24. Abenteuer
Wie Werbel und Schwemmel die Botschaft brachten
Als Etzel seine Boten an den Rhein gesandt,
Da flogen diese Maren geschwind von Land zu Land:
Mit schnellen Abgesandten lud er und entbot
Zu seinem Hofgelage; da holte mancher sich den Tod. (1467)
Die Boten ritten hinnen aus der Heunen Land
Zu den Burgonden, wohin man sie gesandt
Zu drei edeln Konigen und ihrem Heeresbann,
Dass sie zu Etzeln kamen: Zu eilen hub man da an. (1468)
Zu Bechlaren kamen die Boten angeritten;
Ihnen diente man da gerne, dass sie nicht Mangel litten.
Ihre Gru?e sandten Rudger und Gotelind
Den Degen an dem Rheine und auch dieser Beiden Kind. (1469)
Sie lie?en ohne Gaben sie nicht von hinnen gehn,
Dass desto sanfter fuhren die in Etzels Lehn.
Uten und ihren Sohnen entbot da Rudiger,
Es war kein andrer Markgraf ihnen so gewogen mehr. (1470)
Sie entboten auch Brunhilden alles was lieb und gut,
Ihre stete Treue und dienstbereiten Mut.
Da wollten nach der Rede die Boten weiter ziehn;
Gott bat sie zu bewahren Gotlind die edle Markgrafin. (1471)
Eh noch die Boten vollig durchzogen Bayerland,
Werbelein der schnelle den guten Bischof fand:
Was der seinen Freunden hin an den Rhein entbot
Wei? ich nicht zu sagen; von seinem Golde so rot (1472)
Schenkt' er den Boten Gaben. Als sie wollten ziehn,
“Sollt ich sie bei mir schauen,” sprach Bischof Pilgerin,
“So war mir wohl zu Mute, die Schwestersohne mein:
Mag ich doch selber selten zu ihnen kommen an den Rhein.” (1473)
Was sie fur Wege fuhren vom Rheine durch das Land
Kann ich euch nicht bescheiden. Ihr Silber und Gewand
Blieb ihnen unbenommen, man scheute Etzels Zorn:
So vielgewaltig herrschte der edle Konig wohlgeborn. (1474)
Binnen zwolf Tagen kamen sie an den Rhein
Zu Wormes in dem Lande, Werbel und Schwemmelein;
Da sagte mans dem Konig und seinen Degen an,
Es kamen fremde Boten: Gunther zu fragen begann. (1475)
Da sprach der Vogt vom Rheine: “Wer macht mir nun bekannt
Von wannen diese Fremden ritten in das Land?”
Das konnte niemand sagen bis die Boten sah
Hagen von Tronje: Zu dem Konig sprach er da: (1476)
“Man bringt uns neues heute, dafur will ich euch stehn:
Etzels Spielleute, die hab ich hier gesehn.
Die hat eure Schwester gesendet an den Rhein:
Ihrer Herren willen sollen sie willkommen sein.” (1477)
Sie ritten unverweilt zu dem Saal heran:
So herrlich fuhr wohl nimmer eines Fursten Fiedelmann.
Des Konigs Ingesinde empfing sie gleich zur Hand;
Herberge gab man ihnen und bewahrte ihr Gewand. (1478)
Ihre Reisekleider waren reich und wohlgetan,
Sie mochten wohl mit Ehren sich so dem Konig nahn;
Doch wollten sie nicht langer sie am Hofe tragen:
“Ob jemand sie begehre?”, das lie?en die Boten fragen. (1479)
Da waren auch zur Stunde Leute bei der Hand,
Die sie gerne nahmen: Denen wurden sie gesandt.
Da schmuckten sich die Boten mit besserm Gewand,
Wie es Konigsboten zu tragen schon und herrlich stand. (1480)
Da ging mit Urlaube hin wo der Konig sa?
Etzels Ingesinde: Gerne sah man das.
Herr Hagen den Boten mit Zucht entgegen sprang,
Sie minniglich begru?end: Das sagten ihm die Knappen Dank. (1481)
Da hub er um die Kunde sie zu befragen an,
Wie Etzel sich gehabe und die ihm untertan.
Da sprach der Fiedelspieler: “Nie besser stands im Land,
Das Volk war niemals froher, das sei euch wahrlich bekannt.” (1482)
Sie gingen zu dem Wirte. Der Konigssaal war voll;
Da empfing man die Gaste, wie man immer soll
Boten freundlich gru?en aus fremder Konge Land.
Werbel der Recken viel bei Konig Gunthern fand. (1483)
Der Konig wohlgezogen zu gru?en sie begann:
“Willkommen, beide Fiedler in Konig Etzels Bann
Mit euern Heergesellen: Weshalb hat euch gesandt
Etzel der reiche zu der Burgonden Land?” (1484)
Sie neigten sich dem Konige. Da sprach Werbelein:
“Dir entbietet holde Dienste der liebe Herre mein,
Und Kriemhild deine Schwester hieher in dieses Land:
Sie haben uns euch Recken auf gute Treue hergesandt.” (1485)
Da sprach der reiche Konig: “Der Mare bin ich froh.
Wie gehabt sich Konig Etzel,” der Degen fragte so,
“Und Kriemhild meine Schwester in der Heunen Land?”
Da sprach der Fiedelspieler: “Das mach ich gern euch bekannt. (1486)
Besser wohl gehabten sich Leute nimmermehr,
Das glaubet uns in Wahrheit, als die Fursten hehr
Und ihre Degen alle, die Freunde wie ihr Bann:
Sie freuten sich der Reise, da wir schieden hindann.” (1487)
“Nun Dank ihm fur die Dienste, die er mir entbot,
Ihm und meiner Schwester, geliebt es also Gott,
Dass sie in Freuden leben, der Konig und sein Bann;
Fragt ich doch sehr in Sorgen um diese Mare bei euch an.” (1488)
Die beiden jungen Konige waren auch gekommen,
Die hatten diese Mare jetzt erst vernommen.
Geiselher der junge die Boten gerne sah
Aus Liebe zu der Schwester; gar minniglich sprach er da: (1489)
“Ihr Boten sollt uns Degen hier willkommen sein;
Kamet ihr nur ofter geritten an den Rhein,
Ihr fandet hier der Freunde, die ihr gerne mochtet sehn:
Euch sollte wenig Leides in diesen Landen geschehn.” (1490)
“Mir versehn uns aller Ehren zu euch;” sprach Schwemmelein,
“Ihr konnt euch nicht bedeuten mit den Worten mein,
Wie Etzel euch so minniglich in sein Land entbot,
Und eure edle Schwester; sie leidet keinerlei Not. (1491)
“An eure Lieb und Treue mahnt euch die Konigin
Und dass ihr stets gewogen war euer Herz und Sinn.
Zuvorderst an den Konig sein wir hieher gesandt,
Dass ihr zu reiten moget geruhn in Konig Etzels Land. (1492)
Dass wir euch darum baten gar dringend er gebot.
Etzel der reiche euch allen das entbot,
Wenn ihr nicht kommen wolltet, eure Schwester sehn,
So mocht er doch wohl wissen, was euch von ihm war geschehn, (1493)
Dass ihr ihn also meidet und auch sein Reich und Land?
War euch auch die Konigin fremd und unbekannt,
So mocht er selbst verdienen, dass ihr kamet ihn zu sehn:
Wenn ihr das leisten wolltet, so war ihm Liebes geschehn.” (1494)
Da sprach der Konig Gunther: “Nach der siebenten Nacht
Will ich euch verkunden, wes ich mich bedacht
Im Rate meiner Freunde; der weilen gehet hin
Zu eurer Herberge und findet gute Ruh darin.” (1495)
Da sprach wieder Werbel: “Konnt es nicht geschehn,
Dass wir unsre Fraue, die reiche Ute, sehn,
Eh wir muden Degen frugen nach der Ruh?”
Da sprach mit Rittersitten der edle Geiselher dazu: (1496)
“das soll euch niemand wehren; wollt ihr vor sie gehn,
So ist auch meiner Mutter Lieb daran geschehn,
Denn sie sieht euch gerne um die Schwester mein,
Kriemhild die Fraue: Ihr sollt ihr willkommen sein.” (1497)
Geiselher sie brachte hin wo er Uten fand.
Die sah die Boten gerne aus der Heunen Land;
Sie empfing sie freundlich mit tugendreichem Mut:
Da sagten ihr die Mare die Boten hofisch und gut. (1498)
“Meine Frau lasst euch entbieten,” sprach da Schwemmelein,
“Dienst und stete Treue, und wenn es mochte sein,
Dass sie euch ofter sahe, so glaubet sicherlich,
Wohl keine andre Freude auf Erden wunschte sie sich.” (1499)
Da sprach die Konigswitwe: “Leider kanns nicht sein:
So gern ich ofter sahe die liebe Tochter mein,
So wohnt uns doch zu ferne die edle Konigin:
Nun geh ihr immer selig die Zeit bei Etzeln dahin. (1500)
“Ihr sollt mich wissen lassen eh ihr zieht davon,
Wann ihr reiten wollet: Ich sah nun lange schon
Boten nicht so gerne als ich euch gesehn.”
Da gelobten ihr die Knappen, ihr Wunsch der solle geschehn. (1501)
Zu den Herbergen gingen die von Heunenland.
Der reiche Konig hatte zu den Freunden gesandt:
Gunther der reiche fragte seinen Bann
Was sie daruber dachten? Wohl manche huben da an: (1502)
“Er moge fahrlos reiten in Konig Etzels Land.”
Das rieten ihm die Besten, die er darunter fand.
Hagen nur alleine, dem war es grimmig leid;
Er sprach zu dem Konige: “Mit euch selber seid ihr im Streit. (1503)
Ihr habt doch nicht vergessen was ihr von uns geschehn?
Wir mussen vor Kriemhilden in steter Sorge stehn:
Ich schlug ihr zu Tode den Mann mit meiner Hand;
Wie durften wir wohl reiten hin in Konig Etzels Land?” (1504)
Da sprach der reiche Konig: “Meiner Schwester Zurnen schwand:
Mit minniglichem Kusse, eh sie verlie? dies Land,
Hat sie uns verziehen was wir an ihr getan:
Es ware denn sie stande bei euch, Herr Hagen, noch an.” (1505)
“Nun lasst euch nicht betrugen, was sie auch sagen,
Diese Heunenboten: Wollt ihrs mit Kriemhild wagen,
Da verliert ihr zu der Ehre Leben leicht und Leib;
Sie wei? wohl nachzutragen, des Konigs Etzel Weib.” (1506)
Da sprach zu dem Rate der Degen Gerenot:
“Ihr mogt aus guten Grunden furchten dort den Tod
In den heunischen Reichen: Standen wir drum an
Und mieden unsre Schwester, das war gar ubel getan.” (1507)
Da hub der junge Geiselher zu dem Degen an:
“Wisst ihr euch schuldig, Hagen, dass ihr ihr Leid getan,
So bleibet hier im Lande euer Heil zu wahren;
Nur lasst, die sichs getrauen, mit uns zu meiner Schwester fahren.” (1508)
Darob begann zu zurnen von Tronje der Degen:
“Ich will nicht dass euch jemand begleitet auf den Wegen,
Der sich mehr getraue zu dieser Fahrt als ich:
Wollt ihrs nicht bleiben lassen, so schaut ihr das sicherlich.” (1509)
Da sprach der Kuchenmeister Rumolt der Degen:
“Der Heimischen und Fremden mogt ihr zu Hause pflegen
Nach euerm Wohlgefallen: Da habt ihr volle Macht:
Euch hat doch, dunkt mich, niemand dahin zu Pfande gebracht. (1510)
Wollt ihr nicht Hagen folgen, so rat euch Rumolt,
Weil ich euch in Treue gewogen bin und hold,
Dass ihr im Lande bleibet nach dem Willen mein
Und lasst den Konig Etzel nur dort bei Kriemhilden sein. (1511)
Wo konntet ihr auf Erden so gut als hier gedeihn?
Ihr mogt vor euern Feinden hier wohl geborgen sein,
Ihr konnt mit guten Kleidern zieren euern Leib,
Des besten Weines trinken und minnen manches schone Weib. (1512)
Dazu gibt man euch Speise, so gut sie je gewann
Ein Konig auf der Erde. Liegt euch das nicht an,
So mogt ihr hier verbleiben um euer schones Weib,
Eh ihr so unbesonnen verwaget Leben und Leib. (1513)
Drum rat ich euch zu bleiben: Reich ist euer Land:
Ihr konnt hier besser losen was ihr gabt zu Pfand
Als dort bei den Heunen: Wer wei?, wie es da steht?
Verbleibt bei uns, Herr Konig, das ist was Rumolt euch rat.” (1514)
“Wir wollen nun nicht bleiben,” sprach da Gernot,
“Da uns meine Schwester so Freundliches entbot
Und Etzel der reiche, was sollten wir nicht gehn?
Die nicht mit uns wollen, die mogen daheim bestehn.” (1515)
Zur Antwort sprach da Hagen: “Lasst euch zum Verdruss
Meine Rede nicht gereichen: Was auch geschehn muss,
Das rat ich euch in Treuen, wenn ihr euch gern bewahrt,
Dass ihr nur wohl gerustet zu dem Heunenlande fahrt. (1516)
“Wenn ihrs euch unterwindet, so entbietet euern Bann,
Die Besten, die ihr findet und die euch untertan;
Daraus will ich erwahlen tausend Ritter gut:
So mag euch nicht gefahrden der argen Kriemhilde Mut.” (1517)
“Dem Rate will ich folgen,” sprach der Konig gleich.
Da sandt er seine Boten umher in seinem Reich;
Bald brachte man der Helden dreitausend oder mehr;
Sie dachten nicht zu finden so gro?es Leid und Beschwer. (1518)
Sie ritten wohl gemutet in Konig Gunthers Land:
Da gab man ihnen allen Ross und auch Gewand,
Die da raumen sollten der Burgonden Land.
Der Konig reiselustig manchen werten Ritter fand. (1519)
Da lie? von Tronje Hagen Dankwart den Bruder sein
Achtzig ihrer Recken fuhren an den Rhein.
Sie kamen stolz gezogen, Harnisch und Gewand
Brachten die Schnellen Konig Gunthern in das Land. (1520)
Da kam der kuhne Volker, der edle Fiedelmann,
Mit drei?ig seiner Degen zu der Fahrt heran;
Ihr Gewand war herrlich, ein Konig mocht es tragen:
Er wollte zu den Heunen, das lie? der Konig Gunthern sagen. (1521)
Wer Volker sei gewesen, das sei euch kund getan:
Es war ein edler Herre, ihm waren untertan
Viel der guten Recken in Burgondenland;
Weil er fiedeln konnte war er der Spielmann genannt. (1522)
Hagen wahlte tausend, die waren ihm bekannt;
Was sie in starken Sturmen gefrommt mit ihrer Hand
Und sonst begangen hatten, das hatt er oft gesehn:
Es konnte niemand anders als ihnen Ehre zugestehn. (1523)
Die Boten Kriemhildens der Aufenthalt verdross.
Die Furcht vor ihrem Herren war gewaltig gro?:
Sie hielten alle Tage um den Urlaub an;
Den missgonnt' ihnen Hagen: Das war aus Arglist getan. (1524)
Er sprach zu seinem Herren: “Wir wollen uns bewahren,
Dass wir sie reiten lassen bevor wir selber fahren
Sieben Tage spater in Konig Etzels Land:
Tragt man uns argen Willen, so wird es besser abgewandt. (1525)
So mag sich auch Kriemhilde bereiten nicht dazu,
Dass uns nach ihrem Rate jemand Schaden tu;
Will sie es doch versuchen, so kommt sie ubel an:
Wir fuhren zu den Heunen so manchen auserwahlten Mann.” (1526)
Die Sattel und die Schilde und all ihr Rustgewand,
Das sie fuhren wollten in Konig Etzels Land,
War nun wohlbereitet fur manchen kuhnen Mann.
Die Boten Kriemhildens lud man zu Gunthern heran. (1527)
Als die Boten kamen, sprach Degen Gernot:
“Der Konig will leisten was Etzel uns entbot.
Wir wollen gerne kommen zu seiner Lustbarkeit
Und unsre Schwester sehen: Dass ihr des au?er Zweifel seid.” (1528)
Da sprach Konig Gunther: “Wisst ihr uns zu sagen
Wann das Fest beginne? Oder zu welchen Tagen
Wir erwartet werden?” Da sprach Schwemmelein:
“Zur nachsten Sonnenwende, da soll es in Wahrheit sein.” (1529)
Der Konig erlaubte, das war noch nicht geschehn,
Wenn sie Frau Brunhilden wunschten noch zu sehn,
Dass sie mit seinem Willen sprachen bei ihr an.
Dem widerstrebte Volker: Da war ihr Liebes getan. (1530)
“Es ist meine Grau Brunhilde nun nicht so wohlgemut,
Dass ihr sie schauen konntet,” sprach der Ritter gut,
“Wartet bis Morgen, so lasst man sie euch sehn.”
Sie wahnten sie zu schauen, da konnt es doch nicht geschehn. (1531)
Da lie? der reiche Konig, er war den Boten hold,
In seiner hohen Milde von seinem roten Gold
Auf breiten Schilden bringen: Wohl war er reich daran;
Auch boten seine Freunde ihnen gro?e Gaben an. (1532)
Geiselher und Gernot, Gere und Ortewein,
Wie sie milde waren, das leuchtete wohl ein:
So reiche Gaben boten sie den Boten an,
Dass sie's vor ihrem Herren nicht getrauten zu empfahn. (1533)
Da sprach zu dem Konige der Bote Schwemmelein:
“Herr Konig, lasst die Gaben nur hier im Lande sein.
Wir konnens nicht verfuhren, weil uns der Herr verbot,
Dass wir Geschenke nahmen: Auch tut es uns wenig Not.” (1534)
Da ward der Vogt vom Rheine daruber ungemut,
Dass sie verschmahen wollten so reichen Konigs Gut.
Da mussten sie empfahen sein Gold und sein Gewand
Und es mit sich fuhren heim in Konig Etzels Land. (1535)
Sie wollten Ute schauen vor ihrer Wiederkehr
Die Spielleute brachte der junge Geiselher
Zu Uten seiner Mutter; sie entbot der Konigin,
Wenn man ihr Ehre biete, es sei ihr hoher Gewinn. (1536)
Da lie? die Konigswitwe ihre Borten und ihr Gold
Verteilen um Kriemhildens, denn der war sie hold,
Und Konig Etzels Willen an das Botenpaar.
Sie mochtens wohl empfahn: Getreulich bot sie es dar. (1537)
Nun hatten sich beurlaubt die beiden Boten gut
Von Mannern und von Frauen. Sie fuhren wohlgemut
Bis zum Schwabenlande: Dahin lie? Gerenot
Seine Degen sie begleiten, dass sie nirgend litten Not. (1538)
Als die von ihnen schieden, die sie sollten pflegen,
Gab ihnen Etzels Herrschaft Frieden auf den Wegen,
Dass ihnen niemand raubte ihr Ross noch ihr Gewand:
Sie ritten sehr in eile heim in Konig Etzels Land. (1539)
Wo sie Freunde fanden, da machten sie es kund,
In wenig Tagen kamen die Helden von Burgund
Vom Rheine hergezogen in der Heunen Land:
Pilgerin dem Bischof ward auch die Mare bekannt. (1540)
Als sie vor Bechlaren die Stra?e niederzogen,
Da ward auch um die Mare Rudger nicht betrogen,
Noch Frau Gotelinde, die Markgrafin hehr:
Dass sie sie schauen sollte, des freute diese sich sehr. (1541)
Die Spielleute spornten die Rosse machtig an.
Sie fanden Konig Etzeln in seiner Stadt zu Gran.
Gru?e uber Gru?e, die man ihm her entbot,
Brachten sie dem Konige: Vor Liebe ward er freudenrot. (1542)
Als da Kriemhilden die Mare ward bekannt,
Dass ihre Bruder wollten kommen in ihr Land,
Da ward ihr wohl zu Mute: Sie gab den Boten Lohn
Mit reichlichen Geschenken; sie hatte Ehre davon. (1543)
Sie sprach: “Nun sagt mir beide, Werbel und Schwemmelein,
Wer will von meinen Freunden bei dem Hofgelage sein,
Von den Besten, die wir luden hieher in dieses Land?
Sagt, was sprach Hagen, als ihm die Mare ward bekannt?” (1544)
“Er kam zu ihrem Rate an einem Morgen fruh;
Wenig gute Spruche redet' er dazu,
Als sie die Fahrt beschlossen nach dem Heunenland:
Die hat der grimme Hagen die Todesreise genannt. (1545)
Es kommen eure Bruder, die Konge alle drei
In herrlichem Mute. Wer mehr mit ihnen sei,
Daruber ich des weitern euch nicht bescheiden kann;
Es will mit ihnen kommen Volker auch, der Fiedelmann.” (1546)
“Des mag ich leicht entbehren,” sprach die Konigin,
“Will der Degen Volker zum dem Hofgelage ziehn;
Hagen bin ich gewogen, der ist ein Degen gut:
Dass wir ihn schauen sollen, des hab ich frohlichen Mut.” (1547)
Hin ging die Konigstochter wo sie den Konig sah.
Wie sprach mit holden Worten Frau Kriemhilde da:
“Wie gefallen euch die Maren, viel lieber Herre mein?
Wes mich je verlangte, das soll nun bald vollendet sein.” (1548)
“Dein Will ist meine Freude:”, der Konig sprach da so,
“Ich war der eignen Freunde nicht so von Herzen froh,
Wenn sie kommen sollten hieher in unser Land:
Durch deiner Freunde Liebe viel meiner Sorge verschwand.” (1549)
Des Konigs Amtleute befahlen uberall
Mit Sitzen zu erfullen Pallas und Saal
Fur die lieben Gaste, die da sollten kommen.
Durch die ward bald dem Konig die hohe Freude benommen. (1550)