15. Abenteuer
Wie Siegfried verraten ward
Man sah am vierten Morgen zweiunddrei?ig Mann
Hin zu Hofe reiten da ward es kund getan
Gunther dem reichen, es gelt ihm Krieg und Streit.
Die Luge schuf den Frauen gro?en Jammer und Leid. (901)
Sie gewannen Urlaub an den Hof zu gehn.
Da sagten sie, sie standen in Ludegers Lehn,
Den einst bezwungen hatte Siegfriedens Hand
Und ihn als Geisel brachte Konig Gunthern in das Land. (902)
Die Boten er begru?te und hie? sie sitzen gehn.
Einer sprach darunter: “Herr Konig, lasst uns stehn,
Dass wir die Maren sagen, die euch entboten sind:
Wohl habt ihr zu Feinden, das wisset, mancher Mutter Kind. (903)
“Euch widersagt Ludegast und auch Ludeger:
Denen schuft ihr weiland grimmige Beschwer;
Nun wollen sie mit Heereskraft reiten in dies Land.”
Der Furst begann zu zurnen, als ihm die Mare ward bekannt. (904)
Man lie? die falschen Boten zu den Herbergen gehn.
Wie mochte wohl Siegfried der Tucke sich versehn,
Er oder anders jemand, die man so heimlich spann?
Doch war es ihnen selber zu gro?em Leide getan. (905)
Der Konig mit den Freunden ging raunend ab und zu;
Herr Hagen von Tronje lie? ihm keine Ruh.
Noch wollt es mancher wenden in des Konigs Lehn;
Doch nicht vermocht er Hagen von seinen Raten abzustehn. (906)
Eines Tages Siegfried die Degen raunend fand.
Da begann zu fragen der Held von Niederland:
“Wie traurig geht der Konig und die in seinem Bann?
Das helf ich immer rachen, hat ihnen jemand Leid getan.” (907)
Da sprach Konig Gunther: “Wohl hab ich Herzeleid:
Ludegast und Ludeger drohn mir Krieg und Streit.
Mit Heerfahrten wollen sie reiten in mein Land.”
Da sprach der kuhne Degen: “Dem soll Siegfriedens Hand (908)
Nach allen euern Ehren mit Kraften widerstehn;
Von mir geschieht den Recken was ihnen einst geschehn:
Ihre Burgen leg ich wuste und dazu ihr Land
Eh ich ablasse: Des sei mein Haupt euer Pfand. (909)
Ihr mit euern Recken nehmt der Heimat wahr;
Lasst mich zu ihnen reiten mit meiner Leute Schar.
Dass ich euch gerne diene, lass ich euch wohl sehn;
Von mir soll euern Feinden, das wisset, ubel geschehn.” (910)
“O wohl mir dieser Mare,” der Konig sprach da so,
Als war er seiner Hilfe alles Ernstes froh;
Tief neigte sich in Falschheit der ungetreue Mann.
Da sprach der Herre Siegfried: “Lasst euch wenig Sorge nahn.” (911)
Sie schickten mit den Knechten zu der Fahrt sich an:
Siegfrieden und den seinen ward es zum Schein getan.
Da gebot er sich zu rusten denen von Niederland:
Siegfriedens Recken suchten ihr Streitgewand. (912)
Da sprach der starke Siegfried: “Mein Vater Siegmund,
Bleibet hier im Lande: Wir kehren bald gesund,
Wenn Gott uns Gluck verleihet, wieder an den Rhein:
Ihr sollt bei dem Konig unterdessen frohlich sein.” (913)
Da wollten sie von dannen: Die Fahnen band man an.
Da waren wohl manche in Konig Gunthers Bann,
Die nicht die Mare wussten, warum es war geschehn.
Gro? Heergesinde mochte man da bei Siegfrieden sehn. (914)
Die Panzer und die Helme man auf die Rosse lud;
Es wollten aus dem Lande viel starke Ritter gut.
Da ging von Tronje Hagen hin wo er Kriemhild fand;
Er bat sie um den Urlaub; sie wollten raumen das Land. (915)
“Wohl mir,” sprach Kriemhilde, “dass ich den Mann gewann,
Der meine lieben Freunde so wohl beschutzen kann
Wie mein Herre Siegfried tut an den Brudern mein:
Drum will ich hohen Mutes,” so sprach die Konigin, “sein (916)
Lieber Freund Hagen, bedenk mir nun auch das,
Ich dien ihnen gerne, trug ihnen niemals Hass.
Das lass mich auch genie?en an meinem lieben Mann;
Er soll es nicht entgelten was ich Brunhilden getan. (917)
Das hat mich schon gereuet,” so sprach das edle Weib,
“Auch hat er so zerbleuet zur Strafe meinen Leib,
Dass ich es je geredet, beschwerte seinen Mut:
Er hat es wohl gerochen, dieser Degen kuhn und gut.” (918)
Da sprach er: “Ihr versohnet euch wohl nach wenig Tagen,
Kriemhilde, liebe Fraue, nun sollt ihr mir sagen,
Wie ich euch dienen moge an Siegfried euerm Herrn;
Ich gonn es niemand besser, und tu es, Konigin, gern.” (919)
“Ich war ohn alle Sorge,” so sprach das edle Weib,
“Dass wer im Kampf ihm nahme das Leben und den Leib;
Wenn er nicht folgen wollte seinem Ubermut,
So war er immer sicher, dieser Degen kuhn und gut.” (920)
“Wenn ihr besorget, Fraue,” Hagen da begann,
“Dass er verwundet werde, so vertrauet mir an,
Wie soll ich es beginnen, dem zu widerstehn?
Ihn zu schirmen will ich immer bei ihm reiten und gehn.” (921)
“Du bist mein Verwandter, so will ich deine sein:
Ich befehle dir auf Treue den lieben Gatten mein;
Dass du wohl behutest mir den lieben Mann.”
Was besser war verschwiegen vertraute sie da ihm an. (922)
Die sprach: “Mein Mann ist tapfer, dazu auch stark genug.
Als er den Linddrachen an dem Berge schlug,
Da badete sich im Blute der Degen allbereit,
Daher ihn keine Waffe je versehren mocht im Streit. (923)
“Jedoch bin ich in Sorgen, wenn er im Sturme steht
Und von der Helden Handen mancher Speerwurf geht,
Dass ich dann verliere meinen lieben Mann.
Hei! Was ich gro?er Sorgen oft um Siegfried gewann! (924)
“Mein lieber Freund, ich meld es nun auf Gnade dir,
Auf dass du deine Treue bewahren magst an mir,
Wo man kann verwunden meinen lieben Mann.
Das sollst du nun vernehmen: Es ist auf Gnade getan. (925)
Als von des Drachen Wunden floss das hei?e Blut,
Da badet' in dem Blute sich der Ritter gut:
Da fiel ihm auf die Achsel ein Lindenblatt gar breit:
Da kann man ihn verwunden, das schafft mir Sorgen und Leid.” (926)
Da sprach von Tronje Hagen: “So naht auf sein Gewand
Mir ein kleines Zeichen: Daran ist mir bekannt,
Wo ich sein huten musste, wenn wir in Sturmen stehn.”
Sie wollte sein Leben fristen: Auf seinen Tod wars abgesehn. (927)
Sie sprach: “Mit feiner Seide nah ich auf sein Gewand
Insgeheim ein Kreuzchen: Da soll, Held, deine Hand
Meinen Mann beschirmen, wenns ins Gedrange geht,
Und wenn er in den Sturmen dann vor seinen Feinden steht.” (928)
“Das tu ich,” sprach da Hagen, “viel liebe Fraue mein.”
Wohl wahnte da die Konigin, sein Frommen sollt es sein:
Da war hiemit verraten der Kriemhilde Mann.
Urlaub nahm da Hagen: Da ging er frohlich hindann. (929)
* Was er erfahrne hatte? Bat ihn sein Herr zu sagen.
“Ich will die Reise wenden, wir wollen reiten jagen;
Wohl wei? ich nun die Mare, wie ich ihn toten soll.
Wollt ihr die Jagd bestellen?” “Das tu ich,” sprach der Konig, “wohl.” (930)
Des Konigs Ingesinde war froh und wohlgemut.
Gewiss, dass solche Bosheit kein Recke wieder tut
Bis zum jungsten Tage, als da von ihm geschah,
Als sich seiner Treue die schone Konigin versah. (931)
Am folgenden Morgen mit tausend Mannen gut
Ritt der Degen Siegfried davon mit frohem Mut:
Er wahnt', er solle rachen seiner Freunde Leid.
So nahe ritt ihm Hagen, dass er beschaute sein Kleid. (932)
Als er ersah das Zeichen, da schickt' er ungesehn,
Andre Mar zu bringen, zwei aus seinem Lehn:
In Frieden solle bleiben Konig Gunthers Land;
Es habe sie Ludeger zu dem Konige gesandt. (933)
Wie ungerne Siegfried ablie? von dem Streit,
Eh er gerochen hatte seiner Freunde Leid!
Kaum hielten ihn zurucke die in Gunthers Bann.
Da ritt er zu dem Konig, der ihm zu danken begann. (934)
“Nun lohn euch, Freund Siegfried, den guten Willen Gott,
Dass ihr so gerne tatet was ich mir wahnte Not;
Das will ich euch vergelten, wie ich billig soll.
vor allen meinen Freunden vertrau ich euch immer wohl. (935)
“Da wir des Heerzugs uns so entledigt sehn,
So rat ich, dass wir Baren und Schweine jagen gehn
Nach dem Wasgauwalde, wie ich oft getan.”
Das hatte Hagen geraten, dieser ungetreue Mann. (936)
“Allen meinen Gasten soll man das nun sagen,
Ich denke fruh zu reiten: Die mit mir wollen jagen,
Dass sie sich fertig halten; die aber hier bestehn,
Kurzweilen mit den Frauen: So sei mir Liebes geschehn.” (937)
Mit herrlichen Sitten sprach da Siegfried:
“Wenn ihr jagen reitet, da will ich gerne mit.
So sollt ihr mir leihen einen Jagersmann
Mit etlichen Bracken; so reit ich mit euch in den Tann.” (938)
“Wollt ihr nur einen?”, fragte der Konig gleich zur Hand:
“Ich leid euch, wollt ihr, viere, denen wohlbekannt
Der Wald ist und die Steige, wo viel Wildes ist,
Dass ihr nicht waldverwiesen zu den Herbergen reiten musst.” (939)
Da ritt zu seinem Weibe der Degen unverzagt.
Derweilen hatte Hagen dem Konige gesagt,
Wie er verderben wolle den tapferlichen Degen:
So gro?er Untreue sollt ein Mann nimmer pflegen. (940)
*Als die Ungetreuen geschaffen seinen Tod,
Da wussten sie es alle. Geiselher und Gernot
Wollten nicht mitjagen. Wei? nicht aus welchem Groll
sie ihn nicht gewarnet; doch des entgalten sie voll. (941)