23. Abenteuer
Wie Kriemhilde ihr Leid zu rachen gedachte
Unter hohen Ehren, das ist alles wahr,
Wohnten sie beisammen bis in das siebte Jahr.
Die Konigin derweile gebar ein Sohnelein,
Woruber Konig Etzel nicht mochte frohlicher sein. (1432)
Bis sie es erlangte lie? sie nicht ab davon,
Die Taufe musst empfangen Konig Etzels Sohn
Nach der Christen Sitte: Ortlieb ward er genannt.
Das brachte gro?e Freude uber Etzels ganzes Land. (1433)
Der Zucht, deren jemals zuvor Frau Helke pflag,
Befliss sich Kriemhilde darauf gar manchen Tag.
Es lehrte sie die Sitte Herrat die fremde Maid;
Dei trug noch in der Stille um Helke gro?es Herzeleid. (1434)
Vor Heimischen und Fremden war sie wohlbekannt;
Es hie?, so gut und milde hab eines Konigs Land
Nie eine Frau besessen: Das hielten sie fur wahr;
Des ruhmten sie die Heunen bis an das dreizehnte Jahr. (1435)
Nun wusste sie, dass niemand ihr feindlich sei gesinnt,
Wie heut noch Koniginnen der Fursten Recken sind,
Und dass sie taglich mochte zwolf Konge vor sich sehn.
Sie verga? auch nicht des Leides, das ihr zu Hause geschehn. (1436)
Sie gedacht auch noch der Ehren in Nibelungenland,
Die man ihr geboten und die ihr Hagens Hand
Mit Siegfriedens Tode fur alle Zeit benommen,
Und ob ihm das wohl jemals noch zu Leide mochte kommen. (1437)
“Es geschah, wenn ich den Degen bracht in dieses Land.”
Ihr traumte wohl, ihr ginge gar manchmal an der Hand
Geiselher ihr Bruder; sie kusst' ihn allezeit
In ihrem sanften Schlafe: Das ward zu schmerzlichem Leid. (1438)
Ich glaube dass Kriemhilden der bose Feind es riet,
Dass sie in guter Freundschaft von Konig Gunthern schied,
Den sie zur Suhne kusste in Burgondenland.
Aufs neu begann zu triefen von hei?en Tranen ihr Gewand. (1439)
Es lag ihr an dem Herzen, beides, spat und fruh,
Wie man mit Widerstreben sie doch gebracht dazu,
Dass sie minnen musste einen heidnischen Mann:
Die Not, die hatt ihr Hagen und Konig Gunther angetan. (1440)
Es schwand ihr aus dem Herzen selten dieser Mut.
Sie gedacht: “Ich bin so machtig und habe solches Gut,
Ich mag wohl meinen Feinden noch schaffen Herzeleid:
Dazu war ich dem Hagen von Tronje gerne bereit. (1441)
“Nach den Getreuen jammert noch oft die Seele mein:
Doch die mir Leides taten, mocht ich bei denen sein,
So wurde wohl gerochen meines Freundes Leib!
Kaum kann ich es erwarten,” also sprach das Konigsweib. (1442)
Hold waren ihr die Degen all in des Konigs Bann,
Die Recken Kriemhildens; das war wohlgetan.
Ihr Kammerer war Eckwart: Drum war er gern gesehn:
Kriemhildens Willen konnte niemand widerstehn. (1443)
Sie gedacht auch alle Tage: “Ich will den Konig bitten,
Er solle mir vergonnen mit gutlichen Sitten,
Dass man meine Freunde ladt in der Heunen Land.”
Den argen Willen niemand an der Konigin erfand. (1444)
Als eines Nachts Kriemhilde bei dem Konig lag,
Umfangen mit den Armen hielt er sie, wie er pflag
Der edeln Frau zu kosen; sie war ihm wie sein Leib:
Da gedachte ihrer Feinde dieses waidliche Weib. (1445)
Sie sprach zu dem Konige: “Viel lieber Herre mein,
Ich wollt euch gerne bitten, mocht es mit Hulden sein,
Dass ihr mich sehen lie?et, ob ich verdient den Sold,
Dass ihr auch meinen Freunden waret inniglich hold.” (1446)
Da sprach der reiche Konig, arglos war sein Mut:
“Des sollt ihr inne werden: Was man den Recken tut
Liebes und Gutes, das nehm ich freudig an,
Da ich von Weibesminne nie bessre Freunde gewann.” (1447)
Da sprach die Konigin wieder: “Euch ist das wohlbewusst,
Ich habe hohe Freunde, drum schmerzt mich der Verlust,
Dass mich die so selten besuchen hier im Land:
Ich bin bei allen Leuten nur als verwaiset bekannt.” (1448)
Da sprach der Konig Etzel: “Viel liebe Fraue mein,
Daucht es sie nicht zu ferne, so lud ich uberrhein
Die ihr wunscht zu sehen hieher in dieses Land.”
Da freute sich die Fraue, als ihr sein Wille ward bekannt. (1449)
Sie sprach: “Wollt ihr mir Treue leisten, Herre mein,
So sollt ihr Boten senden nach Wormes uber Rhein:
So entbiet ich meinen Freunden meinen Sinn und Mut:
So kommen uns zu Lande viel Ritter edel und gut.” (1450)
Er sprach: “Wenn ihr gebietet, so lass ich es geschehn.
Ihr konntet eure Freunde nicht so gerne sehn,
Der edeln Ute Kinder, als ich sie sahe gern:
Es tut mir innig wehe, dass sie so fremd uns sind und fern. (1451)
“Wenn es dir wohl gefiele, viel liebe Fraue mein,
So wollt ich gerne senden zu den Freunden dein
Meine Fiedelspieler nach Burgondenland.”
Die guten Spielleute, die brachte man gleich zur Hand. (1452)
Sie kamen hin in Eile, wo sie den Konig sahn
Bei der Kongin sitzen. Da sagt' er ihnen an,
Sie sollten Boten werden nach Burgondenland.
Auch lie? er ihnen schaffen schones, herrliches Gewand. (1453)
Vierundzwanzig Recken schuf man da das Kleid.
Ihnen ward auch von dem Konig gegeben der Bescheid,
Wie sie laden sollten Gunthern und seinen Bann.
Frau Kriemhild mit ihnen geheim zu sprechen begann. (1454)
Da sprach der reiche Konig: “Nun horet, was ihr tut:
Ich entbiete meinen Freunden alles was lieb und gut,
Und lade sie zu fahren hieher in dieses Land:
Ich habe wohl noch selten so liebe Gaste gekannt. (1455)
Und wenn sie meinen Willen gesonnen sind zu tun,
Kriemhilds Verwandte, so mogen sie nicht ruhn
Und diesen Sommer kommen zu meiner Lustbarkeit,
Da mir so hohe Wonne meiner Schwager Freundschaft beut.” (1456)
Da sprach der Fiedelspieler, der stolze Schwemmelein:
“Wann soll das Hofgelage in diesen Landen sein?
Dass wirs euern Freunden am Rheine mogen sagen.”
Da sprach der Konig Etzel: “In der nachsten Sonnenwende Tagen.” (1457)
“Wir tun, was ihr gebietet,” sprach da Werbelein.
Kriemhilde lie? die Boten zu ihrem Kammerlein
Fuhren in der Stille und besprach mit ihnen da,
Wodurch noch manchem Degen bald wenig Liebes geschah. (1458)
Sie sprach zu beiden Boten: “Nun verdient ihr gro?es Gut,
Wenn ihr mit rechter Treue meinen Willen tut
Und sagt was ich entbiete heim in unser Land:
Ich mach euch reich an Gute und geb euch herrlich Gewand. (1459)
“Wen ihr von meinen Freunden immer moget sehn,
Zu Wormes an dem Rheine, so sollt ihrs nie gestehn,
Dass ihr mich immer sahet betrubt in meinem Mut;
Und entbietet meine Gru?e diesen Helden kuhn und gut. (1460)
Bittet sie zu leisten was der Konig entbot,
Und mich dadurch zu scheiden von aller meiner Not.
Ich scheine vor den Heunen freundelos zu sein;
Wenn ich ein Ritter ware, ich kame manchmal an den Rhein. (1461)
Und sagt auch Gernoten, dem edeln Bruder mein,
Dass ihm auf Erden niemand holder moge sein:
Bittet, dass er mir bringe hieher in dieses Land
Unsre besten Freunde: So wird uns Ehre bekannt. (1462)
Und sagt auch Geiselheren, ich mahn ihn daran,
Dass ich mit seinem Willen nie ein Leid gewann:
Drum sahn ihn hier im Lande gern die Augen mein;
Ich hatt ihn hier gar gerne um die gro?e Treue sein. (1463)
Und sagt auch meiner Mutter, was mir fur Ehr geschieht;
Und wenn von Tronje Hagen der Reise sich entzieht,
Wer ihnen zeigen solle die Stra?en durch das Land?
Die Wege zu den Heunen sind ihm von Jugend auf bekannt.” (1464)
Es wunderte die Boten, warum das moge sein,
Dass sie diesen Hagen von Tronje nicht am Rhein
Weilen lassen sollten; bald ward es ihnen Leid:
Durch ihn war manchem Degen mit dem grimmen Tode gedraut. (1465)
Botenbrief und Siegel ward ihnen nun gegeben;
Sie fuhren reich an Gute und mochten herrlich leben.
Urlaub gab ihnen Etzel und sein schones Weib,
Ihnen war auch wohl gezieret mit gutem Staate der Leib. (1466)