25. Abenteuer
Wie die Herren alle zu den Heunen fuhren
Wie man dort gebahrte vernahmt ihr nun genug.
Wohl kamen nie gefahren in solchem stolzen Zug
So viel beherzte Degen in eines Konigs Land;
Sie hatten was sie wollten, beides, Waffen und Gewand. (1551)
Der Vogt von dem Rheine erhob aus seinem Bann
Der Degen tausend sechzig, so ward uns kundgetan,
Und neuntausend Knechte zu dem Hofgelag;
Die sie zu Hause lie?en beweinten es wohl hernach. (1552)
Da trug man ihr Gerate zu Wormes ubern Hof.
Wohl sprach da von Speyer ein alter Bischof
Zu der schonen Ute: “Unsre Freunde wollen fahren
Zu dem Hofgelage; moge Gott sie da bewahren.” (1553)
Da sprach zu ihren Sohnen Ute die Fraue gut:
“Ihr solltet hier verbleiben, Helden hochgemut;
Mir hat getraumet heunte von gro?er Angst und Not,
Wie alles das Gevogel in diesem Lande ware tot.” (1554)
“Wer sich an Traume kehret,” sprach dawider Hagen,
“Der wei? noch die rechte Kunde nicht zu sagen,
Wie es mog am Besten um seine Ehre stehn:
Es mag mein Konig immer mit Urlaub hin nach Hofe gehn. (1555)
“Wir wollen gerne reiten in Konig Etzels Land,
Da mag wohl Kongen dienen guter Helden Hand,
So wir da schauen sollen Kriemhildens Hochzeit.”
Hagen riet die Reise, doch ward es spater ihm leid. (1556)
Er hatt es widerraten, nur dass Gerenot
Mit gro?em Ungestume ihm Spott entgegenbot.
Er mahnt' ihn an Siegfried, der Kriemhilde Mann,
Er sprach: “Darum steht Hagen die gro?e Reise nicht an.” (1557)
Da sprach von Tronje Hagen: “Nicht Furcht ists, dass ichs tu;
Gebietet ihr es, Helden, so greifet immer zu:
Wohl will ich mit euch reiten in Konig Etzels Land.”
Bald ward von ihm verhauen mancher Helm und Schildesrand. (1558)
Die Schiffe standen fertig: Da war gar mancher Mann.
Was sie an Kleidern hatten trug man an Bord heran;
Sie waren sehr beflissen bis zur Abendzeit:
Sie huben sich von Hause bald in hoher Frohlichkeit. (1559)
Sie bauten uberm Grase sich Hutten und Gezelt
Jenseits des Rheines, wo Obdach war bestellt.
Da bat noch zu verweilen Gunthern sein schones Weib;
Sei herzte Nachts noch einmal des Mannes waidlichen Leib. (1560)
Floten und Posaunen erschollen morgens fruh
Den Aufbruch zu verkunden: da griff man rasch dazu.
Wem Liebes lag im Arme, der kos'te Freundes Leib;
Mit Leide schied bald manche des Konigs Etzel Weib. (1561)
Der schonen Ute Sohne, die hatten einen Mann,
Der war getreu und bieder; als man die Fahrt begann
Sprach er zu dem Konige geheim nach seinem Mut;
Er sprach: “Ich muss wohl trauern, dass ihr die Hofreise tut.” (1562)
Er war gehei?en Rumolt, ein Degen auserkannt.
Er sprach: “Wem wollt ihr lassen die Leute und das Land?
Dass niemand doch euch Recken wenden mag den Mut!
Die Mare Kriemhildens dauchte mich niemals gut.” (1563)
“Das Land sei dir befohlen und auch mein Sohnelein,
Und diene wohl den Frauen: Das ist der Wille mein;
Wen du weinen siehest, dem troste Herz und Sinn:
Es wird uns nichts zu Leide Kriemhilde tun, die Konigin.” (1564)
Die Rosse standen fertig den Kongen und dem Bann:
Mit minniglichem Kusse schied da mancher Mann,
Dem noch in hohem Mute prangte Seel und Leib:
Das musste bald beweinen manches waidliche Weib. (1565)
Als man die schnellen Recken sah zu den Rossen gehn,
Fand man viel der Frauen in hoher Trauer stehn.
Dass sie auf ewig schieden sagt' ihnen wohl der Mut:
In gro?em Schaden kommen, das tut niemanden gut. (1566)
Die schnellen Burgonden begannen ihren Zug:
Da ward im ganzen Lande das Treiben gro? genug;
Beiderseits der Berge weinte Weib und Mann.
Wie auch das Volk gebahrte, sie fuhren frohlich hindann. (1567)
Niblungens Helden zogen mit ihnen aus
In tausend Halsbergen: Die hatten dort zu Haus
Viel schone Fraun gelassen und sahn sie nimmermehr.
Siegfriedens Wunden, die schmerzten Kriemhilden sehr. (1568)
Da lenken mit der Reise auf dem Mainstrom an
Hinauf durch Ostfranken die in Gunthers Bann.
Hagen war ihr Fuhrer, der war da wohlbekannt;
Ihr Marschall war Dankwart, der Held von Burgundenland. (1569)
Da sie von Ostfranken nach Schwanefelde ritten,
Da konnte man sie kennen an den stolzen Sitten,
Die Fursten und die Freunde, die Helden lobesam!
An dem zwolften Morgen der Konig an die Donau kam. (1570)
Es ritt von Tronje Hagen den andern all zuvor;
Er hielt den Nibelungen wohl den Mut empor.
Da schwang der kuhne Degen sich nieder auf den Sand,
Wo er sein Ross in Eile fest an einem Baume band. (1571)
Die Flut war ausgetreten, die Schiff' verborgen:
Die Nibelungen kamen in gro?e Sorgen
Wie sie hinuber sollten? Das Wasser war zu breit.
Da schwang sich zu der Erde mancher Ritter allbereit. (1572)
“Ubel,” sprach da Hagen, “mag dir hier geschehn,
Konig an dem Rheine: Du magst es selber sehn,
Das Wasser ist ergossen, zu stark ist keine Flut;
Ich furchte wir verlieren noch heute manchen Recken gut.” (1573)
“Hagen, was verweis't ihr mit?”, sprach der Konig hehr,
“Um eurer Tugend willen, erschreckt uns nicht noch mehr.
Ihr sollt die Furt uns suchen hinuber in das Land,
Dass wir von hinnen bringen beides Ross und Gewand.” (1574)
“Mir ist ja noch,” sprach Hagen, “mein Leben nicht so leid,
Dass ich mich mocht ertranken in diesen Wellen breit:
Es soll von meinen Handen ersterben mancher Mann
In Konig Etzels Landen; wozu ich gute Lust gewann. (1575)
“Bleibet bei dem Wasser, ihr stolzen Ritter gut.
Ich selber will die Fergen suchen bei der Flut,
Die uns hinuberbringen in Gelfratens Land.”
Da nahm der starke Hagen seinen guten Schildesrand. (1576)
Er war wohl gewaffnet: Den Schild er mit sich trug,
Den Helm aufgebunden: Der glanzte licht genug;
Uberm Harnisch fuhrt' er eine breite Waffe mit,
Die an beiden Scharfen aufs allergrimmigste schnitt. (1577)
Er suchte hin und wieder nach einem Schiffersmann.
Er horte Wasser gie?en: Zu lauschen hub er an:
In einem schonen Brunnen tat das manch weises Weib;
Die wollten sich da kuhlen und badeten ihren Leib. (1578)
Hagen sie gewahrend wollt ihnen heimlich nahn:
Sie sturzten in die Wellen, als sie sich des versahn.
Dass sie ihm so entrannen des freuten sie sich sehr;
Da nahm er ihre Kleider und schadet' ihnen nicht mehr. (1579)
Da sprach das eine Meerweib, Habburg war sie genannt:
“Hagen, edler Ritter, wir machen euch bekannt,
Wenn ihr uns zum Lohne die Kleider wiedergebt,
Was ihr bei den Heunen auf dieser Hoffahrt erlebt.” (1580)
Sie schwebten wie die Vogel vor ihm auf der Flut.
Den Helden dacht ihr Wissen von den Dingen gut:
Da glaubt' er um so lieber was sie ihm wollten sagen.
Sie beschieden ihn daruber was er begann sie zu fragen: (1581)
Sie sprach: “Ihr mogt wohl reiten in Konig Etzels Land;
Ich setz euch meine Treue dafur zum Unterpfand:
Es fuhren niemals Helden noch in ein fremdes Reich
Zu solchen hohen Ehren, in Wahrheit, das sag ich euch.” (1582)
Die Rede freute Hagen in seinem Herzen sehr;
Die Kleider gab er ihnen und saumte sich nicht mehr.
Als sie umgeschlagen hatten ihr wunderbar Gewand,
Vernahm er erst die Wahrheit von der Fahrt in Etzels Land. (1583)
Da sprach das andre Meerweib mit Namen Siegelind:
“Ich will dich warnen, Hagen, Aldrianens Kind.
Es hat der Kleider willen meine Muhm gelogen:
Und kommst du zu den Heunen, so bist du schmahlich betrogen. (1584)
“Wieder umzukehren, wohl war es an der Zeit,
Dieweil ihr kuhnen Helden also geladen seid,
Dass ihr musst ersterben in Konig Etzels Land:
Die da hinreiten, haben den Tod an der Hand.” (1585)
Da sprach wieder Hagen: “Ihr trugt mich ohne Not:
Wie sollte das sich fugen, dass wir alle tot
Bei den Heunen blieben durch jemandes Groll?”
Da sagten sie dem Degen die Mare deutlich und voll. (1586)
Da sprach die eine wieder: “Wohl muss es so geschehn:
Keiner von euch Degen wird die Heimat wieder sehn
Als der Kaplan des Konigs, das ist uns wohl bekannt,
Der kommt geborgen wieder heim in Konig Gunthers Land.” (1587)
Da sprach mit grimmem Mute der kuhne Recke Hagen:
“Das lie?en meine Herren schwerlich sich sagen,
Dass wir bei den Heunen verloren all den Leib:
Nun zeig uns ubers Wasser, du allerweisestes Weib.” (1588)
Sie sprach: “Willst du nicht anders und soll die Fahrt geschehn,
So siebst du uberm Wasser eine Herberge stehn:
Darinnen wohnt ein Fahrmann und nirgend sonst umher.”
Der Mar, um die er fragte, glaubte nun der Degen hehr. (1589)
Dem unmutsvollen Recken rief noch die eine nach:
“Nun wartet, Herr Hagen, euch ist gar zu jach;
Vernehmet erst die Kunde wie ihr kommt durch das Land.
Der Herr dieser Marke, der ist Else genannt. (1590)
Sein Bruder ist gehei?en Gelfrat der Held,
Ein Herr im Bayerlande: Nicht so leicht es halt,
Wollt ihr durch seine Marke: Ihr mogt euch wohl bewahren,
Und sollt auch mit dem Fergen gar bescheidentlich verfahren. (1591)
Der ist so grimmes Mutes, er lasst euch nicht gedeihn,
Wollt ihr nicht verstandig bei dem Helden sein.
Soll er euch uber holen, so gebt ihm guten Sold;
Er hutet dieses Land und ist Gelfraten hold. (1592)
Und kommt er nicht bei Zeiten, so ruft uber Flut,
Und sagt, ihr hei?et Amelrich; das war ein Degen gut,
Der seiner Feinde willen raumte dieses Land:
So wird der Fahrmann kommen, wird ihm der Name bekannt.” (1593)
Der ubermutge Hagen dankte den Frauen hehr.
Der Degen schwieg stille, kein Wortlein sprach er mehr;
Dann ging er bei dem Wasser hinauf an dem Strand,
Wo er auf jener Seite eine Herberge fand. (1594)
Laut begann zu rufen der Degen uber Flut:
“Nun hol mich uber, Ferge,” sprach der Degen gut,
“So geb ich dir zum Lohne eine Spange goldesrot;
Mir tut das Uberfahren, das wisse, in Wahrheit Not.” (1595)
Es brauchte nicht zu dienen der reiche Schiffersmann,
Lohn nahm er selten von jemanden an;
Auch waren seine Knechte zumal von stolzem Mut.
Noch immer stand Hagen auf dieser Seite der Flut. (1596)
Da rief er so gewaltig, der ganze Strom erscholl
Von des Helden Starke, die war so gro? und voll:
“Mich Amelrich hol uber; ich bin es, Elses Mann,
Der starker Feindschaft wegen aus diesen Landen entrann.” (1597)
Hoch an seinem Schwerte er ihm die Spange bot;
Die war schon und glanzte von lichtem Golde rot,
Dass man ihn uberbrachte in Gelfratens Land.
Der ubermutge Ferge nahm selbst das Ruder in die Hand. (1598)
Derselbe Schiffmann hatte neulich erst gefreit.
Die Gier nach gro?em Gute oft boses Ende leiht:
Er dachte zu verdienen Hagens Gold so rot;
Da litt er von dem Degen den schwertgrimmigen Tod. (1599)
Der Fahrmann fuhr gewaltig hinuber an den Strand.
Den er nennen horte, als er den nicht fand,
Da hub er an zu zurnen: Als er Hagen sah
Mit grimmen Ungestume zu dem Helden sprach er da: (1600)
“Ihr mogt wohl sein gehei?en mit Namen Amelrich:
Doch gleicht ihr dem mitnichten, des ich versehen mich.
Von Vater und Mutter war er der Bruder mein:
Nun ihr mich betrogen habt, so musst ihr dieshalben sein.” (1601)
“Nein! Um Gottes willen,” sprach Hagen dagegen,
“Ich bin ein fremder Ritter, besorgt um andre Degen:
Nun nehmt, den ich geboten, freundlich hin den Sold
Und fahret uns hinuber: Ich bin euch wahrhaftig hold.” (1602)
Da sprach der Fahrmann wieder: “Das kann nun nicht sein.
Viel Feinde haben die lieben Herren mein:
Drum fahr ich keinen Fremden hinuber in das Land;
Wenn euch das Leben lieb ist, so tretet aus an den Strand.” (1603)
“Nein, tut das nicht,” sprach Hagen, “traurig ist mein Mut;
Nehmt von mir zum Lohne die goldne Spange gut,
Und fahrt uns uber, tausend Ross und auch so manchen Mann.”
Da sprach der grimme Fahrmann: “Das wird nimmer getan.” (1604)
Er hob ein starkes Ruder, das war gro? und breit,
Und schlug es auf Hagen; dem tat es solches Leid,
Dass er im Schiffe nieder strauchelt' auf das Knie.
Solchen grimmen Fahrmann fand der von Tronje noch nie. (1605)
Noch starker zu erzurnen den kuhnen Fremdling, schwang
Er seine Ruderstange, dass sie ganz zersprang,
Auf das Haupt dem Hagen; er war ein starker Mann;
Davon Elses Ferge bald gro?en Schaden gewann. (1606)
Mit grimmigem Mute griff Hagen gleich zur Hand
Zur Seite nach der Scheide, wo er eine Waffe fand:
Er schlug das Haupt vom Rumpf ihm und warf es auf den Grund.
Bald macht' er diese Maren auch den Burgonden kund. (1607)
Im selben Augenblicke, als er den Fahrmann schlug,
Glitt das Schiff zur Stromung; das war ihm leid genug.
Eh er es richten konnte, fiel ihn Ermudung an:
Da zeigte gro?e Krafte Konig Gunthers Untertan. (1608)
Er versucht' es umzukehren mit schnellem Ruderschlag.
Bis ihm das starke Ruder in der Hand zerbrach.
Er wollte zu den Recken sich wenden an den Strand;
Da hat er keines weiter: Wie bald er es zusammen band. (1609)
Mit seinem Schildriemen! Einer Borte schmal.
Da kehrt' er nach dem Walde das Schifflein zu Tal.
Da fand er seine Herren harren an dem Strand;
Es gingen ihm entgegen viel der Degen auserkannt. (1610)
Mit Gru? ihn wohl empfingen die schnellen Ritter gut:
Sie sahen in dem Schiffe rauchen noch das Blut
Von einer starken Wunde, die er dem Fergen schlug:
Da ward darnach Degen Hagen ausgefragt genug. (1611)
Als der Konig Gunther das hei?e Blut ersah
In dem Schiffe schwimmen, wie bald sprach er da:
“Wo ist denn, Herr Hagen, der Fahrmann hingekommen?
Eure starken Krafte haben ihm wohl das Leben benommen.” (1612)
Er sprach mit Lugenworten: “Als ich das Schifflein fand
Bei einer wilden Weide, da los't es meine Hand:
Ich habe keinen Fergen heute hier gesehn,
Es ist auch niemand Leides von meinetwegen geschehn.” (1613)
Da sprach von Burgonden der Degen Gernot:
“Heute muss ich bangen um lieber Freunde Tod,
Da wir keinen Schiffmann hier am Strome sehn:
Wie wir hinuber kommen, darob muss ich in Sorgen stehn.” (1614)
Laut rief da Hagen: “Legt auf den Boden her,
Ihr Knechte, das Gerate: Ich war, gedenkt mir, mehr
Der allerbeste Ferge, den man am Rheine fand:
Ich bring euch hinuber gar wohl in Gelfratens Land.” (1615)
Dass sie desto schneller kamen uber Flut,
Banden sie die Mahren an; ihr Schwimmen ward so gut,
Dass ihnen auch nicht eines die starke Flut benahm.
Einge trieben ferner, als Ermudung ihnen kam. (1616)
* Das Schiff war ungefuge, stark und weit genug:
Funfhundert oder druber es leicht auf einmal trug
Ihres Volks mit Speise und Waffen uber Flut:
Am Ruder musste ziehen des Tages mancher Ritter gut. (1617)
Sie trugen zu dem Schiffe ihr Gold und auch den Staat,
Da sie der Hofreise nicht wollten haben Rat.
Hagen fuhr sie uber; da bracht er an den Strand
Manchen zieren Recken in das unbekannte Land. (1618)
Zum ersten bracht er uber tausend Ritter hehr,
Dazu auch seine Recken; dann kamen ihrer mehr,
Neuntausend Knechte, die bracht er an das Land:
Das Tages war unmu?ig des kuhnen Tronejers Hand. (1619)
Da er sie wohlgeborgen brachte uber Flut,
Da gedachte jener Mare der schnelle Degen gut,
Die ihm verkundet hatte das wilde Meerweib:
Dem Kaplan des Konigs gings schier an Leben und Leib (1620)
Bei seinem Weihgerate er den Pfaffen fand
Auf dem Heiligtume sich stutzend mit der Hand:
Das kam ihm nicht zu Gute, als Hagen ihn ersah;
Der gottverlassne Priester, viel Beschwerde litt er da. (1621)
Er schwang ihn aus dem Schiffe mit eilender Gewalt.
Da riefen ihrer viele: “Halt! Herr Hagen, halt!”
Geiselher der junge hub zu zurnen an;
Er wollt es doch nicht lassen bis er ihm Leides getan. (1622)
Da sprach von Burgonden der Degen Gernot:
“Was hilft euch nun, Herr Hagen, des Kaplanes Tod?
Tat dies anders jemand, es sollt ihm werden leid:
Was verschuldete der Priester, dass ihr so wider ihn seid?” (1623)
Der Pfaffe schwamm und Kraften; er hoffte zu entgehn,
Wenn ihm nur jemand hilfe: Das konnte nicht geschehn,
Denn der starke Hagen, gar zornig war sein Mut,
Stie? ihn zu Grunde wieder: Das dauchte niemanden gut. (1624)
Als der arme Pfaffe hier keine Hilfe sah,
Da kehrt' er sich zurucke; Beschwerde litt er da.
Ob er nicht schwimmen konnte, doch half ihm Gottes Hand,
Dass er wohlgeborgen hinwieder kam an das Land. (1625)
Da stand der arme Priester und schuttelte sein Kleid.
Daran erkannte Hagen, ihm habe Wahrheit
Unmeidliche, verkundet das wilde Meerweib.
Er dachte: “Diese Degen verlieren Leben und Leib.” (1626)
Als sie das Schiff entladen und weggetragen dann
Was darauf besessen der dreien Fursten Bann,
Schlug Hagen es in Stucke und warf es in die Flut:
Das wunderte gewaltig die Recken edel und gut. (1627)
“Was tut ihr das, Bruder?”, sprach da Dankwart,
“Wie sollen wir hinuber bei unsrer Wiederfahrt,
Wenn wir von den Heunen reiten an den Rhein?”
Hernach sagt' ihm Hagen, das konne nimmermehr sein. (1628)
Da sprach von Tronje Hagen: “Ich tat es mit Bedacht:
Wenn wir einen Feigen in dieses Land gebracht,
Der uns entrinnen mochte in seines Herzens Not,
Dass er an diesen Wogen finde schmahlichen Tod.” (1629)
* Als der Kaplan des Konigs das Schiff zerschlagen sah,
Uber das Wasser zu Hagen sprach er da:
“Morder ohne Treue, was hat ich euch getan,
Dass mich unschuldgen Pfaffen euer Herz zu ertranken sann?” (1630)
* Zur Antwort gab ihm Hagen: “Die Rede lasst beiseit:
Mich kummert, meiner Treue, dass ihr entkommen seid
Hier vor meinen Handen, das glaubt mir ohne Spott.”
Da sprach der arme Priester: “Dafur lob ich ewig Gott. (1631)
* Ich furcht euch wahrlich wenig, des durft ihr sicher sein;
Fahrt ihr zu den Heunen, so will ich an den Rhein.
Gott lass euch nimmer wieder nach dem Rheine kommen:
Das wunsch ich euch von Herzen; schier das Leben habt ihr mir genommen.” (1632)
Mit ihnen zog einer aus Burgondenland,
Der ein behender Degen und Volker war genannt.
Der redete gar launig nach seinem kuhnen Mut:
Was Hagen je begangen von Fiedler dauchte das gut. (1633)
Die Rosse standen harrend, die Saumer wohl geladen;
Sie hatten auf der Reise bisher noch keinen Schaden
Genommen, der sie schmerzte, als des Konigs Kapellan:
Der musst auf seinen Fu?en sich zum Rheine suchen Bahn. (1634)