33. Abenteuer
Wie die Burgonden mit den Heunen stritten
Als der kuhne Dankwart unter die Ture trat
Und Etzels Ingesinde zuruckzuweichen bat,
Da war mit Blut beronnen all sein Rustgewand;
Eine scharfe Waffe trug er blo? an seiner Hand. (2013)
* Gerade zu der Stunde als Dankwart trat zur Tur,
Trug man Ortlieben im Saale fur und fur
Von einem Tisch zum andern den Fursten wohlgeboren:
Durch seine schlimme Botschaft ging das Kindlein verloren. (2014)
Hellauf rief da Dankwart einem Degen zu:
“Ihr sitzet allzu lange, Bruder Hagen, in Ruh;
Euch und Gott vom Himmel klag ich unsre Not;
Ritter und Gesinde sind in der Herberge tot.” (2015)
Da rief ihm der entgegen: “Wer hat das getan?”
“Das hat der Degen Blodel mit seinem Heeresbann.
Auch hat ers schwer vergolten, das will ich euch sagen:
Mit diesen Handen hab ich ihm sein Haupt abgeschlagen.” (2016)
“Der Schaden ist geringe,” sprach Hagen dagegen,
“Wenn man solche Mare sagt von einem Degen,
Dass er von Reckenhanden zu Tode sei geschlagen:
Den sollen desto minder die schonen Frauen beklagen. (2017)
“Nun sagt mir, Bruder Dankwart, wie seid ihr so rot?
Ich glaube schier, ihr leidet von Wunden gro?e Not:
Ist einer in dem Lande, von dem euch das geschehn?
Der uble Teufel helfe dem: Es muss ihm an sein Leben gehn.” (2018)
“Noch bin ich unverwundet: Mein Kleid ist nass von Blut;
Das floss nur aus Wunden andrer Degen gut,
Deren ich so manchen heute hab erschlagen,
Wenn ichs beschworen sollte, die Zahl nicht wusst ich zu sagen.” (2019)
Da sprach er: “Bruder Dankwart, so hutet uns der Tur
Und lasst von den Heunen nicht einen Mann herfur:
So red ich mit den Recken wie uns zwingt die Not:
Unser Ingesinde litt unverdient durch sie den Tod.” (2020)
“Soll ich Kammrer werden?”, sprach der kuhne Mann,
“Bei so reichen Konigen steht mir das Amt wohl an:
Der Stiege will ich huten nach allen Ehren mein.”
Kriemhildens Recken konnte das nicht leider sein. (2021)
“Nun mocht ich doch wissen,” sprach wieder Hagen,
“Was die Heunendegen sich in die Ohren sagen:
Sie mochten sein entbehren, der hier die Tur bewacht,
Und der die Hofmaren den Burgonden hat gebracht. (2022)
“Ich horte schon lange von Kriemhilden sagen,
Dass sie nicht ungerochen ihr Herzleid wolle tragen;
Nun trinken wir die Minne und zahlen des Konigs Wein:
Der junge Vogt der Heunen, der muss der allererste sein.” (2023)
Ortlieb das Kind erschlug da Hagen der Degen gut,
Dass ihm vom Schwerte nieder floss auf die Hand das Blut,
Und das Haupt herab sprang der Konigin in den Schoss
Da hob sich unter Degen ein Morden grimmig und gro?. (2024)
Er schlug dem Hofmeister, der des Kindes pflag,
Mit seinen beiden Handen einen schwinden Schwertesschlag,
Dass vor des Tisches Fu?e sein Haupt niederflog:
Es war ein ubler Dienstlohn, den er dem Hofmeister wog. (2025)
Er sah vor Etzels Tische einen Fiedelmann:
Hagen in seinem Zorne schritt rasch zu ihm heran.
Er schlug ihm auf der Geige herab die rechte Hand:
“Das habe fur die Botschaft in der Burgonden Land.” (2026)
“O weh meine Hande!”, hub da Werbel an,
“Herr Hagen von Tronje, was hab ich euch getan?
Ich kam in gro?er Treue in eurer Herren Land:
Wie klang ich nun die Tone, da ich verloren die Hand?” (2027)
Hagen fragte wenig, geigt er auch nimmer mehr.
Da ubt' er in dem Hause die grimme Mordlust sehr
An Konig Etzels Recken, deren er viel erschlug:
Da bracht er in dem Hause zu Tod der Recken genug. (2028)
Volker der Schnelle von dem Tische sprang,
Sein Fiedelbogen kraftig an seiner Hand erklang.
Da fiedelte gewaltig Gunthers Fiedelmann:
Hei! Was er sich zu Feinden der kuhnen Heunen gewann! (2029)
Auch sprangen von den Tischen die drei Konge hehr.
Sie hofften es zu schlichten, eh Schadens wurde mehr:
Doch strebten ihre Krafte umsonst dawider an,
Da Volker mit Hagen so sehr zu wuten begann, (2030)
Da sah der Vogt vom Rheine, er scheide nicht den Streit:
Da schlug der Konig selber manche Wunde weit
Durch die lichten Panzer den argen Feinden sein:
Er war ein schneller Degen, das lie? er offenbar sein. (2031)
Da kam auch zu dem Streite der starke Gernot:
Der schlug dem Heunenvolke manchen Helden tot
Mit dem scharfen Schwerte, das Rudiger ihm gab;
Damit bracht er manchen von Etzels Recken ins Grab. (2032)
Der jungste Sohn Utens auch zu dem Streite sprang,
Seine Waffe herrlich durch die Helme drang
Konig Etzels Recken aus dem Heunenland:
Da tat viel gro?e Wunder des kuhnen Geiselher Hand. (2033)
Wie kuhn sie alle waren, die Fursten und ihr Bann,
Dennoch sah man Volkern den andern all voran
Bei den starken Feinden; er war ein Degen gut:
Er forderte mit Willen manchen nieder in das Blut. (2034)
Auch wehrten sich gewaltig die in Etzels Lehn:
Man sah die Gaste fechtend auf und nieder gehn
Mit den lichten Schwertern durch des Konigs Saal.
Da vernahm man allenthalben vom Wehruf machtigen Schall. (2035)
Da wollten die da drau?en zu ihren Freunden drin:
Sie fanden an der Stiege gar wenigen Gewinn;
Da wollten die da drinnen gerne vor die Tur:
Dankwart lie? keinen nicht hinein noch herfur. (2036)
Drum hob sich an der Pforte ein ungestumer Drang
Und von Schwerthieben auf Helmen lauter Klang.
Da kam der kuhne Dankwart in eine gro?e Not:
Sein Bruder trug da Sorge, wie ihm die Treue gebot. (2037)
Da rief mit lauter Stimme Hagen Volkern an;
“Seht ihr dort, Geselle, vor manchem Heunenmann
Meinen Bruder stehen unter starken Schlagen?
Freund! Schutzet mir den Bruder, wir verlieren sonst den Degen.” (2038)
Der Spielmann gab zur Antwort: “Wohl, es soll geschehn.”
Da begann er fiedelstreichend durch den Saal zu gehn:
Ein hartes Schwert nicht selten an seiner Hand erklang.
Vom Rhein die Recken sagten dafur ihm gro?lichen Dank. (2039)
Volker der kuhne zu Dankwarten sprach:
“Ihr habt erlitten heute gro?es Ungemach!
Mich hat euer Bruder, ich soll euch helfen gehn:
Wollt ihr nun drau?en bleiben, so will ich innerhalben stehn.” (2040)
Dankwart der schnelle stand au?erhalb der Tur:
So wehrt' er von der Stiege wer immer trat dafur.
Man horte Waffen hallen den Helden an der Hand:
So tat auch innerhalben Volker von Burgondenland. (2041)
Der kuhne Spielmann rief ihm uber die Menge zu:
“Der Saal ist wohl verschlossen, Freund Hagen, seid in Ruh:
Es ist so gut verschranket Konig Etzels Tur
Von zweier Helden Handen, die gehn wohl tausend Riegeln fur.” (2042)
Als von Tronje Hagen die Ture sah in Hut,
Den Schild warf auf den Rucken der erlauchte Degen gut;
Nun begann er erst zu rachen was ihm war geschehn.
Da durften seine Feinde sich des Lebens nicht versehn. (2043)
Als der Vogt von Berne das Wunder recht ersah,
Wie Hagen der Starke zerbrach die Helme da,
Der Amelungen Konig sprang auf eine Bank;
Er sprach: “Hier schenket Hagen den allersauersten Trank.” (2044)
Der Wirt war sehr in Sorgen, wie ihn zwang die Not;
Was schlug man lieber Freunde vor seinen Augen tot!
Er selbst war kaum geborgen vor seiner Feinde Schar:
Er sa? in gro?en Angsten: Was half ihm, dass er Konig war? (2045)
Kriemhilde die reiche rief Dietrichen zu:
“Hilf mir von der Stell, edler Ritter du,
Bei aller Fursten Tugend aus Amelungenland;
Denn erreicht mich Hagen, hab ich den Tod an der Hand.” (2046)
“Wie soll ich euch helfen,” sprach Herr Dieterich,
“Edle Konigstochter? Ich sorge selbst um mich.
Es sind so sehr erzurnet die in Gunthers Bann,
Dass ich in dieser Stunde niemand wohl befrieden kann.” (2047)
“Nicht also, Herr Dietrich, edler Ritter gut:
Lass einmal heut erscheinen deinen tugendreichen Mut:
Bringe mich von hinnen, oder ich bleibe tot.
Hilf mir und dem Konig aus dieser angstvollen Not.” (2048)
“Ich will es versuchen ob euch zu helfen ist;
Doch sah ich wahrlich nimmer in langer Tage Frist
So bitterlich erzurnet manchen Ritter gut:
Ich sehe durch die Helme von Schwestern springen das Blut.” (2049)
Mit Kraft begann zu rufen der Ritter auserkorn,
Dass seine Stimme hallte wie ein Buffelhorn
Und dass die weite Veste schutterte von dem Sto?.
Dietrichens Starke, die war uber Ma?en gro?. (2050)
Da horte Konig Gunther rufen diesen Mann
In dem harten Sturme: Zu lauschen hub er an.
Er sprach: “Dietrichs Stimme ist in mein Ohr gekommen:
Ihm haben unsre Degen hier wohl jemand benommen. (2051)
“Ich seh ihn auf dem Tische winken mit der Hand.
Ihr Manner und Freunde von Burgondenland,
Haltet ein mit Streiten: Lasst horen erst und sehn,
Was von meinen Mannen hier dem Degen sei geschehn. (2052)
Als so der Konig Gunther bat und auch gebot,
Da senkten sie die Schwerter in des Streites Not.
Das war Gewalt bewiesen, dass niemand da mehr schlug.
Er fragte den von Berne um die Mare schnell genug. (2053)
Er sprach: “Viel edler Dietrich, was ist euch hier geschehn
Von meinen Freunden? Ihr sollt mich willig sehn:
Zur Suhn und zur Bu?e bin ich euch gern bereit.
Was euch jemand tate, das war mir inniglich leid.” (2054)
Da sprach der Degen Dietrich: “Mir ist nichts geschehn;
Lasst mich mit euerm Frieden aus dem Hause gehn
Von diesem schweren Streite mit dem Gesinde mein:
Dafur will ich euch wahrlich immer dienstbeflissen sein.” (2055)
“Was musst ihr also flehen?”, sprach da Wolfhart,
Es halt der Fiedelspieler die Tur nicht so verwahrt:
Wir offnen sie so machtig, dass man ins Freie kann.”
“Schweige,” sprach Herr Dietrich, “du hast den Teufel getan.” (2056)
Da sprach Konig Gunther: “Den Urlaub geb ich gleich:
Fuhret aus dem Hause so viel ihr wollt mit euch,
Ohne meine Feinde: Die sollen hier bestehn.
Durch sie ist mir viel Leides hier bei den Heunen geschehn.” (2057)
Als das der Berner horte, mit einem Arm umschloss
Er die edle Konigin, ihre Angst war gro?;
Da fuhrt' er an dem andern Etzeln aus dem Haus.
Auch folgten Dietrichen vieler stolzer Degen hinaus. (2058)
Da sprach der Markgraf, der edle Rudiger:
“Soll aber aus dem Hause noch kommen jemand mehr,
Der euch gerne dienet, wohlan, so macht mirs kund:
So walte steter Frieden in getreuer Freunde Bund.” (2059)
Zur Antwort gab ihm Geiselher von Burgondenland:
“Einigkeit und Friede sei euch von uns bekannt;
Ihr haltet stete Treue und die in euerm Lehn:
Ihr sollt mit euern Freunden ohne Furcht von hinnen gehn.” (2060)
Als Rudiger der Degen raumte Etzels Saal,
Funfhundert oder druber, die folgten ihm zumal.
Das ward aus gro?er Treue von den Herren getan;
Wodurch der Konig Gunther bald gro?en Schaden gewann. (2061)
Da sah ein Heunenrecke Konig Etzeln gehn
Neben Dietrichen: Des wollt er Frommen sehn.
Dem gab der Fiedelspieler einen solchen Schlag,
Dass gleich vor Etzels Fu?en ihm das Haupt am Boden lag. (2062)
Als der Wirt des Landes kam vor des Hauses Tor,
Da wandt er sich und blickte zu Volkern empor.
“O weh mir dieser Gaste! Das ist grimme Not:
Dass alle meine Recken vor ihnen finden den Tod! (2063)
“Weh dieses Hofgelages!”, sprach der Konig hehr;
“Da drinnen ficht einer, der hei?et Volker,
Gleich einem wilden Eber und ist ein Fiedelmann:
Ich dank es meinem Heile, dass ich dem Teufel entrann. (2064)
“Seine Weisen lauten ubel, seine Striche sind rot;
Wohl schlagen seine Tone mir manchen Helden tot.
Ich wei? nicht was uns vorwirft derselbe Fiedelmann,
Dass ich in meinem Leben so leiden Gast nicht gewann.” (2065)
* Zu den Herbergen gingen die beiden Recken hehr,
Dietrich von Berne und Markgraf Rudiger.
Sie wollten gerne beide des Streits entledigt sein,
Und geboten ihren Degen, dass sie den Zwist sollten scheun. (2066)
* Und hatten die Burgonden des Leides sich versehn,
Das ihnen von den beiden noch sollte geschehn,
Sie waren aus dem Hause so leicht nicht gekommen,
Eh sie eine Strafe von den Kuhnen hatten genommen. (2067)
Sie hatten die sie wollten entlassen aus dem Saal;
Da hob sich innerhalben ein furchterlicher Schall.
Die Gaste rachten bitter ihr Leid und ihr Schmach;
Volker der Kuhne, hei! Was er Helme zerbrach! (2068)
Sich wandte zu dem Schalle Gunther der Konig hehr:
“Hort ihr die Tone, Hagen, die dort Volker
Mit den Heunen fiedelt, wenn wer zur Ture trat?
Es ist ein roter Anstrich, den er am Fiedelbogen hat.” (2069)
“Es reut mich ohne Ma?en,” sprach Hagen dagegen,
“Dass ich je mich scheiden musste von dem Degen:
Ich war sein Geselle, er der Geselle mein,
Und kommen wir von hinnen, wir wollens noch in Treue sein. (2070)
“Nun schaut, hehrer Konig, der Volker ist dir hold:
Wie flei?ig er verdienet dein Silber und dein Gold!
Sein Fiedelbogen schneidet durch den harten Stahl,
Er wirft von den Helmen die lichten Zierden zu Tal. (2071)
“Ich sah nie einen Fiedler so stolz und herrlich stehn
Als diesen Tag von Volker dem Degen ist geschehn.
Seine Weisen hallen durch Helm und Schildesrand:
Gute Rosse soll er reiten und tragen herrlich Gewand.” (2072)
So viel der Heunendegen auch waren in dem Saal,
Nicht einer blieb am Leben von ihnen allzumal.
Da war der Schall beschwichtigt, als niemand bleib zum Streit:
Die kuhnen Recken legten da ihre Schwerter beiseit. (2073)