35. Abenteuer

Wie Iring erschlagen ward

Da rief der Markgraf Iring aus der Danen Land:
“Ich habe nun auf Ehre meine Sinne lang gewandt,
Auch ist von mir das Beste wohl oft im Sturm geschehn;
Bringt mir meine Waffen: So will ich Hagen bestehn.” (2095)
“Das muss ich widerraten,” hub da Hagen an,
“Sonst mussen vor mir weichen die in Etzels Bann:
Springen eurer zweie oder drei in den Saal,
Die send ich wohl verhauen die Stiege wieder zu Tal.” (2096)
“Ich wills darum nicht lassen,” rief Iring wieder hin:
“Ich versuchte wohl schon fruher was gleiche Wagnis schein.
Wohl will ich mit dem Schwerte allein zu dir hinan:
Was hilft dir das Brusten, das du mit Reden hast getan?” (2097)
Da wurde bald gewaffnet der Degen Iring,
Und von Thuringen Irnfried, ein kuhner Jungling,
Und Hawart der starke wohl mit tausend Mann:
Sie wollten Iring helfen, was auch der Degen begann. (2098)
Da sah der Fiedelspieler ein gewaltig Herr,
Das mit Iringen gewaffnet zog daher.
Sie trugen aufgebunden die lichten Helme gut.
Da ward dem kuhnen Volker daruber zornig zu Mut: (2099)
“Seht ihr, Freund Hagen, dort Iringen gehn,
Der euch im Kampf gelobte alleine zu bestehn?
Wie ziemet Helden Luge? Furwahr ich tadl es sehr:
Es gehn mit ihm gewaffnet wohl tausend Recken oder mehr.” (2100)
“Nun bei?et mich nicht lugen,” sprach der in Hawarts Bann,
“Ich will das Wort erfullen, das ich euch kund getan.
Keiner Feigheit wegen soll es gebrochen sein:
Sei Hagen noch so furchterlich, ich besteh ihn ganz allein.” (2101)
Fu?fallig bat Iring Freund und Untertan,
Dass sie ihn alleine dem Recken lie?en nahn.
Das taten sie ungerne, ihnen war zu wohl bekannt
Der ubermutge Hagen aus der Burgonden Land. (2102)
Da bat er sie so lange bis es doch geschah.
Als das Ingesinde ihn so entschlossen sah,
Und dass er rang nach Ehre, da lie?en sie ihn gehn:
Da ward von den beiden ein grimmes Streiten gesehn. (2103)
Iring der Dane hielt hoch empor den Speer,
Sich deckte mit dem Schilde der teure Degen hehr:
So lief er auf im Sturme zu Hagen vor den Saal;
Da erhub sich von den Degen ein gewaltiger Schall. (2104)
Da schossen sie die Spie?e kraftig aus der Hand
Durch die festen Schilde auf ihr licht Gewand,
Dass die Speerstangen hoch in die Lufte flogen;
Da griffen zu den Schwertern die grimmen Degen verwogen. (2105)
Hagen war, der kuhne, von Mut und Kraften voll;
Doch schlug nach ihm Iring, dass rings das Haus erscholl:
Pallas und Turme erhallten von den Schlagen.
Es konnte seinen Willen doch nicht vollfuhren der Degen. (2106)
Iring lie? Hagnen unverwundet stehn:
Auf den Fiedelspieler begann er los zu gehn.
Er wahnt', er konn ihn zwingen mit seinen starken Schlagen:
Doch wusste sich zu schirmen dieser zierliche Degen. (2107)
Da schlug der Fiedelspieler, dass auf das Schildes Rand
Das Gespange wirbelte von Volkers starker Hand.
Den lie? er wieder stehen; er war ein ubler Mann:
Da lief er auf Gunther, den Burgondenkonig, an. (2108)
Doch war da jedweder zum Streite stark genug:
Wie Gunther auf Iring und der auf jenen schlug,
Was lockte nicht aus Wunden das flie?ende Blut;
Ihre Rustung wehrt es, die war zu fest und zu gut. (2109)
Gunthern lie? er stehen und lief Gernoten an;
Das Feuer aus dem Harnisch er ihm zu haun begann.
Da hatte von Burgonden der Konig Gernot
Iring den kuhnen beinah gesandt in den Tod. (2110)
Da sprang er von dem Fursten: Rasch war er genug:
Der Burgonden Viere der Held behend erschlug,
Das edeln Heergesindes aus Wormes an dem Rhein.
Daruber mochte Geiselher nicht wohl zorniger sein. (2111)
“Gott wei?, Herr Iring,” sprach Geiselher das Kind,
“Ihr sollt mir die entgelten, die hier erlegen sind
Vor euch in dieser Stunde.” Iringen lief er an
Und schlug den Danenhelden, dass er zu straucheln begann. (2112)
Er schoss vor seinen Handen nieder in das Blut,
Dass alle wahnen mussten, es schlug der Degen gut
Nie im Sturme wieder einen Schlag mit seinem Schwert:
Doch lag vor Geiselheren Iring da noch unversehrt. (2113)
Von des Helmes Krachen und von des Schwertes Klang
Waren seine Sinne so betaubt und krank,
Dass sich der kuhne Degen des Lebens nicht besann:
Das hatte mit den Kraften der starke Geiselher getan. (2114)
Als ihm aus dem Haupte das Schwirren jetzt entschwand,
Das von dem starken Schlage der Degen erst empfand,
Da gedacht er: “Ich lebe, und bin auch nirgend wund:
Nun ist mir erst die Starke des kuhnen Geiselher kund!” (2115)
Er horte seine Feinde zu beiden Seiten stehn;
Hatten sie's geahnet, ihm ware mehr geschehn:
Auch hatt er Geiselheren vernommen nahe bei:
Er sann wie mit dem Leben von hinnen zu kommen sei. (2116)
Wie hastig der Degen aus dem Blute sprang!
Er mochte seiner Schnelle wohl sagen gro?en Dank.
Da lief er aus dem Hause, wo er Hagen fand,
Und schlug ihm schnelle Schlage mit seiner kraftreichen Hand. (2117)
Da gedachte Hagen: “Du musst des Todes sein;
Schutzt dich nicht der Teufel, so kannst du nicht gedeihn.”
Doch traf Iring Hagnen durch des Helmes Hut:
Das tat der Held mit Maske; das war eine Waffe gut. (2118)
Als der grimme Hagen die Wand an sich empfand,
Ihm schwenkte sich gewaltig das Schwert in seiner Hand.
Da musste vor ihm weichen der Held in Hawarts Bann;
Hagen ihm die Stiege hinab zu folgen begann. (2119)
Ubers Haupt den Schildrand der kuhne Iring schwang;
Und war dieselbe Stiege drei solcher Stiegen lang,
Derweile lie? ihn Hagen nicht schlagen einen Schlag:
Wie mancher rote Funke da auf seinem Helme lag! (2120)
Wieder zu den seinen kam Iring gesund.
Da wurde diese Mare bald Kriemhilden kund,
Was er im Streit dem Hagen von Tronje angetan;
Dafur die Konigstochter ihm sehr zu danken begann: (2121)
“Das lohne Gott dir, Iring, erlauchter Degen gut,
Du hast mir wohl getrostet das Herz und auch den Mut:
Nun seh ich blutgerotet Hagens Rustgewand!”
Kriemhilde nahm vor Freuden ihm selbst den Schild aus der Hand. (2122)
“Ihr mogt ihm ma?ig danken;” sprach Hagen dagegen,
“Es nochmals zu versuchen ziemte wohl dem Degen,
Und kam er dann zurucke, er war ein kuhner Mann.
Die Wunde frommt euch wenig, die ich noch von ihm gewann. (2123)
“Dass ihr von meiner Wunde mir seht den Harnisch rot,
Das hat mich noch erbittert zu manches Mannes Tod;
Nun bin ich erst erzurnet auf euch und manchen Mann:
Mir hat der Degen Iring gar wenig Schaden getan.” (2124)
Da stand dem Wind entgegen Iring von Danenland;
Er kuhlte sich im Harnisch, den Helm er niederband.
Da priesen ihn die Leute fur streitbar und gut;
Daruber trug der Markgraf nicht wenig hoch seinen Mut. (2125)
Da sprach Iring wieder: “Nun, Freunde, sollt ihr gehn
Und neue Waffen holen; ich will noch einmal sehn,
Ob ich bezwingen moge den ubermutgen Mann.”
Sein Schild war verhauen, einen bessern er gewann. (2126)
Gewaffnet ward der Recke bald in noch festre Wehr:
Er griff in seinem Zorne nach einem starken Speer,
Mit dem wollt er Hagnen zum andern Mal bestehn.
Darob ergrimmt' ihm Hagen, der kuhne Held ausersehn. (2127)
Nicht erwarten wollt ihn Hagen der Degen:
Mit Schussen und mit Hieben lief er ihm entgegen
Die Steige bis zu Ende; zornig war sein Mut:
Da kam dem Degen Iring seine Starke nicht zu gut. (2128)
Die schlugen durch die Schilde, dass es zu lohn begann
Mit feuerroten Winden. Der in Hawarts Bann
Ward von Hagens Schwerte da gar ubel wund:
Durch Helm und Schildrand drang es, er ward nicht wieder gesund. (2129)
Als der Degen Iring der Wunde ward gewahr,
Deckt' er mit dem Schilde den Helm ganz und gar.
Ihn deuchte voll der Schaden, den er von ihm gewann;
Bald tat ihm aber gro?ern der Degen noch in Gunthers Bann. (2130)
Einen Wurfspie? Hagen vor seinen Fu?en sah;
Auf Iring den Danen schoss der Degen da,
Dass ihm die Stange aus dem Haupte stand:
Der Recken Hagen hatt ihm ein grimmes Ende gesandt. (2131)
Iring musste wieder zu den Danen fliehn.
Eh man dem Degen konnte den Helm vom Haupte ziehn
Und ihn vom Speer befreien, erschien ihm schon der Tod.
Da weinten seine Freunde, es zwang sie wahrhafte Not. (2132)
Da kam die Konigstochter auch zu ihm heran:
Iring den starken hub sie zu klagen an;
Sie beweinte seine Wunden, es war ihr grimmig leid.
Da sprach vor seinen Freunden dieser Recke kuhn im Streit: (2133)
“Lasst die Klage bleiben, viel hehre Konigin.
Was hilft eurer Weinen? Mein Leben muss dahin
Schwinden aus den Wunden, die an mir offen stehn:
Der Tod will mich nicht langer euch und Etzeln dienen sehn.” (2134)
Zu Thuringern und Danen sprach er hingewandt:
“Die Gaben, so die Konigin euch beut, soll eure Hand
Nicht zu erwerben trachten, ihr lichtes Gold so rot:
Und besteht ihr Hagen, so musst ihr schauen den Tod.” (2135)
Seine Farbe war erblichen, des Todes Zeichen trug
Iring der kuhne; ihnen war es leid genug.
Er konnte nicht gefunden der Held in Hawarts Lehn:
Da musst es an ein Streiten von den Danenhelden gehn. (2136)
Irnfried und Hawart sprangen vor den Saal
Wohl mit tausend Helden: einen ungestumen Schall
Vernahm man allenthalben, kraftig und gro?.
Hei! Was man scharfer Speere auf zu den Burgonden schoss! (2137)
Irnfried der Kuhne lief den Spielmann an,
Daher er gro?en Schaden von seiner Hand gewann:
Der edle Fiedelspieler den Landgrafen schlug
Durch den Helm den festen: Wohl war er grimmig genug. (2138)
Da schlug dem kuhnen Spielmann Irnfried einen Schlag,
Dass er des Panzers Ringe dem Helden zerbrach,
Und sich sein Harnisch farbte von Funken feuerrot:
Dennoch fiel der Landgraf von dem Spielmann in den Tod. (2139)
Zusammen waren Hagen und Hawart gekommen.
Da mochte Wunder schauen wer es wahrgenommen.
Die Schwerter fielen kraftig den Helden an der Hand:
Da musste Hawart sterben vor dem aus Burgondenland. (2140)
Die Thuringer und Danen sahn ihres Herren Tod:
Da hob sich vor dem Hause eine furchtbare Not;
Eh sie die Tur gewannen mit kraftreicher Hand,
Da ward noch verhauen mancher Helm und Schildesrand. (2141)
“Weichet,” sprach da Volker, “lasst sie zum Saale gehn;
Was sie im Sinne haben kann dennoch nicht geschehn.
Sie mussen all ersterben hier in kurzer Zeit:
Sie ernten mit dem Tode was ihnen Kriemhilde beut.” (2142)
Als die Ubermutigen drangen in den Saal,
Da wurde manchem Helden das Haupt geneigt zu Tal,
Dass er ersterben musste von ihren starken Schlagen.
Wohl stritt der kuhne Gernot, so tat auch Geiselher der Degen. (2143)
Tausend und Viere, die kamen in das Haus:
Da horte man erklingen den hellen Schwertersaus.
Bald wurden doch die Recken alle drin erschlagen:
Man mochte gro?e Wunder von den Burgonden sagen. (2144)
Da gab es eine Stille, als der Larm verscholl!
Das Blut allenthalben durch die Lucken quoll
Zu den Rinnsteinen von den toten Degen:
Das taten die vom Rheine mit ihren kraftigen Schlagen. (2145)
Da sa?en wieder ruhend die aus Burgondenland;
Sie legten mit den Waffen die Schilde von der Hand.
Da stand noch vor dem Hause der kuhne Fiedelmann,
Erwartend ob noch jemand zum Streite zoge heran. (2146)
Der Konig klagte heftig, dazu die Konigin;
Magdelein und Frauen harmten sich den Sinn.
Der Tod, wahn ich, hatte sich wider sei verschworen;
Drum gingen durch die Gaste noch viel der Recken verloren. (2147)