8. Abenteuer
Wie Siegfried zu den Nibelungen fuhr
Von dannen ging da Siegfried zum Hafen an den Strand
In seiner Tarnkappe, wo er ein Schifflein fand;
Darin stand ungesehn Konig Siegmunds Kind:
Er fuhrt' es bald von dannen, als ob es wehte der Wind. (496)
Den Schiffmeister niemand sah: Das Schifflein lustig floss
Von Siegfriedens Kraften, die waren also gro?.
Da wahnten sie, es fuhr es ein eigner starker Wind:
Nein! Es fuhrt' es Siegfried, der schonen Siegelinde Kind. (497)
Nach des Tags Verlaufe und in der einen Nacht
Kam er zu einem Lande von gewaltger Macht,
Es war wohl hundert Rasten und noch daruber lang,
Das Land der Nibelungen, wo er den gro?en Schatz errang. (498)
Der Degen fuhr alleine nach einem Werder breit,
Sein Schifflein band er feste, der Degen allbereit.
Er kam zu einem Berge, drauf eine Burg gelegen,
Und suchte Herberge, wie die Wegemuden pflegen. (499)
Da kam er vor die Pforte, die ihm verschlossen stand:
Sie bewachten ihre Ehre, wie Sitte noch im Land.
Ans Tor begann zu klopfen der unbekannte Mann;
Das wurde wohl behutet: da traf er innerhalben an (500)
Einen Ungefugen, der da der Wache pflag,
Bei dem zu allen Zeiten seine Waffe lag.
Der sprach: “Wer pocht so heftig da drau?en an das Tor?”
Da verkehrte seine Stimme der kuhne Siegfried davor. (501)
Und sprach: “Ich bin ein Recke, schleu? mir auf das Tor:
Sonst erzurn ich Manchen heute noch davor,
Der gern in Ruhe lage in seinem Schlafgemach.”
Das argerte den Pfortner, als da Siegfried also sprach. (502)
Der kuhne Riese hatte nun seine Rustung angetan,
Den Helm aufs Haupt geschwungen, der gewaltge Mann,
Den Schild erhob er balde, so stie? er auf das Tor:
Wie lief er da so grimmig den Helden Siegfried an davor! (503)
“Wie er zu wecken wage so manchen kuhnen Mann?”
Da wurden schnelle Schlage von seiner Hand getan.
Der edle Fremdling schirmte sich vor manchem Schlag:
Da hieb ihm der Pfortner in Stucke seines Schilds Beschlag (504)
Mit einer Eisenstange: Da litt der Degen Not;
Beinah begann zu furchten der Held den grimmen Tod,
Als mit solchen Kraften der Pfortner auf ihn schlug.
Dafur war ihm gewogen sein Herre Siegfried genug. (505)
Sie stritten so gewaltig, die Burg gab Widerhall.
Da horte man das Tosen in der Nibelungen Saal.
Er zwang zuletzt den Pfortner so, dass er ihn band;
Die Mare wurde kundig im ganzen Nibelungenland. (506)
Auch vernahm das Streiten von ferne durch den Berg
Alberich der kuhne, ein wildes Gezwerg.
Er waffnete sich balde, und lief hin, wo er fand
Diesen edeln Fremdling, wie er den Riesen eben band. (507)
Alberich war grimmig, stark dazu genug:
Helm und Panzerringe er an dem Leibe trug
Und eine schwere Geisel von Gold an seiner Hand:
Da lief er hin geschwinde, wo er Siegfrieden fand. (508)
Sieben schwere Knopfe, die hingen vorn daran,
Womit er vor der Linken den Schild dem kuhnen Mann
So bitterlich zergerbte, dass er zersplittert war.
Da kam der edle Fremdling beinah in Lebensgefahr. (509)
Den Schild er ganz zerbrochen seiner Hand entschwang.
Da stie? er in die Scheide eine Waffe, die war lang:
Seinen Kammerwarter wollt er nicht schlagen tot;
Er schonte seiner Leute, wie ihm die Tugend gebot. (510)
Er lief mit starken Handen Alberichen an,
Und fing bei dem Barte den altgreisen Mann.
Er zog daran gewaltig; dass laut er schrei vor Schmerz:
Des jungen Helden Strafe ging Alberichen ans Herz. (511)
Laut rief da der Kuhne: “Nun lasst mir das Leben;
Und hatt ich einem Helden mich nicht schon ergeben,
Dem ich schworen musste, ich war ihm untertan,
Ich dient euch bis zum Tode,” so sprach der listige Mann. (512)
Er band auch Alberichen, wie den Riesen eh:
Siegfriedens Krafte taten ihm gar weh.
Der Zwerg begann zu fragen: “Wie seid ihr genannt?”
Er sprach: “Ich hei?e Siegfried: Ich wahnt ich war euch bekannt.” (513)
Zwerg Alberich begann da: “O wohl mir dieser Mar'
Nun hab ich wohl empfunden an euern Werken hehr,
Dass ihrs verdienen moget des Landes Herr zu sein.
Ich tu was ihr gebietet: Lasst mir nur das Leben mein.” (514)
Da sprach der Degen Siegfried: “So macht euch auf geschwind,
Und bringt mir her, der Besten die im Lande sind,
Tausend Nibelungen: Ich wolle hier sie sehn:
So lass ich euch kein Leides an euerm Leben geschehn.” (515)
Da lost' er Alberichen und den Riesen von dem Band.
Hin lief der Zwerg geschwinde, wo er die Recken fand.
Er weckte wohl beflissen die in Niblungs Lehn,
Und sprach: “Wohlauf ihr Helden, ihr sollt zu Siegfrieden gehn.” (516)
Sie sprangen von den Betten und waren gleich bereit:
Tausend schnelle Ritter, die standen bald im Kleid.
Sie gingen hin zur Stelle, wo man Siegfried fand:
Der gru?te schon die Degen und gab Manchem die Hand. (517)
Viel der Kerzen brannten; man schenkt' ihm lautern Trank:
Dass sie so bald gekommen, des sagt' er Allen Dank.
Er sprach: “Ihr sollt von hinnen mir folgen uber Flut.”
Sie waren alle willig, diese Helden kuhn und gut. (518)
Wohl drei?ig hundert Recken waren gleich gekommen:
Aus ihnen wurden tausend der Besten da genommen.
Denen brachte man die Helme und ander Rustgewand,
Als er sie fuhren wollte hin zu Brunhildens Land. (519)
Er sprach: “Ihr guten Ritter, eins will ich euch sagen:
Ihr sollt mir reiche Kleider dort am Hofe tragen,
Denn uns muss da schauen manch minnigliches Weib:
Darum sollt ihr zieren mit gutem Staate den Leib.” (520)
* Nun mochten mich die Thoren vielleicht der Luge zeihn:
“Wie konnten so viel Ritter wohl beieinander sein?
Wo nahmen sie die Speise? Wo nahmen sie Gewand?
Und besa? er drei?ig Lander, er bracht es nimmer zu Stand. (521)
* Wie reich Siegfried gewesen, das ist euch wohl bekannt.
Der Hort Niblungens dient' ihm und das Konigsland:
Drum gab er seinen Degen volliglich genug;
Es ward ja doch nicht minder wie viel man von dem Schatze trug. (522)
Eines Morgens fruhe begannen sie die Fahrt;
Was schneller Gefahrten sich Siegfried da geschart!
Sie fuhrten gute Rosse und herrlich Gewand;
Sie kamen ungefahrdet hin zu Brunhildens Land. (523)
Da stand in den Zinnen manch minnigliches Kind.
Da sprach die Konigstochter: “Wei? jemand, wer die sind,
Die ich dort flie?en sehe so fern auf der See?
Sie fuhren reiche Segel, die sind noch wei?er als der Schnee.” (524)
Da sprach vom Rhein der Konig: “Mein Gefolg ist dies,
Das ich auf der Reise nicht weit von hier verlie?:
Ich habe sie besendet: Nun sind sie, Frau, gekommen.”
Der herrlichen Gaste ward mit Zuchten wahrgenommen. (525)
Da sah man Siegfrieden im Schiffe stehn voran,
In herrlichem Gewande mit manchem andern Mann.
Da sprach die Konigstochter: “Herr Konig, wollt mir sagen:
Soll ich die Gast empfangen oder ihnen Gru? versagen?” (526)
“Entgegen sollt ihr ihnen vor den Pallas gehn,
Ob ihr sie gerne sehet, dass sie das wohl verstehn.”
Da tat die Konigstochter wir ihr der Konig riet:
Siegfrieden mit dem Gru?e sie von den andern unterschied. (527)
Herberge gab man ihnen und wahrte ihr Gewand.
Da waren so viel Gaste gekommen in das Land,
Dass sie sich allenthalben drangten mit den Scharen:
Da wollten heim die Kuhnen zu den Burgonden fahren. (528)
Da sprach die Konigstochter: “Dem blieb' ich immer hold,
Der da verteilen wollte mein Silber und mein Geld
Meinen Gasten und des Konigs, des ich so viel gewann.”
Zur Antwort gab ihr Dankwart, des kuhnen Geiselher Mann: (529)
“Viel edle Konigstochter, lasst mich der Schlussel pflegen:
Ich will es so verteilen,” sprach der kuhne Degen,
“Wenn ich mir Schand erwerbe, die treffe mich allein.”
Dass er milde ware, das leuchtete da wohl ein. (530)
Als sich Hagens Bruder der Schlussel unterwand,
So manche reiche Gabe bot des Helden Hand:
Wer einer Mark begehrte, dem ward so viel gegeben,
Dass die Armen alle da in Freuden mochten leben. (531)
Wohl mit hundert Pfunden gab er ohne Wahl:
Da ging in reichem Staate mancher aus dem Saal,
Der nie zuvor im Leben so hehre Kleider trug.
Die Konigin erfuhr es: Da war es ihr leid genug. (532)
Da sprach die Konigstochter: “Das misst ich, Konig, gern.
Dass nichts mir soll verbleiben vor euerm Kammerherrn
Von allem meinem Staate: er verschwendet all mein Gold.
Wer dem noch widerstande, dem wollt ich immer bleiben hold. (533)
* Er gibt so reiche Gaben: Der Degen wahnet eben,
Mich luste nach dem Tode: Ich will noch langer leben;
Meines Vaters Erbe bring ich wohl selber hin.”
So milden Kammerherren gewann nie eine Konigin. (534)
Da sprach von Tronje Hagen: “Frau, euch sei bekannt:
Der Konig von dem Rheine hat Gold und gut Gewand
Zu geben solche Fulle, dass er nicht notig hat,
Dass wir von hinnen fuhren einen Teil von Brunhilds Staat.” (535)
“Nein, wenn ihr mich liebet,” die Konigin begann,
“Zwanzig Reiseschreine fulle man mir an
Mit Gold und mit Seide: das verteile meine Hand,
So wir hinuber kommen in der Burgonden Land.” (536)
Da lud man ihr die Kisten mit edelm Gestein.
Der Frauen Kammerlinge mussten zugegen sein:
Sie wollt es nicht vertrauen Geiselhers Untertan.
Gunther und Hagen darob zu lachen begann. (537)
Da sprach die Jungfraue: “Wem lass ich nun mein Land?”
Das soll hier erst bestimmen mein und eure Hand.”
Da sprach der edle Konig: “So rufet wen herbei,
Der euch dazu gefalle, dass er zum Vogt geordnet sei.” (538)
Ihrer nachsten Vettern einen die Fraue bei sich sah,
Es war ihr Mutterbruder, zu dem begann sie da:
“Nun lasst euch sein befohlen meine Burgen und das Land,
* Bis seine Amtleute der Konig Gunther gesandt.” (539)
Aus dem Gesinde wahlte sie zweitausend Mannen gleich,
Die mit ihr fahren sollten in der Burgonden Reich,
Mit jenen tausend Recken aus Nibelungenland. *
Sie schickten sich zur Reise; man sah sie reiten nach dem Strand. (540)
Sie fuhrte mit von dannen sechsundachtzig Fraun,
Dazu noch hundert Magdelein, die waren schon zu schaun.
Sie saumten sich nicht langer, sie wollten bald hindann:
Die sie zurucke lie?en, wie manche hub zu weinen an! (541)
In tugendlichen Zuchten raumte die Frau ihr Land,
Die nachsten Freunde kussend, die sie bei sich fand.
Mit gutem Urlaube kamen sie auf das Meer;
Zu ihres Vaters Lande kam die Jungfrau nimmermehr. (542)
Auf ihrer Fahrt ertonte vielfaches Freudenspiel;
Aller Kurzweile hatten sie da viel.
Auch erhob sich zu der Reise der rechte Wasserwind:
Sie fuhren ab vom Lande; das beweinte mancher Mutter Kind. (543)
Doch wollte sie den Konig nicht minnen auf der Fahrt,
Ihre Kurzweil wurde bis in sein Haus gespart
Zu Wormes in der Veste, zu einem Hofgelag,
Wohin mit ihren Helden sie frohlich kamen hernach. (544)