dieser Hoffahrt euch gewahrt.” (357)
Da entbot er seiner Schwester, er wolle sie sehn,
Und auch der Degen Siegfried. Bevor das war geschehn,
Da hatte sich die Schone geschmuckt mit reichem Kleid:
Dass die Herren kamen schuf ihr wenig Herzeleid. (358)
Da war auch ihr Gesinde geschmuckt nach seinem Stand.
Die Fursten kamen beide; kaum war es ihr bekannt,
Da erhob sie sich vom Sitze: wie zuchtig sie da ging,
Als sie den edeln Fremdling und ihren Bruder empfing. (359)
“Sei willkommen, Bruder und der Geselle dein.
Nun mocht ich gerne horen,” sprach das Magdelein,
“Was euch Herrn geliebet, dass ihr zu Hofe kommt:
Nun lasst mich bald erfahren, was euch edeln Recken frommt.” (360)
Da sprach der Konig Gunther: “Frau, ich wills euch sagen.
Wir mussen gro?e Sorge bei hohem Mute tragen:
Wir wollen werben reiten fern in fremdes Land,
Und mochten zu der Reise haben zierlich Gewand.” (361)
“Nun sitzet, lieber Bruder,” sprach das Konigskind,
“Und lasst mich erst erfahren, wer die Frauen sind,
Die ihr gedenkt zu minnen in fremder Konge Land?”
Die Auserwahlten beide nahm die Fraue bei der Hand; (362)
Da ging sie mit den beiden hin, wo sie eben sa?,
Zu einem reichen Polster, wohl vernahm ich das,
Gewirkt mit guten Bildern, in Golde wohl erhaben:
Sie mochten bei den Frauen gute Kurzweile haben. (363)
Freundliche Blicke und gutliches Sehn,
Das mochte von den beiden viel hin und her geschehn.
Er trug sie in dem Herzen, sie war ihm wie sein Leib;
Bald ward die schone Kriemhild des kuhnen Siegfriedes Weib. (364)
* Da sprach der reiche Konig: “Viel liebe Schwester mein,
Ohne eine Hilfe kann es nimmer sein:
Wir wollen abenteuern in Brunhildens Land,
Da mussen wir vor Frauen tragen herrlich Gewand.” (365)
* Da sprach die Jungfraue: “Viel lieber Bruder mein,
Kann euch an meiner Hilfe dabei gelegen sein,
So sollt ihr inne werden, dass ich dazu bereit,
Und tus mit gutem Willen,” sprach die wonnigliche Maid. (366)
* Ihr sollt mich, edler Ritter, nicht in Sorgen bitten,
Ihr sollt mir gebieten mit herrlichen Sitten;
Was euch von mir gefalle, ich bin dazu bereit,
Und tus mit gutem Willen,” sprach die wonnigliche Maid. (367)
* “Wir wollen, liebe Schwester, tragen gut Gewand:
Das soll uns schaffen helfen eure edle Hand.
Lasst eure Magdlein sorgen, dass es uns herrlich steht,
Da man uns diese Reise doch vergebens widerrat.” (368)
Da sprach die Jungfraue: “Nun merkt die Rede mein:
Wir haben selber Seide: nun schafft, dass man Gestein
Uns auf den Schilden bringe, so wirken wir das Kleid.”
Dazu war Konig Gunther und Siegfried gerne bereit. (369)
“Wer sind die Gesellen,” sprach die Konigin,
“Die mit euch gekleidet zu Hofe sollen ziehn?”
Er sprach: “Unser Viere. Zwei aus meinem Lehn,
Dankwart und Hagen, sollen mit mir zu Hofe gehn. (370)
“Nun sollt ihr wohl behalten, was ich euch, Fraue, sage:
Schafft, dass ich selbvierter zu vier Tagen trage
Je der Kleider dreierlei, und also gut Gewand,
Dass wir ohne Schande raumen Brunhildens Land.” (371)
Mit gutem Urlaub gingen die beiden Herren hin.
Da berief die Jungfraun die schone Konigin
Aus ihrer Kemenate drei?ig Magdelein,
Die gar sinnreich mochten zu solchen Ubungen sein. (372)
In arabische Seide, so wei? als der Schnee,
Und gute Zazamanker, so grun als der Klee,
Legten sie Gesteine: das gab ein gut Gewand;
Die hehre Kriemhilde schnitts mit eigener Hand. (373)
Von fremder Fische Hauten Bezuge wohlgetan;
Die zu schauen fremde waren jedermann,
Bedeckten sie mit Seide, die sie sollten tragen;
Nun horet gro?e Wunder von dem lichten Staate sagen: (374)
Aus dem Land Marokko und auch von Libya
Der allerbesten Seide, die man jemals sah
Bei koniglichem Stamme, besa?en sie genug:
Wohl lie? Kriemhilde schauen, dass sie Sorge fur sie trug. (375)
Weil sie zu ihrer Reise so hohe Tracht begehrt,
Des Hermelines Felle, die dauchten sie viel wert,
Darob von Kohlenschwarze mancher Flecken lag:
Das trugen schnelle Helden noch gern bei einem Hofgelag. (376)
Aus arabischem Golde glanzte mancher Stein;
Der Frauen Unmu?e war nicht zu klein.
Sie schufen die Gewande in sieben Wochen Zeit;
Da war auch Gewaffen den guten Recken bereit. (377)
Da sie bereit waren, da war auch auf dem Rhein
Glei?iglich gezimmert ein starkes Schifflein,
Das sie tragen sollte hinunter an die See:
Den edeln Jungfrauen war von vieler Arbeit weh. (378)
* Da sagte man den Recken, es sei fur sie zur Hand,
Womit sie reisen sollten, das zierliche Gewand.
Alles was sie wunschten, das war nun geschehn;
Da wollten sie nicht langer mehr an dem Rheine bestehn. (379)
Zu den Heergesellen ein Bote war gesandt,
Ob sie schauen wollten ihr neues Gewand,
Ob es den Helden ware zu kurz oder zu lang;
Es war von rechtem Ma?e; des sagten sie den Frauen Dank. (380)
* Vor wen sie immer kamen, die mussten all gestehn,
Sie hatten nie auf Erden besser Gewand gesehn.
Drum mochten es die Helden zu Hofe gerne tragen:
Von besserm Ritterstaate wusste niemand mehr zu sagen. (381)
Wohl ward den schonen Maiden gro?er Dank gesagt.
Da baten um den Urlaub die Recken unverzagt;
In ritterlichen Zuchten taten die Herren das.
Da wurden lichte Augen trub von Weinen und nass. (382)
Sie sprach: “Viel lieber Bruder, ihr bliebet besser hier
Und wurbet andre Frauen; das schiene kluger mir;
Wo ihr nicht wagen musstet das Leben und den Leib.
Ihr findet in der Nahe wohl ein so hoch geboren Weib.” (383)
Dass ihnen Leid hier sprie?e, das Herz tats ihnen kund.
Sie mussten alle weinen, was reden mocht ein Mund.
Das Gold vor ihren Brusten ward von Tranen fahl:
Die fielen ihnen dichte von den Augen zu Tal. (384)
Da sprach sie: “Herr Siegfried, lasst euch befohlen sein
Auf Treue und auf Gnade den lieben Bruder mein,
Auf dass ihn nichts gefahrde in Brunhildens Land.”
Das versprach der Kuhne Frau Kriemhilden in die Hand. (385)
Da sprach der reiche Degen: “So lang mein Leben wahrt
Seit seintwegen, Fraue, von Sorgen unbeschwert.
Ich bring ihn euch geborgen wieder an den Rhein:
Das durft ihr sicher glauben.” Da dankt' ihm schon das Magdelein. (386)
Die goldfarbnen Schilde trug man an den Strand,
Und brachte zu dem Schiffe all ihr Rustgewand;
Ihre Rosse lie? man bringen; sie wollten nun hindann.
Alsbald von schonen Frauen gro?es Weinen begann. (387)
Da stand in den Fenstern manch minnigliches Kind;
Das Schiff mit seinem Segel ergriff ein hoher Wind.
Die stolzen Heergesellen sa?en auf dem Rhein;
Da sprach der Konig Gunther: “Wer soll nun Schiffmeister sein?” (388)
“Ich will es sein,” sprach Siegfried, “ich kann euch auf der Flut
Wohl von binnen fuhren, das wisset, Helden gut;
Die rechten Wasserstra?en, die sind mir wohl bekannt.”
So schieden sie frohlich aus der Burgonden Land. (389)
Eine Ruderstange Siegfried bald gewann:
Vom Gestad zu schieben fing er kraftig an.
Gunther der Kuhne ein Ruder selber nahm.
Da huben sich vom Lande die schnellen Ritter lobesam. (390)
Sie fuhrten reiche Speise, dazu guten Wein,
Den besten, den sie finden mochten um den Rhein.
Die Rosse standen eben; sie hatten gute Ruh.
Das Schifflein auch ging eben: wenig Leid stie? ihnen zu. (391)
Ihre starken Segelseile wurden angestrengt:
Sie fuhren zwanzig Meilen, eh sich der Tag gesenkt,
Mit einem guten Winde nieder nach der See:
Ihr starkes Arbeiten tat noch schonen Frauen weh. (392)
An dem zwolften Morgen, wie wir horen sagen,
Da hatten sie die Winde weit hinweg getragen
Nach Isenstein der Veste in Brunhildens Land.
Das war der Degen keinem als Siegfrieden nur bekannt. (393)
Als der Konig Gunther so viel der Burgen sah
Und auch der weiten Marken, wie balde sprach er da:
“Nun sagt mir, Freund Siegfried, ist euch das bekannt?
Wem sind diese Burgen und alle das herrliche Land? (394)
* “Ich hab in meinem Leben, das muss ich wohl gestehn,
So wohl gebauter Burgen nie so viel gesehn,
In irgend einem Lande, als wir hier ersahn:
Der sie erbauen konnte war wohl ein machtiger Mann.” (395)
Antwort gab ihm Siegfried: “Es ist mir wohl bekannt;
Es ist Brunhilden beides, die Burgen wie das Land,
Und Isenstein die Veste, glaubt mir furwahr:
Da mogt ihr heute schauen schoner Frauen gro?e Schar. (396)
“Ich will euch Helden raten: Seid all von einem Mut
Und sprecht in gleichem Sinne, so dunkt es mich gut;
Wenn wir nun heute vor Brunhilden gehn,
So mussen wir mit Sorgen vor der Konigstochter stehn. (397)
“Wenn wir die Minnigliche bei ihren Leuten sehn,
Sollt ihr, erlauchte Helden, nur einer Rede stehn:
Gunther sei mein Herre und ich sein Untertan;
So wird ihm sein Verlangen nach seinem Wunsche getan.” (398)
Sie waren all willfahrig zu tun wie er sie hie?,
In seinem Ubermute es auch nicht einer lie?,
Sie sprachen, wie er wollte; wohl frommt' es ihnen da,
Als der Konig Gunther die schone Brunhilde sah. (399)
* “Wohl tu ichs nicht so gerne um den Willen dein,
Als um deine Schwester, das schone Magdelein:
Die ist mir wie die Seele und wie mein eigner Leib;
Ich will es gern verdienen, dass sie werde mein Weib.” (400)